Nicht verwendete Lautsprecher kurzschließen?

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Handtuch
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Nicht verwendete Lautsprecher kurzschließen?

Beitrag von Handtuch »

Hallo allerseits,

ein Bekannter von mir betreibt ein Hifi-Geschäft und er schrieb mir, dass ein Vertriebsmann ihm berichtet hätte, ein anderer Händler würde alle Lautsprecher in der Ausstellung mit einem Kabel kurz schließen, um unerwünschte Resonanzen der aktuell nicht an Verstärkern angeschlossenen Lautsprecher zu minimieren.

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Interessantes Thema, finde ich und habe natürlich an euch ein paar Fragen:

Macht diese Vorgehensweise Sinn?
Funktioniert es überhaupt?
Wenn ja, kann man das hören?

Dass eine Spule in einem Magnetfeld eine Spannung induziert weiß ich noch vom Physikunterricht.
Aber wie hoch ist diese Indunktionsspannung bei einem durch Luftschall eines anderen bewegten Lautsprechers überhaupt?
Ist die Leiterschleife (eventuell über die LCR-Verschaltung) schon geschlossen, wenn sich noch eine Frequenzweiche hinter/vor den Chassis befindet?
Bricht die Induktionsspannung zusammen, bzw. wird überhaupt eine erzeugt, wenn die Lautsprecherterminals kurzgeschlossen werden?
Wäre es unter Umständen nicht sinnvoller, statt eines "Kurzen" einen Widerstand statt diese Brücke einzubauen, damit die eventuell entstehende Leistung in Wärme umgewandelt wird?

Fragen über Fragen...

Liebe Grüße
Christian
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Hallo Christian, ja nee, is klar, da war doch was, da muss doch noch was gehen...
Das erste Experiment, zu dem ich rate, ist ein aktiver Subwoofer, auf dessen Membran man axial klopft und ihn dann einschaltet, wieder klopft und der Vergleich beider Töne und deren offenbares (bedämpftes) Nachschwingen zeigt eine Richtung.
Das zweite Experiment liegt bei mir schon 50 Jahre zurück. 2 Fane Tieftöner mit gutem Wirkungsgrad wurden mit Kabeln verbunden. Als der eine eingedrückt wirde, fungierte er als Generator (der Begriff dynamischer Lautsprecher kommt ja nicht von ungefähr), der andere (als Last) bewegte seine Membran in Gegenrichtung. Das war sehr beeindruckend.
Drittes Experiment: Man stellt einen Subwoofer neben einen Vollbereichs-LS mit tiefreichendem Bass. Dann vergleicht man den Klang mit aus- bzw. eingeschaltetem Sub. Ehrlich gesagt, konnte ich da keinen Unterschied hören.

Überlegung dazu: Ein aktiver Sub kontrolliert die Membran mehr als ein passiver LS mit Kurzschluss über die Klemmen, weil dazwischen noch die Spule der Frequenzweiche liegt. Und bei einer 12dB Weiche oder höherer Ordnung ist ja noch ein Kondensator parallel zum Tieftöner, er bekanntermaßen für Wechselspannungen einen Kurzschluss mit seinem Innenwiderstand begrenzt darstellt. Ein externes Kabel verbessert die Kurzschlussituation nur eingeschränkt über den Ohmschen Anteil der Spule der Frequenzweiche.
Bei Mittel- und Hochton wird es noch komplexer und bedeutungsloser, da die anderen Chassis als Last rückwärtig wirken, bzw. durch die Bandpassfiter nicht vollständig durchlassen, was man vielleicht bedämpfen möchte.

Eine Transformation aus einem anderen Bereich will ich hier nicht vernachlässigen: Über vielen Netzschaltern im Audiobereich findet man Kondensatoren, die vermutlich den Lichtbogen im Schalter löschen sollen. Das ist eine gängige Ingenieurfehlleistung. Ein Kondensator ist von Namen her ein Verdichter, praktisch dient er zur Speicherung von Elektronen. Die gibt er bei guter Qualität weitestgehend vollständig wieder ab. Er kann also nichts vernichten. Diese Aufgabe erfüllt der mit dem C in Serie geschaltete Widerstand, sei die Combo bezeichnet als Snubber, Zobel- oder Boucheroth-Glied.
Ein Widerstand mit 1 Ohm zwischen den LS-Klemmen könnte hier sinnvoller sein als der Kurzschlussdraht , der mit seiner Nederohmigkeit nahezu keine Dämpfung beiträgt, sondern in Verbindung mit Spule oder Kondensator deren Energie reflektieren lässt.
Ich stelle das zur Diskussion.

