(Aktive) Elektrostaten - ein Hauch von Nichts
Verfasst: 20.01.2010, 17:07
In den etwa 100 Jahren elektromechanischer Tonwiedergabe hat sich der dynamische Tauchspulenlautsprecher als das dominierende Schallwandlerprinzip durchgesetzt. Günstig in Massen herstellbar, kompakt in der Bauweise, einfach einsetzbar und in Theorie und Praxis gut beherrschbar. Es ist aber keinesfalls die einzige Art Schallwandler zu konstruieren. So haben sich andere Wandler-Prinzipien behaupten können und kleine Nischen besetzt, weil sie über besondere technische und/oder klangliche Eigenschaften verfügen. Biegewellenwandler und Plasma-Lautsprecher seien als Vertreter genannt und eben auch der Elektrostat. Der elektrostatische Lautsprecher (ESL) ist ein Nischenprodukt, das sich in den letzten Jahren sogar langsam aber sicher größere Aufmerksamkeit und Verbreitung erarbeitet hat und nennenswerte Erfolge feiert.
Elektrostaten verfügen nicht über einen magnetischen Antrieb sondern einen elektrostatischen. Das verleiht ihnen nicht nur den Namen, sondern führt auch dazu, dass ein elektrostatischer Lautsprecher optisch eine andere Erscheinung aufweist.
In der Regel sind elektrostatische Wandler als sehr flache, jedoch großflächige Panele aufgebaut. Es kann sehr gut – und sollte sogar- auf Gehäuse verzichtet werden und mit geeigneter Materialwahl sind sehr ansprechend wirkende, transparente Designs möglich.
Was macht ein Elektrostat nun gleich und was anders als ein dynamischer Lautsprecher?
Die Gemeinsamkeiten erschöpfen sich darin, dass mittels einer schwingfähigen Membran elektrische Energie in Bewegungsenergie, also Schall umgewandelt wird.
In seiner am häufigsten auftretenden Bauform besteht der Elektrostat aus zwei feststehenden, schalldurchlässigen und mit wenigen Millimetern Abstand zueinander parallel angeordneten Elektroden, den so genannten Statoren. Mittig zwischen den Statoren ist eine in einem Rahmen straff gespannte Membran angeordnet, die schwach leitfähig beschichtet ist. Der Rahmen dient als Abstandhalter, Spannvorrichtung und häufig ist die elektrische Zuleitung in ihn integriert.
Es handelt sich also um einen prinzipiell sehr einfachen Aufbau, der mit weitaus weniger bewegten Teilen auskommt als der dynamische Wandler. Allein die Membran ist beweglich und kann ein gewisses Eigenleben erzeugen. Es fehlen dagegen Zentrierspinne, Sicke, Spulendrähte und resonierende Luftpolster, die wie Energiespeicher wirken.
Die Signalspannung wird auf den vorderen Stator und eine gegenphasige, invertierte Signalspannung auf den hinteren Stator geführt. Es entsteht ein elektrisches Feld zwischen den Statoren, das einen sehr hohen Grad an Homogenität besitzt. Homogen heißt, dass an jedem Punkt des Raumes zwischen den Statoren die gleiche Feldstärke herrscht. In der Praxis trifft das auch bis auf einen sehr kleinen Bereich in unmittelbarer Umgebung (~zehntel mm) der Statoren zu, in dem sich die Membran allerdings selten befindet. Vollständig homogen wäre das Feld nur, wenn die Statoren schallundurchlässige massive Bleche wären.
Homogen heißt auch, dass an jedem Punkt des Raumes zwischen den Statoren die gleiche Kraftwirkung auf eine Probeladung herrscht. Diese Probeladung wird als Ladung unmittelbar auf die Membran aufgebracht, die zu diesem Zwecke schwach leitfähig beschichtet ist, oder bei sogenannten Elektreten, als Materialeigenschaft quasi in das Membranmaterial eingebrannt ist.
Beim dynamischen Tauchspulenlautsprecher dagegen erzeugt der Signalstrom in der Schwingspule ein magnetisches Wechselfeld , welches sich am Gleichfeld des Magneten abstützt und die Spule bewegt. Dieser Energiewandlungsvorgang ist nur begrenzt linear und wird durch Effekte wie Hystere, Induktivitätsmodulation, Temperatur, etc. beeinflusst.
Die ortsunabhängige Kraftwirkung des elektrischen Feldes hat nun sehr vorteilhafte Eigenschaften. Die Antriebswirkung ist linear, ohne Hystereseeffekte. Es gibt auch keine Widerstands- und Temperatureffekte. Bedingt durch die Abwesenheit eines ohmschen Widerstandes (Rdc bei einer Schwingspule) weist ein ESL eine sehr hohe Effizienz auf. Bis zu 30% Wirkungsgrad im Mitteltonbereich sind möglich. Ein Wert, an den allenfalls sehr schmalbandige Hornlautsprecher heranreichen. In diesem Zusammenhang stehen auch die thermischen Effekte wie Power-Kompression, die einem dynamischen Lautsprecher um 3dB an linearem Schalldruck kosten. Der ESL dagegen kann nicht erhitzen. Thermische Kompression ist ihm unbekannt. Bis zu seinem Maximalpegel ist die Schalldruckentwicklung sehr linear.
Die elektrostatischen Kräfte im ESL sind allerdings um etwa 1-2 Zehnerpotenzen kleiner als die magnetischen Kräfte im dynamischen Lautsprecher und erzielen auch eine geringere Raumausdehnung. Um genügend und dem magnetischen Antrieb ähnliches Beschleunigungsvermögen zu erzielen, muss demnach die Membranmasse mindestens um 1-2 Zehnerpotenzen kleiner sein. Wie sieht es in der Praxis aus?
