Kompaktboxen vs. Standboxen

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Nikolaus
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Kompaktboxen vs. Standboxen

Beitrag von Nikolaus »

Hallo liebe Forenmitglieder,

ich verstehe von Technik im Hifi-Bereich nicht viel, dennoch würde mich etwas interessieren.

Habe folgendes gelesen:
Ein kompakter LS spielt in der Regel immer detaillierter und räumlicher als eine Standbox. Die meisten Tonstudios mischen mit kompakten LS ab.
Warum ist das so? Normalerweise denkt man doch spontan, dass es umgekehrt sein sollte, weil eine Standbox zudem viel größer ist.

Gruß Lia
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fr.jazbec
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Beitrag von fr.jazbec »

Hallo Lia
Wenn man wirklich von der Mehrheit der Tonstudios ausgeht so sind das eher kleine Räume bis 20qm und da kann das mit den Kompaktlautsprechern schon stimmen. Außerdem erfolgen viele Masterings im Nahfeld, in dem kleine 2Wege Boxen großen Boxen mit mehr Wegen tatsächlich überlegen sind. Ein weiterer Vorteil kleiner Boxen ist die geringere Gehäuseoberfläche, wo nicht viel ist kann nicht viel mitschwingen.
Zum Musikhören zu Hause gilt aber für mich der Satz „kleine Boxen klingen klein, große Boxen klingen groß“. Eine große Standbox klingt m.E.n. immer „größer“ und erwachsener/autoritärer, dagegen wirken kleine Boxen dann doch miniaturisiert im Vergleich.
Membranfläche ist ähnlich wie Hubraum beim Auto nicht zu ersetzen.
Gruß Rüdiger
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Nikolaus
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Beitrag von Nikolaus »

@Rüdiger, vielen Dank. Also kann man das so pauschal nicht sagen.
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Nikolaus hat geschrieben: 17.06.2023, 01:09Habe folgendes gelesen:
Ein kompakter LS spielt in der Regel immer detaillierter und räumlicher als eine Standbox. Die meisten Tonstudios mischen mit kompakten LS ab.
Hallo Lia,
Das Thema ist noch viel facettenreicher...
Ich kann es mir nicht verkneifen, hier noch schnell zwischenzuschieben, dass die meisten Tonstudios heute einen derartigen Schrott abliefern, dass man sich fragen muss, ob die Studioabhöre einen Maßstab setzen können. Aber es sind schließlich einige Knallköppe davor, die die Musik verunstalten - und zum Glück gibt es auch gute Ton-Ings...

Vor fast 50 Jahren habe ich eine Transonic Life 500 gehört, großer Tieftöner, Mt und HT, 3 Chassis, die man als solche heraushören konnte. Vor 15 Jahren hörte ich eine 3-Wege Box von Naim, von der ich dasselbe sagen konnte, da war Bass, Mittelton und Hochton, alles in seinem Bereich einwandfrei, nur richtig nahtlos zusammen spielten sie nicht, was man bei Gesangsstimmen als solches hören konnte (alle Chassis gleich gepolt, mit entsprechenden FG-Einbrüchen bei Übergangsfrequenzen).
Vor gut 40 Jahren hörte ich eine Regalbox (mit 20cm Tieftöner und Kalottenhochtöner) auf Stahlrohrständer, leicht eingewinkelt - da war ich geflasht von der räumlichen Abbildung und Homogenität, fetter Tiefbass war allerdings nicht.
Da habe ich gedacht, mit 2-Wege Weiche gibt es nur eine Frequenzweichen Übergangsproblematik, bei 3-Wegen dafür 2 mit Phasenproblemen und Frequenzauslöschungen. Später entdeckte ich bei der Erforschung von Polaritätsphänomenen, wie sehr ein umgepolter Mitteltöner, der zwischen 400 bis über 1000Hz arbeitet, das Hören von Polaritätsunterschieden verhindert, während ein verpolter Hochtöner über 2000Hz kaum zu Buche schlägt, mit Mühe aber auch noch erkennbar bleibt.
2-Wege-LS sind meist in kleineren Gehäusen, in größeren Gehäusen findet man meist größere Tieftöner, die den Anschluss an den Hochton nicht wirklich schaffen, weshalb ein Mitteltöner hinzukommt.
Die schlankere 2-Wege-Box hat aufgrund der Relation zur Wellenlänge weniger gerichtete untere Mitten bis Bass. Da gibt es einen Bassverlust (Baffle-Step) nach hinten. Die schmale Front stört das Klangbild weniger,
Bei 2 Chassis gibt es eine gemeinsame Abstrahlachse zu finden, bei 3-Wege-LS sind es immerhin schon 2 Achsen (TT+MT, MT+HT), die sich am Hörplatz überschneiden sollten, aber meist nicht wollen...
Eine 2-Wege Box ist also in vielerlei Hinsicht anders.
Nimmt man den Bass etwas heraus, regt man den Raum bei seinen Resonanzen weniger intensiv an. Dröhnt der Raum nach, deckt das musikalische Details zu (im Zeitverlauf), hinzu kommt der Verdeckungseffekt, wo der lautere Ton einen anderen innerhalb einer Oktave derart zudeckt, dass man ihn herauszurechnen wagt für mp3.
Tiefe Töne sind langsame Schwingungen, die Membranen großer Tieftöner zwangsläufig schwerer, oft 50g oder mehr. Leichte Membranen vermitteln mehr Präzision (Kalottenhochtöner haben eine bewegte Masse in der Größenordnung einer Stubenfliege bei 0,2-0,3g). Vergleicht man eine Dynaudiobox mit Esotar Mitteltöner (der hat einen großen Magneten wie nur wenige Tieftöner...) mit einer Geithain, klingt letztere bei einer Frauenstimme wie Ana Caram behäbig, auch angenehm, aber weit entfernt von der duftigen Zartheit, mit der die Dynaudio die Stimme in den Raum transportiert.
DeVore Orangutan ist für mich ein Beispiel von einem grenzwertigen großen 2-Wege LS, wo die Auflösung im oberen Mitteltonbereich -mit anderen LS derselben Preisklasse verglichen- Schwächen zeigt.
Ich meine, es ist leichter, eine gut klingende 2-Wege-Box zu konstruieren, wenn man auf Tiefbass verzichtet. Will man dann den Bass unterstützen, fällt bei der Integration der Tieftöner eine Anzahl von Problemen an, die mit exponentiell angestiegenem Aufwand aber zu schaffen sind. Elektronisch entzerrte Tieftöner am Boden, damit es wegen Bodennähe (wer würde schon zum Hören sich auf den Boden legen, um mit den Ohren diesen Effekt zu erreichen?) bis 300Hz keinen Schallumweg über eine Bodenreflexion zum Ohr gibt, breiter aufgestellt, um der Ortung der Bässe eine Breite zu geben, die mit dem Hochton besser zusammenpasst, digitale Verzögerung der Hauptlautsprecher, um Laufzeitunterschiede auszugleichen.
Die Vielzahl der Aspekte und deren Lösungsansätze machen das Thema so interessant...
Grüße
Hans-Martin
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