seit einiger Zeit führe ich mit Harald Diskussionen zu analog vs. digital, und habe den Erwerb seiner M15A interessiert mit verfolgt. Sie wurde übrigens nicht von irgendwem generalüberholt, sondern von Peter, wie ich von Harald hörte, einem Tonmeister und Spezialisten für diese alten Schätze aus dem Freundeskreis des leider kürzlich verstorbenen Eberhard Sengpiel (ebs), der ja auch bei uns im Forum schrieb. Vielleicht liest Du ja mit, Peter? Würde mich sehr freuen!
Haralds M15A ist also perfekt generalüberholt und eingemessen, aber er ist trotz perfekten Messergebnissen nicht so recht zufrieden mit Klang. Wenn man bedenkt, dass von diesen Maschinen viele Schallplatten aufgenommen wurden, von deren Qualität heute noch viele Analogfreaks schwärmen, muss da mehr gehen, da waren wir uns einig. Harald schickte mir die zwei Aufnahme- und zwei Wiedergabeeinschübe der Maschine. Die Dokumentation dazu ist perfekt - ich habe alle Schalt- und Bestückungspläne genau der vorliegenden Version.
Kurze Schaltungsanalyse des Aufnahmeverstärkers
Ein Blick in die Schaltung zeigt gleich auf den ersten Blick einen entscheidenden Unterschied eines damals üblichen Schaltungsentwurfs zu einem heutigen: Es gibt nur eine 35V-Versorgungsspannung für alles. Das hat zur Folge, dass man immer wieder Koppelelkos einsetzen muss, weil das Signal nicht symmetrisch zur Null ist, sondern zur halben Versorgungsspannung. Sonst könnte man ja keine negativen Werte darstellen. Heute ist es bei Analogschaltungen in der Audiotechnik üblich, z. B. +-15V zu verwenden und die einzelnen Stufen möglichst ohne Kondensatoren zu koppeln.
Schauen wir uns also den Eingang an:
Man sieht einen Eingangsübertrager Tr1 (in der Studiotechnik unverzichtbar) und einen Transistor als Emitterfolger beschaltet, Ts1. Und schon sind die ersten beiden Koppel-Cs im Spiel: C5 ist offensichtlich, er koppelt den Ausgang des Ts1 aus, und C4 unten im Bild. C4 sorgt dafür, dass der Trafo auf das Potenzial von Ts1 hochfloaten kann. Auch durch diesen C fließt das Signal.
Über C5 wird eine OP-Schaltung zur einstellbaren Hochtonentzerrung bedient, und zwar parallel zwei gleiche Schaltungen für 19 und 38cm/s. Hier die 19er-Hälfte:
Der OP ist ein Dual-OP vom Typ RC4739. Ein Oldie, in den 70ern als hochwertiger Nachfolger von µA739 etc. entwickelt, brauchte keine externe Kompensation mehr und war rauschärmer als seine Vorgänger. Dennoch, aus heutiger Sicht ist das eher weniger rauscharm, und der interne Aufbau erinnert doch stark an das langjährige Zugpferd µA741. Mit dem RC4739 sind Klirrfaktoren von 0,1% realisierbar. Im Vergleich: Ein heutiger Spitzenklasse-OP kommt auf 0,00003% (-130dB!). Übrigens auch hier wieder ein Elko zur Potenzialentkopplung zu sehen: C8.
Also beim OP gibt es Handlungsbedarf, ganz klar. Ein LME49720 ist nicht nur viele Zenerpotenzen besser beim Klirr, sondern hat auch einen 20mal schnelleren Impulsanstieg bei Bedarf (slew rate) und rauscht ca. Faktor 5 weniger.
Nun folgt die Einkopplung der Vormagnetisierungs-HF (oben im folgenden Bild) und die Umschaltung zwischen den beiden Pfaden 19 und 38cm/s mit FETs.
Ich vermeide heute jeden FET vor allem wie hier längs im Signalweg, aber vielleicht bin ich diesbezüglich auch etwas paranoisch veranlagt. Hier wieder klangrelevante Elkos: C26 und C40.