Die Membran besteht aus einer hauchdünnen Kunststofffolie mit Stärken von 25µm bei Bass-Panelen bis hinunter zu 0,9µm für Kopfhörer Anwendungen. Stärken um 4-6µm sind heutzutage die meist benutzten Werte. Das Membranmaterial ist sehr reissfest, aber auch sehr flexibel. Es braucht allerdings nicht auch steif zu sein, da ja die Antriebskräfte an allen Punkten der Membran gleich stark angreifen. Es ist die Art des Antriebes, der dieses vorteilhafte Membranmaterial erlaubt. Membranfolie unter 6µm Stärke sind so leicht, dass ihre Masse keinerlei Auswirkungen im Audiobereich hat.
Der ESL arbeitet mit einem Membranmaterial, das bei gleicher Fläche etwa 2-3 Zehnerpotenzen leichter ist. Das gleicht die geringeren Antriebskräfte mehr als nur aus. Allenfalls kleine Kalotten mit sehr starkem Antrieb können dem ESL-Antrieb im Beschleunigungsvermögen gleichziehen oder leicht übertrumpfen.
Zur Verdeutlichung: ein 38cm-Bass besitzt eine Membranfläche um 850cm², was einem eher kleinen ESL Panel entspricht, das für Frequenzen oberhalb 600Hz eingesetzt werden kann. Wir finden dabei bewegte Massen in einem Bereich von etwa 70-350gr. Eine 6µm starke ESL-Membran wiegt dagegen nur etwa 120mg. Das ist sogar weniger, als eine 19mm-Kalotte auf die Waage bringt, die allerdings nur 3-4cm² Fläche vorweisen kann.
An jeder Membran "klebt" eine dünne Luftschicht, die wie zusätzlicher Ballast mitbewegt wird, ohne einen direkten Nutzen zu erzielen. Diese Luftmasse ist um ein vielfaches größer als die Membranmasse und bestimmt daher wichtige Parameter wie z.B. die Grundresonanzfrequenz in ganz überwiegendem Maß. Weil die Masse der Membran keine Auswirkungen im Audiobereich hat werden Elektrostaten gelegentlich auch als masselose Lautsprecher bezeichnet. Die Mechanik der Membran fällt nahezu aus der Betrachtung heraus. Die elektrostatischen Antriebskräfte arbeiten sozusagen direkt auf die Luft. Daher werden auch keine klassischen Thiele Small Parameter ermittelt und angegeben.
Beim dynamischen Wandler wird aufgrund des niedrigen Wirkungsgrades der Energiewandlung an die kleinflächige Spule eine großflächige Membran angekoppelt. Trotzdem liegt die Effizienz typischerweise nur um 1%. Die Membran muss, um eine vollständig kolbenförmige Bewegung zu erzielen, extrem steif sein, was dem Ziel einer möglichst leichten Membran entgegen läuft. Die teils widersprechenden Ansprüche an die mechanischen Eigenschaften der Membran führen zusätzliche Problemstellen wie z.B. Partialschwingungen in das System ein. Die eigentlich erwünschte Bewegung erzielt so eine Membran dann auch nur in einem relativ kleinen Frequenzbereich von 1-2 Oktaven.
ESLs – Lautsprecher ohne Gehäuse:
Die Membran eines Lautsprechers sieht die Luft als Last, die zu treiben ist, analog wie ein Verstärker den Lautsprecher als Last sieht. Die Luft verhält sich mechanisch wie eine elektrische Impedanz und weist einen realen Anteil und einen komplexen Anteil auf. Es ist aber immer nur der reale Anteil, der zum Nutzsignal beitragen kann. Wünschenswert wäre also ein komplexer Anteil von 0% und ein realer Anteil von 100%.
So wie der Verstärker nur innerhalb eines gewissen Spektrums an Lasten gut funktioniert, so ist die Membran eines Lautsprechers nur innerhalb eines gewissen Frequenzbereiches optimal an die Luftlast angekoppelt. Die Membranen dynamischer Lautsprecher sind vergleichsweise klein zu den Wellenlängen der abzustrahlenden Töne. Erst in einem relativ hohen Frequenzbereich wird daher die mechanische Impedanz real (entsprechend einem rein ohmschen Widerstand) und damit die Kopplung der Membran an die Luft optimal. Im eigentlich interessierenden niedrigeren Frequenzbereich arbeitet der Lautsprecher auf eine Luftlast mit stark komplexem Anteil.
Dieser Fakt erst macht Gehäuse nötig, die den geringen Realanteil im Arbeitsbereich pimpen, so dass praktikable Schalldruckwerte erzielbar sind. Große Membranen verschieben den Übergang von komplexem zu realem Verhalten zu tieferen Frequenzen, wobei die Membranform zusätzlich eine Rolle spielt. Hohe schmale ESL-Membranen (Verhältnis Höhe/Breite= 8/1) sehen in ihrem gesamten Arbeitsbereich eine reale akustische Last. Die Kopplung der Membran an die Luft ist sehr günstig. Im Gegensatz zu dynamischen Lautsprechern stellen Gehäuse für derart konstruierte ESLs keine Verbesserung sondern eine effektive Verschlechterung der Verhältnisse dar.
Was bringt's?
