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Analoge vs. digitale Lautsprecherkonzepte

Verfasst: 02.03.2024, 18:39
von Rudolf
Liebe Freunde,

das Thema hatten wir mit Sicherheit bereits, aber ich konnte es auf die Schnelle nicht finden.

Es geht um die Frage, ob in einer digitalen Abspielkette möglichst früh oder erst im Aktivlautsprecher gewandelt werden sollte.

Der Massenmarkt scheint dies inzwischen beantwortet zu haben: möglichst spät, also erst innerhalb des Lautsprechers unmittelbar vor den Endstufen. Eigentlich müsste dies auch die beste Lösung im Sinne eines unverfälschten Datenstromes sein. Aber ist dies auch klanglich die beste Lösung, vor allem wenn man bedenkt, wie vielen potentiellen Störeinflüssen das digitale Signal auf dem Weg bis zur Wandlung im DAC des Lautsprechers ausgesetzt ist?

Diese Frage hat sich mir erneut gestellt, als ich auf YouTube ein sehr informatives Interview mit Hanno Sonder, dem Mastermind von Abacus, entdeckte. Es geht inhaltlich zwar um den Abacus Studiomonitor Pivota, aber dabei erklärt Hanno Sonder sehr anschaulich, wie er bei der Entwicklung seiner Monitore vorgeht: Entwicklung in der digitalen Domäne (digitale Frequenzweichensimulation) einschl. Life-Auditierung, anschließende Realisierung jedoch in der analogen Domäne.

Screenshot 2024-03-02 181752.jpg
Screenshot 2024-03-02 181752.jpg (154.69 KiB) 3070 mal betrachtet
ABACUS goes Pro-Audio - Teil 2: Pivota 42 | Hanno Sonder im Interview

Neben Abacus gibt es hier im Forum noch einige andere gut beleumundete Lautsprechermanufakturen, die ihre Lautsprecherelektronik vollständig auf analoger Basis realisieren (z.B. AGM, Silbersand).

Wie steht ihr zu dieser Frage?

Viele Grüße
Rudolf

Verfasst: 02.03.2024, 19:26
von h0e
Hallo Rudolf,

wie immer kommt es drauf an. So ist es schon entscheidend, wo ein Etwickler seine Stärken hat. Das wird großen Einfluß auf Konzept und Philosophie einer Entwicklung haben. So ist eine AGM klassisch analog, eine Dynaudio XD konsequent digital. Erstere mit analoger Weiche und analogen Amps und analoger Regelung der Chassis, letztere sogar ohne klassischen D/A Wandler, weil man PCM zu PWM umrechnet und dann auf die „digitale“ Endstufe gibt. Dazwischen gibt es natürlich unendlich viel, so sind in vielen Aktiven Plateamps der bekannten OEM Hersteller, entsprechend kommen am Eingang auch A/D Wandler, Sampleratekonverter und am Ende auch eine D/A Wandlung.

Für jedes Konzept gibt es gute Argumente, man muss es dann nur mit allen Stärken und Schwächen möglichst optimal umsetzen. Und dann ist es auch immer die Frage, ob der Markt für ein Produkt da ist bzw. ob der Preispunkt stimmt. So gab es für die AGM z.B. eine Version der 3.3 mit eingebautem Dac, ich glaube aber die eine die hier bei einem Foristen in München steht, ist die einzige verkaufte, alle anderen waren rein analog. Es kann aber auch zur Philosophie gehören, wie Linn das macht alles zu digitalisieren, und dann bis zum Lautsprecher proprietär zu übertragen. Das führt dazu, dass Kabelfragen ein wenig mehr in den Hintergrund gedrängt werden als bei analog, dafür ist ein Setup dann nicht mehr zu anderen System (außer Quellen) interoperabel.

Wenn ich ein Setup für ca. 10k aufbauen müsste und eine digitale Quelle reicht, würde ich das rein digital machen wollen. Nach meinem Dafürhalten kommt man aber klanglich deutlich weiter, wenn man die digitale Welt mit einem guten Dac verlässt und dann rein analog weitergeht. Aber das hat dann eben auch seinen Preis. Für mich als Digitalo (jedenfalls bei der Quelle) ist es der analoge Weg, den ich verfolge.

Grüsse Jürgen

Verfasst: 02.03.2024, 20:43
von wgh52
Hallo Rudolf,

meines Erachtens nach zielen Hersteller analoger Aktivboxen auf eine andere Zielgruppe als die welche die DACs in der Box haben. Erstere bedienen z.B. HiFi Enthusiasten, die ihren DAC selbst bestimmen (und vielleicht immer mal wechslen :wink: ) wollen oder/und vielleicht auch rein analog Schallplatten hören. Letztere Hersteller zielen eher auf Hörer mit (wahrscheinlich) schlanken, digitalen Anlagen (z.B. Streamer und Lautsprecher, digital verbunden, evtl. "drahtlos").

Weiterhin meine ich, daß die Entwicklung aktiver wie passiver Lautsprecher heute fast überall mit Hilfe oder in der digitalen Domäne erfolgt. Optimierungen gehen einfach viel schneller und für aktive wie passive Analoglösungen lassen sich die Bauteiledimensionierungen bestimmen.