Es folgt der Ausgangsverstärker, der den Aufnahmekopf treibt:
Das ist nun einer der guten alten Kleinleistungsverstärker mit den Transistoren Ts7/8 (2N2219A/2N2905), wie ich sie in den 70ern als Schüler gerne konstruiert habe während des Lateinunterrichts. Das klingt auch aus heutiger Sicht gar nicht so übel! Der unvermeidliche Koppel-C34 und ein Muting-FET Ts9 sind im Ausgangskreis.
Nett gemacht ist übrigens die Spannungssiebung mit Ts10/11 rechts oben. Eine solche Schaltung, die das RC-Siebglied R70/C45 mit einem Darlington-Emitterfolger hochohmig entkoppelt, ist viel besser, als man erst so denken mag. Heute würde man da eher einen integrierten Spannungsregler reinmachen - aber zumindest die meist verwendeten 78xx halten zwar die Spannung stabil, produzieren aber ihrerseits ordentlich Dreck (HF, kleine Impulsnädelchen etc.). Da ist die alte Darlingtonschaltung zwar viel "weicher", aber sauberer.
Überarbeitung des Aufnahmeverstärkers AV1d
Hier meine Todo-Liste:
A Operationsverstärker IS1 (RC4739) tauschen
- a) IS1 auslöten
b) 14pol. Sockel (Goldkontakte) einlöten
c) Adapterplatine auf Lochraster machen:- 1. LME49720NA verwenden
2. Betriebsspannung OP auf 32V begrenzen. Problem: LME kann nur max. 34V, aber es hat 35V. Dazu:
3. Vorwiderstand 330R für Versorgung einlöten
4. Pufferelko 220µF/50V Panaconic FR (RAD FR 220/50)
5. parallel dazu Folie 100nF
- 1. LME49720NA verwenden
Das Problem ist, dass die Pin-Belegung des RC4739 so gänzlich anders ist als heute üblich - deshalb ist auf der Unterseite des kleinen Lochrasteradapters ein kleiner Fädeldrahtverhau zu finden, der einige Mühe zur Herstellung bereitet.
B Elkos Signalweg tauschen
- a) C5, C8, C9, C34 (22µF): RAD FR 22/50
b) parallel dazu jeweils Glimmer 1nF (CY 22-3 1,0NF)
c) C26 (220µF): AX 105 220/50
d) C40 (1µF): Folie 1µF/50V MKS-02 1,0µ
e) C4, C33 (100µF): RAD FR 100/50
f) parallel dazu Glimmer 1nF (CY 22-3 1,0NF)
- a) C20, C45 (100µF): RAD FR 100/50
b) C21 (22µF): RAD FR 22/50
Da kann man sich gegen den Reflex, nicht nur die Elkos im direkten Signalweg, sondern schlicht alle Elkos zu tauschen, einfach nicht wehren. Den kleinen Elko mit 1µF habe ich gegen einen Folien-C getauscht, die größeren gegen Panasonic FR, und die entscheidenden davon habe ich auf der Platinenunterseite dann noch mit 1nF-Glimmerkondensatoren gebrückt:
Die Panasonic FR haben nicht nur eine um 1-2 Zehnerpotenzen höhere Lebendauer als die alten Roederstein-Elkos, sie sind auch erheblich kleiner und haben einen ESR (Ersatzserienwiderstand) von wenigen zig Milliohm. Sowas war in den 70ern einfach noch nicht zu kriegen. Die wenigen verbliebenen Tantalelkos, die man im Bild sehen kann, sind übrigens alle nur zur Pufferung von Schaltleitungen da und klanglich nicht relevant.
Nach dem Umbau habe ich dann beide Karten an 35V eines Labornetzteils gehängt und war dankbar, dass mit ca. 30mA ein plausibler Strom floss (und nicht die Ampère, die diesen unangenehmen, charakteristischen Geruch produzieren, der oft von einem kleinen Rauchfaden begleitet wird). Alles funktioniert nach meinen Messungen, wie es soll, und die beiden Karten müssten ohne erneuten Abgleich einsetzbar sein - am Frequenzgang dürfte sich nichts von Belang geändert haben.
Beim Wiedergabeverstärker wird's etwas komplexer, da warte ich noch auf diverses Material. Dazu demnächst mehr auf diesem Kanal.
Viele Grüße
Gert