Die üblichen großen Flächen, der geringe Hub, der lineare Antrieb, die gute Kopplung an Luft und die geringe Anzahl an Energiespeichern führen zu einem sehr guten Signal- und Klangverhalten. ESLs sind Wandler mit hoher Bandbreite, sehr exaktem Ansprechverhalten und sehr geringen Verzerrungen. In der Summe dieser Eigenschaften kommen andere Wandlerprinzipien allenfalls nahe. Die ganze Pracht entfaltet der ESL aber nur unter einer Bedingung, und die lautet: „geringer Hub“. Ein exakter Zahlenwert lässt sich nicht spezifizieren, aber erfahrungsgemäß sollte 1mm nicht wesentlich überschritten werden.
Bei vielen ESL Panelen lässt sich unter 200Hz, also der Bereich in dem nennenswerter Hub auftreten kann, dann auch ein sehr starker Anstieg der Verzerrungen messen. Selbst wenn das Verzerrungsniveau einen akzeptablen Wertebereich nicht verlässt und keine akustisch relevanten Auswirkungen hat, so unterliegt der ESL als gehäuseloser Wandler dem akustischen Kurzschluss und dämpft sich wertvollen Schallpegel selber weg. Bei einem 25cm breiten Panel macht sich der Effekt unterhalb ~600Hz zunehmend bemerkbar.
Typischerweise versucht ein Entwickler den Amplitudenabfall mittels akustischem Kurzschluss durch einen auf der Resonanzfrequenz überschwingenden Bass zu kaschieren. Gütefaktoren (analog Qtb) von 2 und mehr würden bei einer geschlossenen Box kaum Akzeptanz finden, bei Vollbereichs-ESLs sind sie durchaus üblich. Der Schalldruckgewinn durch die hohe Güte kaschiert um die Resonanzfrequenz herum den Schalldruckabfall. Im Grundtonbereich macht sich der akustische Kurzschluss jedoch bemerkbar. Es liegt nun an der Kunstfertigkeit des Entwicklers, dass sich das nicht in Form eines One-note-Basses, begleitet von dünnen Stimmchen und Grundtonanämie akustisch bemerkbar macht. Gänzlich beseitigen lässt sich der Effekt allerdings nur durch elektronisches Equalizing oder Einbau in ein Gehäuse inklusive Dämpfungsmaßnahmen.
Der hohe Gütewert der Resonanz hat auch zur Folge, dass die Membran eher an die Statoren heranschwingt oder gar gegen sie klatscht. Erweitert man aber den Abstand der Statoren um mehr Hub zu ermöglichen, sinken Wirkungsgrad und Dynamik überproportional stark ab und die nötigen Antriebsspannungen, steigen schnell auf unpraktikable Werte. Vollbereichs-ESLs sind daher prinzipiell keine guten Futterverwerter oder Dynamik-Freaks oder geben gerne den BiBaBass-Bär. Vom Tiefbass bis in den unteren Grundtonbereich ist der dynamische Lautsprecher die vorteilhaftere Wahl!
Hybrid-zwo-drei
Die Erkenntnis, dass die beiden Prinzipien quasi ihr frequenz-begrenztes Hoheitsgebiet haben, führte schon früh zu der Idee, beide Welten zu einer mit besseren Eigenschaften zu vereinen. Die Idee des Hybriden beschreibt einen Lösungsansatz, bei dem ein dynamischer Basslautsprecher und ein ESL-Mittelhochton-Panel kombiniert werden. In der Praxis hat es sich allerdings als sehr schwierig erwiesen, beide Welten harmonisch miteinander zu vereinen. So schwierig, dass Anhänger von Vollbereichs-ESL es sogar für unmöglich halten und das Märchen von der Unvereinbarkeit schneller Folie und träger Pappe entstand. (Sie schätzen die bruchlose Wiedergabe des Vollbereichs-ESL und akzeptieren dafür tonale und dynamische Mängel.)
Es ist aber durchaus möglich, Hybriden zu bauen, die es in Punkto bruchloses Klangbild mit Vollbereichs-ESL aufnehmen können und sich die Überlegenheit in ihren jeweiligen Teilgebieten erhalten. Im Grunde ist es nur eine Frage des Aufwandes ..., der zu treiben nötig wäre bzw. der tatsächlich getrieben wird oder wirtschaftlich vertretbar ist.
Mir sind nur zwei kommerzielle Produkte bekannt, die diesen Aufwand treiben oder trieben und vielleicht weitere zwei bis drei aus der Magnetostatenwelt, wo das Problem ähnlich in Erscheinung tritt. Es sind nicht nur technologisch, sondern auch preislich die Flaggschiffe der Hersteller. Bei den viel häufiger vorkommendenden und in der Presse überwiegend besprochenen kleineren Modellen lässt sich der Aufwand nicht treiben, und ein Kompromiss muss hier einfach akzeptiert werden.
... a little history repeating
Die positive Einschätzung von ESLs provoziert vermutlich die Frage, warum ESLs nicht die dominierende Technologie darstellen, oder zumindest weiter verbreitet wären.
Historisch gesehen ist das ESL-Antriebsprinzip sogar älter als das dynamische Tauchspulen Prinzip. Der dynamische Wandler war in der Praxis jedoch schneller anwendbar und fand schnell weite Verbreitung. ESLs kämpften zunächst mit unlösbaren Materialproblemen. Das Polyester Mylar, dessen Derivate heute noch zu den häufigst genutzten Membranmaterialien zählen, wurde erst Anfang der 40er Jahre des 20ten JHs von DuPont patentiert.