Konkret zur Situation des besagten Händlers, der vermutlich mehr Lautsprecher im Raum hat als die idiotische-Single-Spieker-Demonntäschen vernarrten L1nn-Händler in ihren Räumen haben: Der Direktschall des Lautsprechers trifft beim Hörer zuerst ein. L- und R- Signale repräsentieren die Aufnahmesituation, wie sie die Mikrofone aufgezeichnet haben und die Kexperten im Mastering für richtig befunden oder "korrigiert" haben. Alle anderen Raumantworten sind eine Entfernung vom Original. Also setzt man Diffusoren und dämpfende Komponenten im Raum ein, um eine Annäherung ans Ideal zu schaffen, weniger zeitverzögerte Schallenergie zu hören.

Christian, wenn du mehrere Lautsprecher im Raum stehen hast, die nicht betrieben werden, könntest du beides ausprobieren: Drahtbrücke wie auch Widerstand (der 1/2 Watt Typ wäre mehr als ausreichend).
Der von dir zitierte Händler hätte den Vertriebsmann bitten sollen, ihm den Unterschied mal zu demonstrieren, um stante pede den Wahrheitsgehalt zu belegen. Das ist offenbar nicht geschehen, genausowenig wie die intrinsische Motivation des besagten Händlers reichte, dem Argument durch eigenes Experiment den nötigen Hintergrund zur quantitativen Einordnung zu geben.
Bestell ihm einen schönen Gruß von mir, er ist ein Kaufmann, aber niemand, der anderen eine gute Beratung bietet, weil er diesbezüglich nicht kompetent genug ist. Denn er kann seinen eigenen Hörraum akustisch offenbar nicht einordnen im Vergleich zum Hörraum des Kunden.
Macht alles nichts, denn als Ivor Tiefenbrun die Boston Audio Society besuchte, konnte er nicht hören, ob ein zusätzlicher Lautsprecher hinter seinem Hörplatz einen Einfluss hatte. Noch Jahre später glaubten und folgten seine Follower dem Narrativ, obwohl der Großmeister selbst bei seinem eigenen Kriterium versagte.
Um nicht irgendwelchen Rattenfängern auf dem Leim zu gehen bzw. nach deren Flöte zu tanzen, hilft nur das eigene Experiment zur Bildung einer eigenen fundierten Meinung. Das ist unbequem, aber schafft Sicherheit und Kompetenz durch Wissen aus eigener Erfahrung.

Der alte Fritz (Sennheiser) hat in seiner Vorlesung Technische Akustik (TH Hannover) die Bedeutung von Hohlräumen hinter der Mikrofonmembran für das Übertragungsverhalten hervorgehoben. HT und MT werden per Hochpass nur oberhalb der Resonanzfrequenz betrieben. Die diskutierte Kurzschlussbrücke ist davon weitgehend abgekoppelt. Was bleibt, ist der Tiefton. Und da fällt mir ein, wie ein Scherzartikel funktionierte, wo eine stromdurchflossene Spule sich bei Stromunterbrechung an 2 Berührkontakten entlud (Elektrisierapparat). Es gibt den Energiesatz der Physik, der besagt, dass die Summe der Energien konstant ist.
Da fragt man sich, wo die Schallenergie der momentanen Musik bleiben soll, damit sie nicht von dem vorausgegangen Signal zugeschmiert wird. Ein Ton muss schnell verklingen, absorbiert werden. Eine Vielzahl unterschiedlich abgestimmter Resonatoren könnte dabei helfen.
Wenn es um die Erkenntnis des besagten Händlers geht, könnte er jegliche nicht spielende Lautsprecherbox (mit Bassreflexöffnung an der Front) derart an die Wand stellen, dass die Chassis vom Raum abgewandt sind. Rückwärtig abstrahlende BR-Öffnungen wären dann fest zustopfen.
Aber was bringt es, wenn man sämtliche anderen LS aus einem quaderförmigen gemauerten Raum bis auf das Paar on duty entfernt? Nach L1nn Empfehlung selbst ein Telefon mit seiner Sprech- und Hörmembran entfernt? Das Ergebnis verlangt nach mehr akustischen Maßnahmen alternativ, um die Diffusoren und Absorber zu ersetzen.

