Anwendung von Vorfiltern mit Acourate
Verfasst: 17.12.2012, 09:28
Ich möchte hier einmal ein paar Gedanken zum Thema Vorfilterung zusammenfassen und hoffe, dass sich hieraus ein besseres Verständnis ergibt:
1. Beginnen wir mit einem einfachen Beispiel. Es wird mit einem Mikrofon gemessen, dessen Frequenzgang eine Überhöhung von 6 dB bei 1 kHz hat. Dann zeigt die Messung ebenfalls diesen Buckel. Der Buckel gehört klar zum Mikro und ist nicht eine Eigenschaft des gemessenen Systems. Das bedeutet, dass wir eine Mikrokalibrierung verwenden, welche ebenfalls ein Filter anzusehen ist. Diese Filter ist nur einmal anzuwenden, nämlich auf die Messung. Anschliessend liegt das Ergebnis für das System korrekt vor, der Buckel ist rausgerechnet.
2. Nun nehmen wir eine Soundkarte. Diese erzeuge eine Delle von -6 dB bei 2 kHz. Auch hier beeinflussen wir durch das Messequipment das Messergebnis. Auch hier können wir durch eine Kalibrierung ein korrektes Messergebnis erhalten. Alles gut soweit, oder?
Leider nein. Bei der Soundkarte sind nun zwei Komponenten beteiligt. Der AD- und der DA-Wandler. Wenn die AD-Wandlung den Fehler beinhaltet, dann reicht die einmalige Kompensation. Wir nehmen ja dann nur einmal auf, bei der Wiedergabe eines Streams per Softwareplayer ist der AD-Wandler nicht mehr dabei.
Anders liegt der Fall, wenn wir über denselben Eingang ein externes Musiksignal einspeisen oder wenn der DA-Wandler den Fehler erzeugen würde. Es hilft dann nicht, wenn wir anhand der korrigierten Messung das Gesamtsystem optimieren. Wir müssen jedesmal, also bei jeder Wiedergabe auch den Fehler der Karte mitkorrigieren.
3. Es ergeben sich somit zwei Fälle. Im einen Fall a) wird nur das Messergebnis beeinflusst, es reicht eine einmalige Korrektur. Im anderen Fall b) wird die Musikwiedergabe konstant beeinflusst, wir müssen also immer korrigieren.
Beispiel für a) ist die Mikrokalibrierung, das Mikro ist nur während der Messung beteiligt
b) hierzu zählen Eigenschaften der Soundkartenkomponenten, die während der Wiedergabe beteiligt sind. Oder Eigenschaften der Frequenzweiche. Oder Raumeigenschaften. Praktisch bedeutet dies, dass die Korrekturfilter mit den Vorfiltern (hier nun zu betrachten als Nachfilter) zu falten sind.
4. Angenommen, das Mikrofon hat nun wiederum den Peak +6 dB bei 1 kHz. Das bedeutet, dass ein mit 0 dB aufgenommenes Signal in einem Frequenzbereich um 1 KHz herum clippen würde. Wir wissen, dass mit einem Vorfilter das Messergebnis korrigiert werden kann. Nur, wo wendet man das Vorfilter am besten an? Die Antwort ergibt sich aus der Betrachtung der bestmöglichen Auflösung. Wir können den Wiedergabepegel des Systems auf -6 dB setzen, entsprechend 1 bit Verlust an Auflösung. Bei 1 kHz haben wir den Buckel im Frequenzgang, welcher durch ein Vorfilter, angewandt auf die Messung , glattgebügelt wird. Wir können aber auch das Anregungssignal, den Sweep, vorfiltern. So dass das Sweepsignal in den Bereichen ausserhalb 1 kHz mit 0 dB aufgezeichnet wird. Im Bereich um 1 kHz kompensieren sich der geringere Wiedergabepegel und die Anhebung des Mikrofons, das Messignal hat ebenfalls 0 dB.
5. Fazit aus 4: Vorfilter können an unterschiedlichen Stellen verwendet werden. Bei einer linearen Filterung gilt wie bei Multiplikation das Vertauschungsgesetz. Aber es macht Sinn, über den jeweiligen Ort der Filterung nachzudenken, wenn nichtlineare Operationen mit ins Spiel kommen wie die Reduktion der Auflösung durch numerische Begrenzung (Bittiefe). Eine Klangregelung mit nachfolgendem Kompressor klingt anders als ein Kompressor mit nachfolgender klangregelung.