Die leitfähige Beschichtung der Membran stellt so große Anforderungen, dass selbst heute noch die Anzahl langzeitstabiler, geeigneter Beschichtungen vermutlich an den Fingern einer Hand abgezählt werden kann. Entsprechend häufig traten Probleme mit der Zuverlässigkeit auf. Quads große Leistung - als einer der bekanntesten Vertreter des Prinzips - ist es sicherlich, ziemlich zuverlässige und langzeittaugliche ESLs entworfen zu haben.
Ein weiterer Grund lag im Antriebssystem begründet. Zur Erzeugung des elektrischen Feldes sind weitaus höhere Spannungen nötig als es typische Verstärker liefern können. Elektrisch stellt ein Elektrostat einen ziemlich verlustarmen Kondensator dar. Ein Kondensator ist ein Bauteil mit konstant fallendem Widerstand mit steigender Frequenz und nahezu ausschließlich komplexem Anteil. Nur der kleine reale Anteil kann jedoch zur effektiven Schallerzeugung genutzt werden. Eine Eigenschaft, für die typische Verstärker nicht konstruiert sind und die sie gar nicht mögen. Angefangen über Clipping und Schwingneigung bis hin zum Exitus geht die Bandbreite an Fehlverhalten.
Bei ESLs steckt der Teufel im Detail. Es ist kaum zu glauben, wie etwas prinzipiell so simpel aufgebautes sich doch gleichzeitig auch mal divenhaft, tückisch und widerstrebend gebärden kann. Hinter jedem gut und langfristig funktionierenden ESL stehen tatsächlich viele Jahre an Entwicklungsarbeit, try-and-error und tiefgehendem Detail-Know-how.
Power to the people ...
Es gibt zwei Möglichkeiten, ein geeignetes Ansteuersignal für ein ESL-Panel zu erzeugen. Man baut entweder einen speziellen Hochvolt-Verstärker, der auch nur für diese besondere Anwendung tauglich ist, oder setzt zwischen einen üblichen Verstärker und den ESL ein koppelndes Bauteil, einen Übertrager ein. In beiden Fällen befinden sich keine Weichenbauteile zwischen Verstärker und ESL. Man kann also durchaus von zwei Arten des Aktivbetriebes sprechen. Einmal dem direkt gekoppelten Betrieb über Spezialverstärker und einmal dem Übertrager gekoppelten Betrieb über klassischen HiFi-Verstärker. Die besonderen Schwierigkeiten ausreichend hohe Signalspannungen an einer komplexen Last zur Verfügung zu stellen, führt dazu, dass von der theoretischen Überlegenheit direktgekoppelten Betriebes gegenüber einer Übertragerkopplung in der Praxis selten nennenswert etwas übrig bleibt.
Ein erstklassiger zum Panel passender Übertrager legt die Messlatte auf ein sehr hohes Niveau. Zu den aktiven Betriebsarten kommt der passive Betrieb mit Übertrager gekoppeltem ESL, der über einen HiFi-Verstärker, nachgeschalteter passiver Frequenzweiche und Übertrager erfolgt. Die beiden Übertrager gekoppelten Versionen haben sich aus praktischen Gründen, Kosten und nicht zuletzt sicherheitstechnischen Aspekten durchgesetzt und so können die meisten ESLs heute an übliche Verstärker angeschlossen werden weil in ihnen Übertrager verbaut sind.
Der Übertrager beeinflusst nun ganz entscheidend die elektrische Last, die der Verstärker sieht und die er zu treiben hat, wobei hier vor allem die Bereichsenden der Bandbreite den Limitationen des Übertragers unterliegen, während sich im mittleren Frequenzbereich der Übertrager fast wie sein theoretisches Ideal verhält.
Die eigentlich sehr hohe Effizienz des ESLs wird durch die Übertragerkopplung zu einem Großteil zunichte gemacht, so das Panele für Hybrid-ESLs etwa die Effizienz dynamischer Lautsprecher aufweisen und Vollbereichs-ESLs deutlich niedriger liegen.
Es tritt nun das auf den ersten Blick paradoxe Phänomen auf, dass ein hochwertigerer Übertrager dem Verstärker das Leben schwieriger macht als ein qualitativ minderwertigerer und auch dem Entwickler gewisse Möglichkeiten zur Amplitudenlinearisierung verringert. Als willkommene Folge wurden bis in die 90er Jahre hinein gerne billige Übertrager mit im Grunde miserablen Eigenschaften verbaut. Die Auswahl an nutzbaren Verstärkern wurde zwar größer, dafür wurde einiges an Klangpotential geopfert. Einzig den überragenden Eigenschaften der ESL ist es zu verdanken, dass diese Praxis nicht in einer klanglichen Katastrophe endete. Mittlerweile sieht man aber vermehrt sehr hochwertiges Übertragermaterial verbaut, mit dem die ESL ihre Vorteile auch zeigen können.
Gleichzeitig gab es auch Verbesserungen und Neuerungen bei den verwendeten Materialien und Techniken, die die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Panele erhöhen. Und während bei den dynamischen Boxen eine stetige Preissteigerung zu verzeichnen ist, stagnierten die Preise bei Elektrostaten, bzw. sanken sogar bei vergleichbarer Klangqualität.
Fin
ESL stellen ein Wandlerprinzip dar, welches richtig konzipiert und eingesetzt, hervorragende akustische Leistungen mit interessanter Optik verbindet. Es ermöglicht aussergewöhnlich realistische Klangbilder, es offenbart einen grandiosen Mikrokosmos an Details in der Musik und es macht nebenbei ganz einfach höllisch Spass.