Grüße,
Winfried

Verfasst: 02.03.2024, 22:06
von Rudolf
Hallo Winfried,
wgh52 hat geschrieben: 02.03.2024, 20:43 Weiterhin meine ich, daß die Entwicklung aktiver wie passiver Lautsprecher heute fast überall mit Hilfe oder in der digitalen Domäne erfolgt. Optimierungen gehen einfach viel schneller und für aktive wie passive Analoglösungen lassen sich die Bauteiledimensionierungen bestimmen.
Was läge also näher, als auch die Umsetzung in der digitalen Domäne durchzuführen, oder anders gefragt, weshalb betreibt z.B. Abacus den Aufwand, die Ergebnisse in der analogen Ebene umzusetzen? Immerhin sind die analogen Lautsprecher (Trifon-Modelle sowie Studiomonitore) bei Abacus teurer als die digitalen Cortex-Modelle.

Viele Grüße
Rudolf

Verfasst: 03.03.2024, 00:05
von wgh52
Hi Rudolf,

ich spekulierte ja bereits:
wgh52 hat geschrieben: 02.03.2024, 20:43...meines Erachtens nach zielen Hersteller analoger Aktivboxen auf ... z.B. HiFi Enthusiasten, die ihren DAC selbst bestimmen (und vielleicht immer mal wechslen :wink: ) wollen oder/und vielleicht auch rein analog Schallplatten hören...
... und bereit sind dafür tiefer in die Tasche zu greifen :wink:

Grüße,
Winfried

Aktiv

Verfasst: 03.03.2024, 01:59
von SolidCore
Hallo Rudolf

Ich tu mich mit etwas ganz anderem schwer. In beiden Fällen bestimmt doch die Güte der Komponenten das Ergebnis.
Nehmen wir mal bei Aktiven die Elektronik, z.B so ein Hypex Modul. Kostet 500,-. Für den Preis erhält man
- Netzteil
- Gehäuse
- DSP
- Weiche
- DAC
- Amp
Wie viel Güte bleibt denn da für die jeweiligen Einzeldisziplinen ? Sollte da nicht ein hochwertiger DAC und ein guter Amp die Nachteile einer Passiv-Weiche wieder wett machen? Schwer zu sagen.

Aufgefallen ist mir das, als ich mal so ein 500,- DSP Modul, welches man vor die Vorstufe schleift, probiert habe. Allein der Einbau, mit allen Settings auf Bypass, klang schon ziemlich hörbar schlechter, als ohne. Irgendwie verfummelt so ein Ding das Signal.

Gruß
Stephan

Verfasst: 03.03.2024, 07:52
von h0e
Hallo zusammen,

Hanno hat das auch im Video beantwortet. Er nutzt die Möglichkeiten der digitalen Entwicklung, um schnell Weichenabstimmungen auszuprobieren. Allerdings bekommt er es analog besser klingend hin.

Stefan hat einen auch von mir schon angesprochenen Punkt ausgeführt, Kosten sind ein großer Punkt, um sein Ziel für die Marktnische zu erreichen.

Grüsse Jürgen

Verfasst: 03.03.2024, 07:55
von Bernd Peter
Hallo,

wenn man seine analogen Endstufen - warum auch immer - verbauen möchte, kann es kein volldigitaler LS sein.

Ansonsten geht die Entwicklung bei den digitalen Konzepten ja stramm weiter, siehe die neuen Linn Netzteile und den digitale Verstärker von Ralf Koschnicke.


Es grüßt

Bernd Peter

Verfasst: 03.03.2024, 08:36
von hkampen
Hallo Jürgen,
h0e hat geschrieben: 03.03.2024, 07:52Hanno hat das auch im Video beantwortet. Er nutzt die möglichkeiten der digitalen Entwicklungsmöglichkeiten, um schnell Weichenabstimmungen auszuprobieren. Allerdings bekommt er es analog besser klingend hin.
dass eine analoge Weiche besser klingt, sagt er nicht. Da geht es eher um die Erwartungen der Kunden.

Harald

Verfasst: 03.03.2024, 10:01
von Rudolf
Hallo zusammen,
Bernd Peter hat geschrieben: 03.03.2024, 07:55 wenn man seine analogen Endstufen - warum auch immer - verbauen möchte, kann es kein volldigitaler LS sein.
so habe ich Hanno Sonder auch verstanden, wobei ich bei meiner ursprünglichen Fragestellung weniger auf den Einsatz von digitalen Class-D Amps als auf die Verwendung von internen DSPs abstellte.

Viele Grüße
Rudolf

Verfasst: 03.03.2024, 10:24
von RayDigital
Bernd Peter hat geschrieben: 03.03.2024, 07:55 Ansonsten geht die Entwicklung bei den digitalen Konzepten ja stramm weiter, siehe die neuen Linn Netzteile und den digitale Verstärker von Ralf.
Hallo Bernd Peter,

Ralf‘s Endstufe, die „pow-amp“ ist ein analoger Verstärker, der keine Eingänge für digitale Signale besitzt. Siehe dazu auch den Screenshot unten von der Acousence-Webseite.