6. Bei der Berechnung von Filtern mit Acourate werden verschiedene Stufen durchlaufen. Es ergibt sich auch hier die Frage, an welchen Stellen die Filter jeweils einzusetzen sind. Da die Berechnungen auch nichtlineare Bestandteile mit einschliessen (Beispiel Psychoakustik), ergeben sich somit unterschiedliche Ergebnisse abhängig von der Position des Vorfilters. Im übrigen erschliesst sich hieraus gerade der Sinn der Vorfilterung. Ohne diese Unterschiedlichkeit bräuchte man ja gar kein Vorfilter mehr.
7. Geeignete Orte für eine Vorfilterung sind derzeit:
- Logsweeprecorder Mikrokalibrierung. Die Kalibrierung wird nach der Messung angewandt (im Gegensatz zu 4 oben, um eine zusätzliche Anregung im Bassbereich aufgrund der Mikrokalibrierung zu vermeiden)
- Logsweeprecorder Multiway-Filter. Der Sweep wird vorgefiltert, meistens zur Vermeidung einer Systemanregung (Extrembeispiel: die XO-Weiche für den Hochtöner filtert die Bassanregung aus dem Logsweep raus)
- Faltung der ermittelten Pulsantwort mit dem Vorfilter. Eine Vorfilterung hier simuliert eine neue Systemantwort vor der nachfolgenden Auswertung, die Auswertung weiss praktisch gesehen nichts davon.
8. Kombination von Vorfiltern
Sofern Vorfilter (und auch die Nachfilter, siehe 2 und 3b) linear sind, können sie durch eine Faltung mit einander kombiniert und zu einem Vorfilter verknüpft werden. Also z.B. XO-Weiche, DA-Wandler Korrektur, Raummodenfilter 1, Raummodenfilter 2 ...
9. Vorfilter machen dann Sinn, wenn sie stabil sind, also klare festgelegte Eigenschaften aufweisen bzw. klare festgelegte und sich nicht ändernde Merkmale des Systems beeinflussen. Ansonsten wären sie sogar kontraproduktiv. In diesem Sinn können dann Korrekturergebnisse insgesamt verbessert werden, weil damit auch anschliessende Berechnungen (z.B. Exzessphasenkorrektur) stabiler verlaufen.
10. Es gibt kein allgemeingültiges Kochrezept = Ein-Knopf-Fertig-Lösung . Je nach Wiedergabesystem kann sich die eine oder andere Massnahme als sinnvoll herausstellen oder auch nicht. Acourate erlaubt hier aber auch, das eine oder andere zu testen. Erlaubt ist alles, was letztendlich glücklich macht. Die Auflistung oben mag nicht vollständig sein, ich hoffe sie hilft zu etwas mehr Verständnis.
Grüsse
Uli
1. Beginnen wir mit einem einfachen Beispiel. Es wird mit einem Mikrofon gemessen, dessen Frequenzgang eine Überhöhung von 6 dB bei 1 kHz hat. Dann zeigt die Messung ebenfalls diesen Buckel. Der Buckel gehört klar zum Mikro und ist nicht eine Eigenschaft des gemessenen Systems. Das bedeutet, dass wir eine Mikrokalibrierung verwenden, welche ebenfalls ein Filter anzusehen ist. Diese Filter ist nur einmal anzuwenden, nämlich auf die Messung. Anschliessend liegt das Ergebnis für das System korrekt vor, der Buckel ist rausgerechnet.
2. Nun nehmen wir eine Soundkarte. Diese erzeuge eine Delle von -6 dB bei 2 kHz. Auch hier beeinflussen wir durch das Messequipment das Messergebnis. Auch hier können wir durch eine Kalibrierung ein korrektes Messergebnis erhalten. Alles gut soweit, oder?
Leider nein. Bei der Soundkarte sind nun zwei Komponenten beteiligt. Der AD- und der DA-Wandler. Wenn die AD-Wandlung den Fehler beinhaltet, dann reicht die einmalige Kompensation. Wir nehmen ja dann nur einmal auf, bei der Wiedergabe eines Streams per Softwareplayer ist der AD-Wandler nicht mehr dabei.
Anders liegt der Fall, wenn wir über denselben Eingang ein externes Musiksignal einspeisen oder wenn der DA-Wandler den Fehler erzeugen würde. Es hilft dann nicht, wenn wir anhand der korrigierten Messung das Gesamtsystem optimieren. Wir müssen jedesmal, also bei jeder Wiedergabe auch den Fehler der Karte mitkorrigieren.
3. Es ergeben sich somit zwei Fälle. Im einen Fall a) wird nur das Messergebnis beeinflusst, es reicht eine einmalige Korrektur. Im anderen Fall b) wird die Musikwiedergabe konstant beeinflusst, wir müssen also immer korrigieren.