Wie formulierte es Magnepan doch einst? Music doesn't live in Boxes!
Und zuletzt für die Regelungsfreunde: das elektrostatische Prinzip kann als kapazitiver Sensor zu Regelungsaufgaben verwendet werden. Der Beveridge Elektrostat, der in den 70er Jahren als erster das Prädikat „Superbox“ zugesprochen bekam, nutzte eine Teil seiner Membranfläche als Sensor und linearisierte dadurch seinen Amplitudengang.
©Calvin (Christoph Neuhaus)
01/2010
Elektrostaten verfügen nicht über einen magnetischen Antrieb sondern einen elektrostatischen. Das verleiht ihnen nicht nur den Namen, sondern führt auch dazu, dass ein elektrostatischer Lautsprecher optisch eine andere Erscheinung aufweist.
In der Regel sind elektrostatische Wandler als sehr flache, jedoch großflächige Panele aufgebaut. Es kann sehr gut – und sollte sogar- auf Gehäuse verzichtet werden und mit geeigneter Materialwahl sind sehr ansprechend wirkende, transparente Designs möglich.
Was macht ein Elektrostat nun gleich und was anders als ein dynamischer Lautsprecher?
Die Gemeinsamkeiten erschöpfen sich darin, dass mittels einer schwingfähigen Membran elektrische Energie in Bewegungsenergie, also Schall umgewandelt wird.
In seiner am häufigsten auftretenden Bauform besteht der Elektrostat aus zwei feststehenden, schalldurchlässigen und mit wenigen Millimetern Abstand zueinander parallel angeordneten Elektroden, den so genannten Statoren. Mittig zwischen den Statoren ist eine in einem Rahmen straff gespannte Membran angeordnet, die schwach leitfähig beschichtet ist. Der Rahmen dient als Abstandhalter, Spannvorrichtung und häufig ist die elektrische Zuleitung in ihn integriert.
Es handelt sich also um einen prinzipiell sehr einfachen Aufbau, der mit weitaus weniger bewegten Teilen auskommt als der dynamische Wandler. Allein die Membran ist beweglich und kann ein gewisses Eigenleben erzeugen. Es fehlen dagegen Zentrierspinne, Sicke, Spulendrähte und resonierende Luftpolster, die wie Energiespeicher wirken.
Die Signalspannung wird auf den vorderen Stator und eine gegenphasige, invertierte Signalspannung auf den hinteren Stator geführt. Es entsteht ein elektrisches Feld zwischen den Statoren, das einen sehr hohen Grad an Homogenität besitzt. Homogen heißt, dass an jedem Punkt des Raumes zwischen den Statoren die gleiche Feldstärke herrscht. In der Praxis trifft das auch bis auf einen sehr kleinen Bereich in unmittelbarer Umgebung (~zehntel mm) der Statoren zu, in dem sich die Membran allerdings selten befindet. Vollständig homogen wäre das Feld nur, wenn die Statoren schallundurchlässige massive Bleche wären.
Homogen heißt auch, dass an jedem Punkt des Raumes zwischen den Statoren die gleiche Kraftwirkung auf eine Probeladung herrscht. Diese Probeladung wird als Ladung unmittelbar auf die Membran aufgebracht, die zu diesem Zwecke schwach leitfähig beschichtet ist, oder bei sogenannten Elektreten, als Materialeigenschaft quasi in das Membranmaterial eingebrannt ist.
Beim dynamischen Tauchspulenlautsprecher dagegen erzeugt der Signalstrom in der Schwingspule ein magnetisches Wechselfeld , welches sich am Gleichfeld des Magneten abstützt und die Spule bewegt. Dieser Energiewandlungsvorgang ist nur begrenzt linear und wird durch Effekte wie Hystere, Induktivitätsmodulation, Temperatur, etc. beeinflusst.
Die ortsunabhängige Kraftwirkung des elektrischen Feldes hat nun sehr vorteilhafte Eigenschaften. Die Antriebswirkung ist linear, ohne Hystereseeffekte. Es gibt auch keine Widerstands- und Temperatureffekte. Bedingt durch die Abwesenheit eines ohmschen Widerstandes (Rdc bei einer Schwingspule) weist ein ESL eine sehr hohe Effizienz auf. Bis zu 30% Wirkungsgrad im Mitteltonbereich sind möglich. Ein Wert, an den allenfalls sehr schmalbandige Hornlautsprecher heranreichen. In diesem Zusammenhang stehen auch die thermischen Effekte wie Power-Kompression, die einem dynamischen Lautsprecher um 3dB an linearem Schalldruck kosten. Der ESL dagegen kann nicht erhitzen. Thermische Kompression ist ihm unbekannt. Bis zu seinem Maximalpegel ist die Schalldruckentwicklung sehr linear.
Die elektrostatischen Kräfte im ESL sind allerdings um etwa 1-2 Zehnerpotenzen kleiner als die magnetischen Kräfte im dynamischen Lautsprecher und erzielen auch eine geringere Raumausdehnung. Um genügend und dem magnetischen Antrieb ähnliches Beschleunigungsvermögen zu erzielen, muss demnach die Membranmasse mindestens um 1-2 Zehnerpotenzen kleiner sein. Wie sieht es in der Praxis aus?