Wenn man durch Kurzschluss erreichen könnte, dass die Membranen sich nicht bewegen, dann wäre es so, wie wenn die LS-Box allein auf ihr Gehäuse reduziert wird. Das Gehäuse ist aber kein unnachgiebiger Stein.
Welchen Anteil die beweglichen Flächen gegenüber den Raumgrenzflächen wie Decke, Seitenwände, Boden einnehmen, relativiert den möglichen Einfluss auch.
Den Rattenfängern kann ich nur zurufen: hic Rhodus, hic salta!
Grüße
Hans-Martin
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phase_accurate
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Beitrag von phase_accurate »

Hallo Hans-Martin
Hans-Martin hat geschrieben: 05.04.2024, 00:37Ein Widerstand mit 1 Ohm zwischen den LS-Klemmen könnte hier sinnvoller sein als der Kurzschlussdraht , der mit seiner Nederohmigkeit nahezu keine Dämpfung beiträgt, sondern in Verbindung mit Spule oder Kondensator deren Energie reflektieren lässt.
Ich stelle das zur Diskussion.
Diskussion angenommen !
Kurzschluss ist besser als kleiner Seriewiderstand ! Es gibt bereits einen ohmschen Widerstand in Serie, nämlich Rvc der Chassis. In diesem (also dem Geichstromwiderstand der Schwingspule) wird die Bewegungsenergie in Wärme umgewandelt. Da der Wirkungsgrad eines LS gegen 0 tendiert (ich weiss, das ist jetzt sehr böse ausgedrückt aber es gibt nun mal sehr viel mehr LS mit einem Wirkungsgrad unter 1% als solche mit einem Wirkungsgrad darüber) wird auch der Wirkungsgrad von mechanisch/akustisch zu elektrisch nicht sehr hoch sein und deshalb die Erwärmung der Schwingspule unbedeutend sein.

Der Gleichstromwiderstand der Schwingspule ist übrigens das dominante Element wenn es um die Dämpfung geht. Deshalb macht es bezüglich Bedämpfung der Chassisresonanz keinen sehr grossen Unterschied ob man einen Verstärker mit einem Dämpfungsfaktor von 100, 1000 oder gar 10'000 einsetzt.

Gruss

Charles
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Handtuch
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Beitrag von Handtuch »

Moin Hans-Martin,
Hans-Martin hat geschrieben: 05.04.2024, 00:37eingeschaltetem Sub. Ehrlich gesagt, konnte ich da keinen Unterschied hören.
Das deckt sich mit den Erfahrungen meines Bekannten. Er hat mal alle Lautsprecher in seinem Hörraum kurzgeschlossen und keine Änderung festsstellen können.

Aber du hast recht: bei der ganzen Geschichte darf man nicht nur die Membranen, welche Schwingen könnten betrachten, sondern natürlich auch die dazugehörigen Gehäuse. War es nicht so, dass bei den BBC-Monitoren (Spendor, Harbeth, u.ä.) die mitschwingenden Gehäuse zum Konzept gehören?

Also für mich ziehe ich als Fazit: die Sache mit den kurzgeschlossenen Lautsprchern ist Humbug!
Sollte man was hören können, verschwinden die Änderngen im Grundrauschen des Urknalls.

Hallo Charles,
phase_accurate hat geschrieben: 05.04.2024, 16:00 Kurzschluss ist besser als kleiner Seriewiderstand ! Es gibt bereits einen ohmschen Widerstand in Serie, nämlich Rvc der Chassis. In diesem (also dem Geichstromwiderstand der Schwingspule) wird die Bewegungsenergie in Wärme umgewandelt. Da der Wirkungsgrad eines LS gegen 0 tendiert
ja, jetzt sind wir wieder bei der Physik und den Auswirkungen auf die elektrischen Bauteile.

Mir war ja in erster Linie wichtig, ob man nach dem Stecker solcher Brücken einen klanglichen Unterschied der Wiedergabekette kören kann oder nicht. Wie oben geschrieben, tendiere ich zu "nein".

Da sollte man lieber schauen, dass die Lautsprecher ideal stehen und der Raum entsprechend akustisch behandelt ist. Das bringt mehr und ist essentiell.

Liebe Grüße
Christian
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