in diesem Thread soll es um „echte“ Mikrofonkabel gehen. Also ausnahmsweise nicht um Kabel zwischen Quellen und Vorverstärkern oder Vorverstärkern und Aktivlautsprechern. Mir ist klar, dass das Thema in unserem Forum ein Randthema ist und sicher auch bleiben wird. Dennoch will ich Euch von meinen Erfahrungen berichten, denn ich habe dabei auch viel über HiFi gelernt und zumindest mal in diesem Zusammenhang besser verstanden, warum die Tonleute mit Kopfschütteln reagieren, wenn wir aus HiFi-Sicht über (Mikrofon-)Kabel diskutieren.
Aber der Reihe nach. Zunächst einmal muss ich Euch von meiner Erwartungshaltung und einigen Überraschungen erzählen in der „Vorgeschichte“. Dann geht es um einen systematischen Testaufbau für Stereo-Aufnahmeketten, den ich so nirgendwo dokumentiert gesehen habe und mit dem man Feinheiten sehr gut hörbar machen kann. Schließlich geht es um Konsequenzen und was ich über symmetrische Kabel im Allgemeinen gelernt habe aus diesen Tests.
Vorgeschichte
Wie ich schon oft berichtet habe, halte ich Mikrofonsignale für die hochwertigsten Audio-Signale überhaupt. So ist es beeindruckend, das verstärkte Signal eines Stereo-Hauptmikrofons direkt über Lautsprecher abzuhören (Detailreichtum, Räumlichkeit und vor allem die Durchhörbareit sind substanziell besser, als wir das von Tonkonserven gewohnt sind). Wenn es um Schallaufzeichung geht (Stichwort ADDA oder Magnetbandaufzeichung), dann sind Mikrofonsignale meine Referenz.
Weil die Audioqualität des Mikrofonsignals so herausragend gut ist, war es für mich naheliegend anzunehmen, die „üblichen“ Mikrofonkabel mit ihren kleinen Drähtchen und ihren festen Schirmgeflechten würden viel Potential „verschenken“. Umso erstaunter war ich, dass ich bei einem direkten Vergleich (Testaufbau siehe unten) zwischen nicht-geschirmten symmetrischen Kabeln (Eigenkonstruktionen, Vovox direct link) und „normalen“ Mikrofonkabeln von der Stange (Cordial zweiadrig und geschirmt, in guter Profiqualität) nur einen vergleichsweise geringen Unterschied hören konnte. Wenn ich einen Hörvergleich mit guter Quelle und guten Aktivlautsprechern mache, dann höre ich deutlich größere Unterschiede zwischen verschiedenen Kabeln.
Das hat mir zu denken gegeben. Worin besteht der Unterschied zwischen der Übertragung von Mikrofonsignalen und der Übertragung von sonstigen symmetrischen NF Audiosignalen (wie wir sie z.B. zwischen Vorverstärker und Aktivlautsprechern haben)? Eigentlich nur im Pegel und in der Phantomspeisung P48, die bei einem Mikrofonkabel ebenfalls transportiert werden muss. Dass es am Pegel liegen soll, kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. O.K. das nicht verstärkte Mikrofonsignal liegt bei mir ca. 35 dB niedriger als das durch den Mikrofonvorverstärker verstärkte. Das ist schon was. Aber daran kann es eigentlich nicht liegen, sonst müsste es zwischen Quelle und Aktivlautsprecher mit Standardkabeln bei leisen Passagen nahezu genauso gut klingen, wie bei den Selbstgedrillten. Und ein solcher Effekt wäre mir aufgefallen. Ich tippe also eher auf die Phantomspeisung, denn die ändert die Spannungsverhältnisse im Kabel grundlegend.
In diesem Beitrag von EBS ist die Phantomspeisung P48 schön beschrieben. Gehen wir von einem „normalen“ geschirmten Mikrofonkabel aus, das aus zwei Aderleitern und einem Schirm besteht. Zwischen dem 0V Leiter (Schirm, bei XLR-Steckern auf Pin 1 auf beiden Seiten aufgelegt) und den beiden Modulationsadern („Hot“ Pin2, „Return“ Pin 3) wird über zwei gleich große Widerstände à 6,8 kOhm eine Gleichspannung von 48 V zugeführt. Hierdurch entsteht eine Spannungsdifferenz nur zwischen den Modulationsadern und dem Schirm, nicht aber zwischen den Modulationsadern selbst, sofern die beiden Widerstände gleich groß und gut selektiert sind. Da geschirmte, „einfache“ Mikrofonkabel recht gut abschneiden, stellt sich also die Frage: Was bringt die 48 V Vorspannung zwischen Schirm und Modulationsleitern für einen Vorteil?