Die Membran besteht aus einer hauchdünnen Kunststofffolie mit Stärken von 25µm bei Bass-Panelen bis hinunter zu 0,9µm für Kopfhörer Anwendungen. Stärken um 4-6µm sind heutzutage die meist benutzten Werte. Das Membranmaterial ist sehr reissfest, aber auch sehr flexibel. Es braucht allerdings nicht auch steif zu sein, da ja die Antriebskräfte an allen Punkten der Membran gleich stark angreifen. Es ist die Art des Antriebes, der dieses vorteilhafte Membranmaterial erlaubt. Membranfolie unter 6µm Stärke sind so leicht, dass ihre Masse keinerlei Auswirkungen im Audiobereich hat.
Der ESL arbeitet mit einem Membranmaterial, das bei gleicher Fläche etwa 2-3 Zehnerpotenzen leichter ist. Das gleicht die geringeren Antriebskräfte mehr als nur aus. Allenfalls kleine Kalotten mit sehr starkem Antrieb können dem ESL-Antrieb im Beschleunigungsvermögen gleichziehen oder leicht übertrumpfen.
Zur Verdeutlichung: ein 38cm-Bass besitzt eine Membranfläche um 850cm², was einem eher kleinen ESL Panel entspricht, das für Frequenzen oberhalb 600Hz eingesetzt werden kann. Wir finden dabei bewegte Massen in einem Bereich von etwa 70-350gr. Eine 6µm starke ESL-Membran wiegt dagegen nur etwa 120mg. Das ist sogar weniger, als eine 19mm-Kalotte auf die Waage bringt, die allerdings nur 3-4cm² Fläche vorweisen kann.
An jeder Membran "klebt" eine dünne Luftschicht, die wie zusätzlicher Ballast mitbewegt wird, ohne einen direkten Nutzen zu erzielen. Diese Luftmasse ist um ein vielfaches größer als die Membranmasse und bestimmt daher wichtige Parameter wie z.B. die Grundresonanzfrequenz in ganz überwiegendem Maß. Weil die Masse der Membran keine Auswirkungen im Audiobereich hat werden Elektrostaten gelegentlich auch als masselose Lautsprecher bezeichnet. Die Mechanik der Membran fällt nahezu aus der Betrachtung heraus. Die elektrostatischen Antriebskräfte arbeiten sozusagen direkt auf die Luft. Daher werden auch keine klassischen Thiele Small Parameter ermittelt und angegeben.
Beim dynamischen Wandler wird aufgrund des niedrigen Wirkungsgrades der Energiewandlung an die kleinflächige Spule eine großflächige Membran angekoppelt. Trotzdem liegt die Effizienz typischerweise nur um 1%. Die Membran muss, um eine vollständig kolbenförmige Bewegung zu erzielen, extrem steif sein, was dem Ziel einer möglichst leichten Membran entgegen läuft. Die teils widersprechenden Ansprüche an die mechanischen Eigenschaften der Membran führen zusätzliche Problemstellen wie z.B. Partialschwingungen in das System ein. Die eigentlich erwünschte Bewegung erzielt so eine Membran dann auch nur in einem relativ kleinen Frequenzbereich von 1-2 Oktaven.
ESLs – Lautsprecher ohne Gehäuse:
Die Membran eines Lautsprechers sieht die Luft als Last, die zu treiben ist, analog wie ein Verstärker den Lautsprecher als Last sieht. Die Luft verhält sich mechanisch wie eine elektrische Impedanz und weist einen realen Anteil und einen komplexen Anteil auf. Es ist aber immer nur der reale Anteil, der zum Nutzsignal beitragen kann. Wünschenswert wäre also ein komplexer Anteil von 0% und ein realer Anteil von 100%.
So wie der Verstärker nur innerhalb eines gewissen Spektrums an Lasten gut funktioniert, so ist die Membran eines Lautsprechers nur innerhalb eines gewissen Frequenzbereiches optimal an die Luftlast angekoppelt. Die Membranen dynamischer Lautsprecher sind vergleichsweise klein zu den Wellenlängen der abzustrahlenden Töne. Erst in einem relativ hohen Frequenzbereich wird daher die mechanische Impedanz real (entsprechend einem rein ohmschen Widerstand) und damit die Kopplung der Membran an die Luft optimal. Im eigentlich interessierenden niedrigeren Frequenzbereich arbeitet der Lautsprecher auf eine Luftlast mit stark komplexem Anteil.
Dieser Fakt erst macht Gehäuse nötig, die den geringen Realanteil im Arbeitsbereich pimpen, so dass praktikable Schalldruckwerte erzielbar sind. Große Membranen verschieben den Übergang von komplexem zu realem Verhalten zu tieferen Frequenzen, wobei die Membranform zusätzlich eine Rolle spielt. Hohe schmale ESL-Membranen (Verhältnis Höhe/Breite= 8/1) sehen in ihrem gesamten Arbeitsbereich eine reale akustische Last. Die Kopplung der Membran an die Luft ist sehr günstig. Im Gegensatz zu dynamischen Lautsprechern stellen Gehäuse für derart konstruierte ESLs keine Verbesserung sondern eine effektive Verschlechterung der Verhältnisse dar.
Was bringt's?
Die üblichen großen Flächen, der geringe Hub, der lineare Antrieb, die gute Kopplung an Luft und die geringe Anzahl an Energiespeichern führen zu einem sehr guten Signal- und Klangverhalten. ESLs sind Wandler mit hoher Bandbreite, sehr exaktem Ansprechverhalten und sehr geringen Verzerrungen. In der Summe dieser Eigenschaften kommen andere Wandlerprinzipien allenfalls nahe. Die ganze Pracht entfaltet der ESL aber nur unter einer Bedingung, und die lautet: „geringer Hub“. Ein exakter Zahlenwert lässt sich nicht spezifizieren, aber erfahrungsgemäß sollte 1mm nicht wesentlich überschritten werden.