Gruß,
Raimund

Verfasst: 03.03.2024, 10:46
von wgh52
Hallo Raimund,

die Acousence Endstufe ist keine analoge Endstufe, denn schon das Bild nennt die Endstufe im Titel "PWM", was einen pulsweiten modulierter Schaltverstärker bezeichnet. Diese werden oft als digitale Verstärker bezeichnet. Bei dieser Verstärkerart steuert das analoge Eingangssignal die Pulsbreite mit der zwischen "null", positiver und negativer Ausgangsspannung "umgeschaltet" wird. Vor dem Lautsprecherausgang folgt dann ein Tiefpass, der die scharfen Flanken wieder glättet und dem Lautsprecher ein geglättetes Signal einspeist. Warum das alles: Lässt man Transistoren vollständig leiten erzeugen sie viel weniger Verlustleistung als wenn sie nur teilweise leiten (wie in analogen Endstufen der Fall). Daher auch die Miniaturbauweise vieler PWM Endstufenmodule.

Ein häufiges Mißverständnis ist, das PWM Endstufen digital ansteuerbar wären, das ist aber nur der Fall wenn vor diesen ein DAC eingeschleift ist oder das digitale Eingangssignal von einem DSP von Pegel auf Pulsbreite umgerechnet wird (was es auch gibt).

Das nur zur (vereinfachten) Begriffsklärung.
Grüße,
Winfried

Verfasst: 03.03.2024, 10:51
von RayDigital
Rudolf hat geschrieben: 02.03.2024, 18:39 Neben Abacus gibt es hier im Forum noch einige andere gut beleumundete Lautsprechermanufakturen, die ihre Lautsprecherelektronik vollständig auf analoger Basis realisieren (z.B. AGM, Silbersand).

Wie steht ihr zu dieser Frage?
Hallo Rudolf,

zunächst möchte ich mich bei Dir dafür bedanken, dass Du uns den Anstoß gegeben hast, hier mal wieder über etwas Grundsätzliches diskutieren zu können.
Ich schliesse mich der Meinung von Hanno und Jürgen an: allein der Aufwand, den so manche Hersteller von hochwertigen ADCs und DACs bei der Wandlung von bzw. nach Analog betreiben, kann meines Erachtens nicht auf diesem Niveau innerhalb des Lautsprechers bewerkstelligt werden.
Schon die Notwendigkeit der Isolation gegen das Eindringen des hochfrequenten Schmutzes aus einer digitalen Quelle in das empfindliche analoge Signal des DACs spricht dafür, dies außerhalb des Lautsprechers zu tun.
Demnach ist meine klare Haltung in dieser Frage, nur mit dem besten im Vorfeld zu generierenden analogen Signal in den Lautsprecher zu gehen.

Gruß,
Raimund

Verfasst: 03.03.2024, 10:57
von RayDigital
wgh52 hat geschrieben: 03.03.2024, 10:46 Hallo Raimund,

die Acousence Endstufe ist keine analoge Endstufe, denn schon das Bild nennt die Endstufe im Titel "PWM", was einen pulsweiten modulierter Schaltverstärker bezeichnet. Diese werden oft als digitale Verstärker bezeichnet. Bei dieser Verstärkerart steuert das analoge Eingangssignal die Pulsbreite mit der zwischen "null", positiver und negativer Ausgangsspannung "umgeschaltet" wird. Vor dem Lautsprecherausgang folgt dann ein Tiefpass, der die scharfen Flanken wieder glättet und dem Lautsprecher ein geglättetes Signal einspeist. Warum das alles: Lässt man Transistoren vollständig leiten erzeugen sie viel weniger Verlustleistung als wenn sie nur teilweise leiten (wie in analogen Endstufen der Fall). Daher auch die Miniaturbauweise vieler PWM Endstufenmodule.
Das nur zur (vereinfachten) Begriffsklärung.
Hallo Winfried,

besser kann man es nicht erklären, danke dafür.
Die Tatsache bleibt allerdings, dass es sich bei der „pow-amp“ eben nicht um eine wie auch immer geartete „digitale“, sondern um eine Endstufe mit ausschließlich analogen Eingängen handelt ohne ADC- und DAC-Wandlung innerhalb des Gerätes.

Gruß,
Raimund

Verfasst: 03.03.2024, 11:18
von cay-uwe
Persönlich habe ich mich entschieden, das Digitale außerhalb vom Lautprecher zu lassen, weil die Art Lösung aus meiner Sicht den größten Grad an Flexibiltät zulässt.

Desweiteren sind integrierte Lautsprecherlösungen mit DSP-Technologie dem technischen "Fortschritt" ausgesetzt, sprich, immer schneller, immer größer, mehr Funktionalität etc., die üblicherweise kein Update auf die genutzte Hardware erlaubt.

All das kann man mit externem DSP besser adressieren, da nur eine Komponente in der Kette gewechselt werden muss.

Dazu kommt noch, dass es in den letzten Jahren Computer-basierende Softwarelösungen gibt, die unter Umständen den DSP ersetzen können ...