Der Testaufbau
Damit Ihr nachvollziehen könnt, was ich da eigentlich wie getestet habe, beschreibe ich den Testaufbau. Wie testet man Mikrofone, Mikrofonvorverstärker, Mikrofonkabel? Häufig liest man von umfangreichen Testergebnissen, ohne dass klar ist, wie sie zustande kamen. Manchmal findet man dann Aufbauten wie dieser hier, …
Negativbeispiel für den Aufbau bei Mikrofontests
… wo verschiedene Mikrofone gleichzeitig Aufzeichnungen des Original-Schallfelds machen sollen. Wer sich damit einmal beschäftigt hat – und das kennt Ihr sicher von Euren Messmikrofonen – so ändert sich das „abgenommene“ Audiosignal empfindlich mit der Positionierung des Mikrofons. Hinzu kommt, dass sich die Mikrofone gegenseitig stören in einem solchen „Wald“. Für mich kam das als Testverfahren also nicht in Frage.
Eine Alternative ist, dass man den Künstler bittet, zweimal genau das gleiche zu spielen und nimmt es mit zwei verschiedenen Mikrofonen / Aufnahmeketten räumlich an der gleichen Stelle, zeitlich aber hintereinander auf. Na ja, zweimal das gleiche genau gleich tun, ist für einen Menschen immer schwierig. Das können sehr gute Künstler vielleicht besser als nicht ganz so gute. Aber wirklich genau zweimal das gleiche hintereinander spielen kann nur eine Maschine. Welte-Mignon wäre vielleicht eine Alternative, wenn man diese Technik so justieren könnte, dass sie gut reproduzierbar arbeitet - aber die hatte ich halt gerade nicht zur Hand
Ich will kurz zusammenfassen, welche Erfahrungen ich mit Flügelaufnahmen gemacht habe:
- Mehrfach hintereinander das gleiche (menschliche) Spiel am Flügel aufzuzeichnen eignet sich ganz gut, so lange es um substanzielle Unterschiede geht. Geht es darum, Feinheiten hörbar zu machen, versagt dieses Verfahren.
- Mono-Signale eignen sich ebenfalls nicht für Feinheiten. Gerade um Beurteilungskriterien wie Räumlichkeit, Ausprägung der Bühne, Lokalisierbarkeit aber auch die Charakteristik von Transienten nutzbar machen zu können, benötigt man ein Stereo-Signal (Hauptmikrofon).
Ich habe solche „quasi-Straus“ Mikrofonpakete aus jeweils zwei möglichst gleichen Mikrofonen aufgebaut. Und aus zwei solcher Straus-Pakete habe ich einen Hauptmikrofon-Aufbau zusammengestellt. Auf den Bildern seht Ihr zwei solcher Pakte aus jeweils zwei Neumann KM 184 („Nieren“) in Äquivalenzanordnung (hier z.B. Abstand von 17,5 cm bei einem Achsenwinkel von ± 30°):
Die beiden "Quasi-Strauss"-Mikrofonpakete aus KM 184 von vorne
Der gleiche 4er Pack von hinten, gleiche Mikrofonkabel von Cordial
Was soll das mit dem 4er Pack? Betrachtet bitte mal diese Prinzipskizze:
Die Idee ist, die Mikrofone über Kreuz zu verwenden. Also aus dem Mikrofon L-a unten links in Kombination mit dem Mikrofon R-a oben rechts entsteht das Paar a. Und aus L-b in Kombination mit R-b das andere Paar b. Alle vier Kanäle werden gleichzeitig aufgezeichnet. Anschließend werden zwei Stereo-Dateien verglichen Datei a (Signal aus L-a und R-a) sowie Datei b (Signal aus L-b und R-b). Das ist zweimal die gleiche Aufnahme. Probe: Vergleicht man unter sonst gleichen Bedingungen zwei gleiche Mikrofonkabel wie auf den Bildern oben, so ergibt sich für meine Ohren kein signifikanter Unterschied, wenn ich Datei a und Datei b abspiele und vergleiche.
Das schöne ist: Das Resultat lässt sich immer wieder anhören und vergleichen. Wenn es – wie hier – um Kabeltests geht, dann geschieht das mit derselben Kette dahinter (Mikrofon-VV, ADC, etc.). Ich habe dieses Setup aber auch verwendet, um Mikrofon-Vorverstärker oder ADCs zu vergleichen. Das Verfahren ist also ziemlich universell, wenn es um Aufnahmeketten geht.