Bei vielen ESL Panelen lässt sich unter 200Hz, also der Bereich in dem nennenswerter Hub auftreten kann, dann auch ein sehr starker Anstieg der Verzerrungen messen. Selbst wenn das Verzerrungsniveau einen akzeptablen Wertebereich nicht verlässt und keine akustisch relevanten Auswirkungen hat, so unterliegt der ESL als gehäuseloser Wandler dem akustischen Kurzschluss und dämpft sich wertvollen Schallpegel selber weg. Bei einem 25cm breiten Panel macht sich der Effekt unterhalb ~600Hz zunehmend bemerkbar.
Typischerweise versucht ein Entwickler den Amplitudenabfall mittels akustischem Kurzschluss durch einen auf der Resonanzfrequenz überschwingenden Bass zu kaschieren. Gütefaktoren (analog Qtb) von 2 und mehr würden bei einer geschlossenen Box kaum Akzeptanz finden, bei Vollbereichs-ESLs sind sie durchaus üblich. Der Schalldruckgewinn durch die hohe Güte kaschiert um die Resonanzfrequenz herum den Schalldruckabfall. Im Grundtonbereich macht sich der akustische Kurzschluss jedoch bemerkbar. Es liegt nun an der Kunstfertigkeit des Entwicklers, dass sich das nicht in Form eines One-note-Basses, begleitet von dünnen Stimmchen und Grundtonanämie akustisch bemerkbar macht. Gänzlich beseitigen lässt sich der Effekt allerdings nur durch elektronisches Equalizing oder Einbau in ein Gehäuse inklusive Dämpfungsmaßnahmen.
Der hohe Gütewert der Resonanz hat auch zur Folge, dass die Membran eher an die Statoren heranschwingt oder gar gegen sie klatscht. Erweitert man aber den Abstand der Statoren um mehr Hub zu ermöglichen, sinken Wirkungsgrad und Dynamik überproportional stark ab und die nötigen Antriebsspannungen, steigen schnell auf unpraktikable Werte. Vollbereichs-ESLs sind daher prinzipiell keine guten Futterverwerter oder Dynamik-Freaks oder geben gerne den BiBaBass-Bär. Vom Tiefbass bis in den unteren Grundtonbereich ist der dynamische Lautsprecher die vorteilhaftere Wahl!
Hybrid-zwo-drei
Die Erkenntnis, dass die beiden Prinzipien quasi ihr frequenz-begrenztes Hoheitsgebiet haben, führte schon früh zu der Idee, beide Welten zu einer mit besseren Eigenschaften zu vereinen. Die Idee des Hybriden beschreibt einen Lösungsansatz, bei dem ein dynamischer Basslautsprecher und ein ESL-Mittelhochton-Panel kombiniert werden. In der Praxis hat es sich allerdings als sehr schwierig erwiesen, beide Welten harmonisch miteinander zu vereinen. So schwierig, dass Anhänger von Vollbereichs-ESL es sogar für unmöglich halten und das Märchen von der Unvereinbarkeit schneller Folie und träger Pappe entstand. (Sie schätzen die bruchlose Wiedergabe des Vollbereichs-ESL und akzeptieren dafür tonale und dynamische Mängel.)
Es ist aber durchaus möglich, Hybriden zu bauen, die es in Punkto bruchloses Klangbild mit Vollbereichs-ESL aufnehmen können und sich die Überlegenheit in ihren jeweiligen Teilgebieten erhalten. Im Grunde ist es nur eine Frage des Aufwandes ..., der zu treiben nötig wäre bzw. der tatsächlich getrieben wird oder wirtschaftlich vertretbar ist.
Mir sind nur zwei kommerzielle Produkte bekannt, die diesen Aufwand treiben oder trieben und vielleicht weitere zwei bis drei aus der Magnetostatenwelt, wo das Problem ähnlich in Erscheinung tritt. Es sind nicht nur technologisch, sondern auch preislich die Flaggschiffe der Hersteller. Bei den viel häufiger vorkommendenden und in der Presse überwiegend besprochenen kleineren Modellen lässt sich der Aufwand nicht treiben, und ein Kompromiss muss hier einfach akzeptiert werden.
... a little history repeating
Die positive Einschätzung von ESLs provoziert vermutlich die Frage, warum ESLs nicht die dominierende Technologie darstellen, oder zumindest weiter verbreitet wären.
Historisch gesehen ist das ESL-Antriebsprinzip sogar älter als das dynamische Tauchspulen Prinzip. Der dynamische Wandler war in der Praxis jedoch schneller anwendbar und fand schnell weite Verbreitung. ESLs kämpften zunächst mit unlösbaren Materialproblemen. Das Polyester Mylar, dessen Derivate heute noch zu den häufigst genutzten Membranmaterialien zählen, wurde erst Anfang der 40er Jahre des 20ten JHs von DuPont patentiert.
Die leitfähige Beschichtung der Membran stellt so große Anforderungen, dass selbst heute noch die Anzahl langzeitstabiler, geeigneter Beschichtungen vermutlich an den Fingern einer Hand abgezählt werden kann. Entsprechend häufig traten Probleme mit der Zuverlässigkeit auf. Quads große Leistung - als einer der bekanntesten Vertreter des Prinzips - ist es sicherlich, ziemlich zuverlässige und langzeittaugliche ESLs entworfen zu haben.