Beispiel für a) ist die Mikrokalibrierung, das Mikro ist nur während der Messung beteiligt
b) hierzu zählen Eigenschaften der Soundkartenkomponenten, die während der Wiedergabe beteiligt sind. Oder Eigenschaften der Frequenzweiche. Oder Raumeigenschaften. Praktisch bedeutet dies, dass die Korrekturfilter mit den Vorfiltern (hier nun zu betrachten als Nachfilter) zu falten sind.
4. Angenommen, das Mikrofon hat nun wiederum den Peak +6 dB bei 1 kHz. Das bedeutet, dass ein mit 0 dB aufgenommenes Signal in einem Frequenzbereich um 1 KHz herum clippen würde. Wir wissen, dass mit einem Vorfilter das Messergebnis korrigiert werden kann. Nur, wo wendet man das Vorfilter am besten an? Die Antwort ergibt sich aus der Betrachtung der bestmöglichen Auflösung. Wir können den Wiedergabepegel des Systems auf -6 dB setzen, entsprechend 1 bit Verlust an Auflösung. Bei 1 kHz haben wir den Buckel im Frequenzgang, welcher durch ein Vorfilter, angewandt auf die Messung , glattgebügelt wird. Wir können aber auch das Anregungssignal, den Sweep, vorfiltern. So dass das Sweepsignal in den Bereichen ausserhalb 1 kHz mit 0 dB aufgezeichnet wird. Im Bereich um 1 kHz kompensieren sich der geringere Wiedergabepegel und die Anhebung des Mikrofons, das Messignal hat ebenfalls 0 dB.
5. Fazit aus 4: Vorfilter können an unterschiedlichen Stellen verwendet werden. Bei einer linearen Filterung gilt wie bei Multiplikation das Vertauschungsgesetz. Aber es macht Sinn, über den jeweiligen Ort der Filterung nachzudenken, wenn nichtlineare Operationen mit ins Spiel kommen wie die Reduktion der Auflösung durch numerische Begrenzung (Bittiefe). Eine Klangregelung mit nachfolgendem Kompressor klingt anders als ein Kompressor mit nachfolgender klangregelung.
6. Bei der Berechnung von Filtern mit Acourate werden verschiedene Stufen durchlaufen. Es ergibt sich auch hier die Frage, an welchen Stellen die Filter jeweils einzusetzen sind. Da die Berechnungen auch nichtlineare Bestandteile mit einschliessen (Beispiel Psychoakustik), ergeben sich somit unterschiedliche Ergebnisse abhängig von der Position des Vorfilters. Im übrigen erschliesst sich hieraus gerade der Sinn der Vorfilterung. Ohne diese Unterschiedlichkeit bräuchte man ja gar kein Vorfilter mehr.
7. Geeignete Orte für eine Vorfilterung sind derzeit:
- Logsweeprecorder Mikrokalibrierung. Die Kalibrierung wird nach der Messung angewandt (im Gegensatz zu 4 oben, um eine zusätzliche Anregung im Bassbereich aufgrund der Mikrokalibrierung zu vermeiden)
- Logsweeprecorder Multiway-Filter. Der Sweep wird vorgefiltert, meistens zur Vermeidung einer Systemanregung (Extrembeispiel: die XO-Weiche für den Hochtöner filtert die Bassanregung aus dem Logsweep raus)
- Faltung der ermittelten Pulsantwort mit dem Vorfilter. Eine Vorfilterung hier simuliert eine neue Systemantwort vor der nachfolgenden Auswertung, die Auswertung weiss praktisch gesehen nichts davon.
8. Kombination von Vorfiltern
Sofern Vorfilter (und auch die Nachfilter, siehe 2 und 3b) linear sind, können sie durch eine Faltung mit einander kombiniert und zu einem Vorfilter verknüpft werden. Also z.B. XO-Weiche, DA-Wandler Korrektur, Raummodenfilter 1, Raummodenfilter 2 ...
9. Vorfilter machen dann Sinn, wenn sie stabil sind, also klare festgelegte Eigenschaften aufweisen bzw. klare festgelegte und sich nicht ändernde Merkmale des Systems beeinflussen. Ansonsten wären sie sogar kontraproduktiv. In diesem Sinn können dann Korrekturergebnisse insgesamt verbessert werden, weil damit auch anschliessende Berechnungen (z.B. Exzessphasenkorrektur) stabiler verlaufen.
10. Es gibt kein allgemeingültiges Kochrezept = Ein-Knopf-Fertig-Lösung . Je nach Wiedergabesystem kann sich die eine oder andere Massnahme als sinnvoll herausstellen oder auch nicht. Acourate erlaubt hier aber auch, das eine oder andere zu testen. Erlaubt ist alles, was letztendlich glücklich macht. Die Auflistung oben mag nicht vollständig sein, ich hoffe sie hilft zu etwas mehr Verständnis.
Grüsse
Uli