Vergleich von Mikrofonkabeln
Um die Phantomspeisung zwischen Mikrofonvorverstärker und Mikrofon übertragen zu können, muss Pin 1 auf beiden Seiten aufgelegt werden (Pin 2 und 3 natürlich sowieso). Für die nicht geschirmten Kabel ist das bei mir die Farbcodierung blau-blau. Ich habe auch andere Anschlussmöglichkeiten getestet, komme aber zu keinem besseren Ergebnis als bei blau-blau. Bei den geschirmten Kabeln habe ich die Farbcodierung schwarz-schwarz verwendet. Das entspricht dem üblichen Anschluss von konfektionierten, geschirmten Kabeln (auch das bedeutet, dass Pin1 beidseitig aufgelegt ist nur diesmal auf den Schirm).
1. Test: Vergleich Tricolore 5 vs. Cordial CMK 250
Verglichen habe ich eines meiner selbst gedrillten Kabel, das Tricolore 5 (siehe hier, etwas nach unten scrollen) mit einem einfachen Cordial CMK 250. Das Tricolore macht einen Tick mehr Finesse (Räumlichkeit, Transientendarstellung, Durchhörbarkeit). Aber ich muss schon zweimal hinhören. Kein Vergleich zu symmetrischen Verbindungen zwischen Vorverstärker und Aktivlautsprechern, wie ich sie sonst getestet habe.
Die Frage ist, wie kann das sein? Gehen wir nochmals zurück zur „normalen“ symmetrischen Verbindung etwa zwischen Vorverstärker und Aktivlautsprechern. Wir hatten doch gelernt, dass bei geschirmten Kabeln die Wechselfelder durch das Dielektrikum wabern und am Schirm „aufgehalten“ werden. Das Audio-Signal regt das Dielektrikum zwischen den Aderleitern und dem Schirm zu Schwingungen an und dies scheint sich negativ auf die Audio-Qualität auszuwirken. Das war eine der vielen Vermutungen zur Erklärung des Nachteils geschirmter symmetrischer Signalkabel.
Dem gegenüber wirkt bei den nicht geschirmten Kabeln überwiegend Luft als Dielektrikum und die Wechselfelder können sich im Vergleich zu einem geschirmten Kabel weiter von den Aderleitern entfernen, ohne von einem Schirm „aufgehalten“ zu werden.
Wir hatten aber auch gelernt, dass bei den nicht geschirmten Kabeln der eingeflochtene 0V Leiter schon eine schirmende Wirkung hat und gleichzeitig wie eine HF Antenne wirkt. Dieser Effekt scheint der resultierenden Audio-Qualität gut zu tun. Gert hat ihn als „HF-Vorelektrisierung“ bezeichnet und dabei auch erklärt, was die Phantomspeisung bei Mikrofonkabeln bewirkt:
Wie geht es nun weiter? Ich will mit Multicore-Kabeln experimentieren, wobei ich die verschiedenen Signale für hot + und return - auf verschiedene Cores verteilen will, so jedes für sich geschirmt ist. Die Idee dabei ist, dass bei Standard-Mikrofonkabeln Spannungsdifferenzen zwischen den verdrillten Aderleitern im Inneren des Kabels eben doch wieder durch das Audio-Signal hervorgerufen werden und die DC-Vorspannung zwischen den Aderleitern nicht hilft. Schirmt man dagegen jedes Signal für sich, könnte sich das positiv auswirken, weil es dann keine Wechselfelder zwischen den verdrillten Aderleitern gibt und die volle DC-Vorspannung durch P48 für alle Teilsignale zum Tragen kommt.Fortepianus hat geschrieben:Bekannt ist ja, dass Kabel besser klingen, wenn sie vorgespannt werden mit einer Gleichspannung, so wie bei Mikrofonkabeln üblich. Man macht das, um den Impedanzwandler im Mikro mit Spannung versorgen zu können. Als Nebeneffekt liegt der klangliche Vorteil bei dieser Art von DC-Vorspannung darin, dass das Dielektrikum zwischen den Leitern und dem Schirm nicht umgeladen werden muss, solange die DC-Vorspannung höher ist als der Hub des Nutzsignals. Das Umladen des Dielektrikums also ist ein Kabelproblem, halten wir das mal fest. Da sind eben kleine Hysterese-Effekte in den Dielektrika im Spiel.
Mit diesen Experimenten will ich versuchen, insgesamt herauszufinden, wie weit ich mit „Standard“-Kabelmaterial komme und ob sich das Herstellen eigener Kabel lohnt. Gerade wenn es in Richtung Mehrkanal bei der Aufnahme geht und weil ich bei Mikrofonkabeln für Aufnahmezwecke auch ziemliche Längen brauche, muss ich mir schon genau überlegen, ob sich das Drillen und Flechten lohnt. Zumal eben solch ein Standard-Kabel sehr viel unempfindlicher ist und sich sehr viel eleganter verlegen, fixieren und zum Schluss wieder aufwickeln lässt als meine Eigenkreationen.
Viele Grüße
Harald