Ein weiterer Grund lag im Antriebssystem begründet. Zur Erzeugung des elektrischen Feldes sind weitaus höhere Spannungen nötig als es typische Verstärker liefern können. Elektrisch stellt ein Elektrostat einen ziemlich verlustarmen Kondensator dar. Ein Kondensator ist ein Bauteil mit konstant fallendem Widerstand mit steigender Frequenz und nahezu ausschließlich komplexem Anteil. Nur der kleine reale Anteil kann jedoch zur effektiven Schallerzeugung genutzt werden. Eine Eigenschaft, für die typische Verstärker nicht konstruiert sind und die sie gar nicht mögen. Angefangen über Clipping und Schwingneigung bis hin zum Exitus geht die Bandbreite an Fehlverhalten.
Bei ESLs steckt der Teufel im Detail. Es ist kaum zu glauben, wie etwas prinzipiell so simpel aufgebautes sich doch gleichzeitig auch mal divenhaft, tückisch und widerstrebend gebärden kann. Hinter jedem gut und langfristig funktionierenden ESL stehen tatsächlich viele Jahre an Entwicklungsarbeit, try-and-error und tiefgehendem Detail-Know-how.
Power to the people ...
Es gibt zwei Möglichkeiten, ein geeignetes Ansteuersignal für ein ESL-Panel zu erzeugen. Man baut entweder einen speziellen Hochvolt-Verstärker, der auch nur für diese besondere Anwendung tauglich ist, oder setzt zwischen einen üblichen Verstärker und den ESL ein koppelndes Bauteil, einen Übertrager ein. In beiden Fällen befinden sich keine Weichenbauteile zwischen Verstärker und ESL. Man kann also durchaus von zwei Arten des Aktivbetriebes sprechen. Einmal dem direkt gekoppelten Betrieb über Spezialverstärker und einmal dem Übertrager gekoppelten Betrieb über klassischen HiFi-Verstärker. Die besonderen Schwierigkeiten ausreichend hohe Signalspannungen an einer komplexen Last zur Verfügung zu stellen, führt dazu, dass von der theoretischen Überlegenheit direktgekoppelten Betriebes gegenüber einer Übertragerkopplung in der Praxis selten nennenswert etwas übrig bleibt.
Ein erstklassiger zum Panel passender Übertrager legt die Messlatte auf ein sehr hohes Niveau. Zu den aktiven Betriebsarten kommt der passive Betrieb mit Übertrager gekoppeltem ESL, der über einen HiFi-Verstärker, nachgeschalteter passiver Frequenzweiche und Übertrager erfolgt. Die beiden Übertrager gekoppelten Versionen haben sich aus praktischen Gründen, Kosten und nicht zuletzt sicherheitstechnischen Aspekten durchgesetzt und so können die meisten ESLs heute an übliche Verstärker angeschlossen werden weil in ihnen Übertrager verbaut sind.
Der Übertrager beeinflusst nun ganz entscheidend die elektrische Last, die der Verstärker sieht und die er zu treiben hat, wobei hier vor allem die Bereichsenden der Bandbreite den Limitationen des Übertragers unterliegen, während sich im mittleren Frequenzbereich der Übertrager fast wie sein theoretisches Ideal verhält.
Die eigentlich sehr hohe Effizienz des ESLs wird durch die Übertragerkopplung zu einem Großteil zunichte gemacht, so das Panele für Hybrid-ESLs etwa die Effizienz dynamischer Lautsprecher aufweisen und Vollbereichs-ESLs deutlich niedriger liegen.
Es tritt nun das auf den ersten Blick paradoxe Phänomen auf, dass ein hochwertigerer Übertrager dem Verstärker das Leben schwieriger macht als ein qualitativ minderwertigerer und auch dem Entwickler gewisse Möglichkeiten zur Amplitudenlinearisierung verringert. Als willkommene Folge wurden bis in die 90er Jahre hinein gerne billige Übertrager mit im Grunde miserablen Eigenschaften verbaut. Die Auswahl an nutzbaren Verstärkern wurde zwar größer, dafür wurde einiges an Klangpotential geopfert. Einzig den überragenden Eigenschaften der ESL ist es zu verdanken, dass diese Praxis nicht in einer klanglichen Katastrophe endete. Mittlerweile sieht man aber vermehrt sehr hochwertiges Übertragermaterial verbaut, mit dem die ESL ihre Vorteile auch zeigen können.
Gleichzeitig gab es auch Verbesserungen und Neuerungen bei den verwendeten Materialien und Techniken, die die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Panele erhöhen. Und während bei den dynamischen Boxen eine stetige Preissteigerung zu verzeichnen ist, stagnierten die Preise bei Elektrostaten, bzw. sanken sogar bei vergleichbarer Klangqualität.
Fin
ESL stellen ein Wandlerprinzip dar, welches richtig konzipiert und eingesetzt, hervorragende akustische Leistungen mit interessanter Optik verbindet. Es ermöglicht aussergewöhnlich realistische Klangbilder, es offenbart einen grandiosen Mikrokosmos an Details in der Musik und es macht nebenbei ganz einfach höllisch Spass.
Wie formulierte es Magnepan doch einst? Music doesn't live in Boxes!
Und zuletzt für die Regelungsfreunde: das elektrostatische Prinzip kann als kapazitiver Sensor zu Regelungsaufgaben verwendet werden. Der Beveridge Elektrostat, der in den 70er Jahren als erster das Prädikat „Superbox“ zugesprochen bekam, nutzte eine Teil seiner Membranfläche als Sensor und linearisierte dadurch seinen Amplitudengang.
©Calvin (Christoph Neuhaus)
01/2010