O.Mertineit hat geschrieben:
http://decoy.iki.fi/dsound/ambisonic/mo ... l_1985.pdf
Ohne dabei tiefer auf die menschlichen Fähigkeiten beim räumlichen Hören und die dabei wirksamen Effekte und Mechanismen einzugehen, wird dort u.a. die mangelnde Fähigkeit üblicher stereophoner Lautsprecheranordnungen zur Abbildung glaubhafter mittiger Phantomschallquellen bei hohen Frequenzen behandelt.
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Nach der Analyse der Autoren ist allein aus der Ausprägung des Wellenfeldes bei üblichen Lautsprecheranordnungen oberhalb ca. 2 Khz auch bei gleichen Lautsprechersignalen L und R eine deutliche Abschwächung des "vorn" Eindrucks zu erwarten.
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Eigene Anmerkung dazu:
Diese führen dazu, daß für die Lokalisation einer mittigen Phantomschallquelle Richtungsinformation aus tieferen Frequenzbereichen vorhanden sein muss, ansonsten kann eine Lokalisation uneindeutig werden oder sogar in Richtung der beider Lautsprecher weisen.
Hallo Oliver
Wenn du ein natürliches Instrument oder eine menschliche Stimme benennen könntest, welche(s) keinen Grundton unter, sondern (ausschließlich wäre zu viel verlangt) über 2kHz besitzt, würde ich dieses Argument als schwerwiegend ansehen.
Derartige Artefakte enstehen, wenn am Hörplatz seitliche Komponenenten der Wellenfront aufreten, die nicht durch eine (gedachte...) frontal einfallende Welle "erklärbar" sind und dabei eine gewisse Schwelle in Relation zum "ebenen" Anteil der Wellenfront überschritten wird.
Da die seitliche Komponente nicht vor dem Lautsprecherdirektschall eintreffen kann, und aufgrund des größeren Wegs zum Ohr auch kaum in der Amplitude dominieren kann, was ist hier mit "eine gewisse Schwelle in Relation zum "ebenen" Anteil".." gemeint?
O.Mertineit hat geschrieben:
Worum es mir hier geht:
Eine für hohe Frequenzen verbesserte Abbildung in der Stereomitte wurde hier im Forum schon anhand vieler Aspekte thematisiert und es wurden auch Lösungen diskutiert und vorgestellt, die meist eine Verminderung der Stereo-Basisbreite zu hohen Frequenzen hin beinhalten.
Diesen Vorschlag hat auch Dr. Edeko 1988 (3 Jahre nach den oben zitiertem AES-vortrag ) gemacht, seine Konstruktion war ein Lautsprecher mit engerer Hochtönerplatzierung gegenüber Mitteltöner, die Bässe jeweils außen.
Einen ähnlichen Ansatz hatten wir hier als physisches FLOW (Jakob).
In dem Thread
Betreff: Fragen an die Tontechnik brachte Eberhard
Sengpiel einige grundlegende Gedanken ein.
Auch mögliche inhärente Vorteile der Analog Technik (LP) wurden diesbezüglich schon diskutiert, weil u.a. Tonabnehmersysteme eine zum Hochton hin abnehmende Kanaltrennung aufweisen: Dies könnte einen gewissen "zentrierenden" Effekt - wie groß er im konkreten Fall ist, hängt u.a. vom Tonabnehmer ab - auf die Stereoabbildung haben.
Dabei sollte m.E nicht vergessen werden, daß
- das Problem auch bei Signalen direkt aus der Stereomitte (Signale beider Kanäle identisch) besteht, so daß hier der Einsatz von Übersprechen zw. L und R keine Änderung mehr bewirken kann
Hier stellt sich die Frage, inwieweit schon die Aufnahmetechnik verkehrt angewandt wurde. Wie 2 Lautsprecher im reflexionsfreien Raum auf linearen FG gebracht werden, weiß man inzwischen, mit einem angemessenen Bündelungsmaß, welches zum Hörraum passt, und das darf man im klassischen Stereodreieck voraussetzen. Dennoch werden Mikrofone nicht danach ausgewählt, sie nicht derart aufgestellt, dass mit dieser LS-Aufstellung ein annähernd perfektes Ergebnis erzielt wird, sondern der User gefordert ist, die Schwächen der Aufnahme auszubügeln. Da diese vielfältiger Natur sind, gibt es auch viele Methoden der Kompensation, aber leider nicht genug, um für alle Fälle gerüstet zu sein.
Zum Argument, das Tonabnehmersystem schränke die Hochtonkanaltrennung ein, kann ich nur auf den FLOW-Thread verweisen und das Augenmerk auf den historischen Aspekt richten. 1959 erschienen die ersten Tonträger in Stereo auf dem Massenmarkt, Radio folgte wenige Jahre später in stereo und spielte überwiegend Schallplatten. Sphärische Nadeln folgten der Rillenauslenkung, und der Pincheffekt erzeugte vertikale Bewegungen, die den Grundtonbereich auch bei Monosummensignal gegenphasig (180°, besser gesagt gegenpolig) überlagern und damit dekorrelieren. Das wird im klassischen Kanaltrennungsmessschrieb nicht dargestellt. Er zeigt nur den FG eines angesprochenen Kanals und die Artefakte auf dem eigentlich nicht angesteuerten Kanal. Da der Bereich oberhalb 800Hz in der Amplitude abfällt, stelle ich mir vor, dass dieser Effekt hier zunehmend ausbleibt. Es ist m.E. falsch, den Bereich Vinylabtastung auf engere Hochtonprojektion zu reduzieren. Auch muss bedacht werden, dass auch vom Rundfunk geforderte Monokompatibilität bei Intensitätsstereofonie erheblich besser gewährleistet ist als bei Laufzeitstereofonie.
Lord Rayleighs
Duplextheorie des Hörens muss erst noch widerlegt werden, und der Mangel an Laufzeitinformation bei den meisten Aufnahmen verlangt nach Kompensation der Ortung von Grundtönen, die so sehr vom Natürlichen abweicht. Hört man auf der Mittelachse der beiden LS, treffen diese gleichzeitig am Schädelmittelpunkt ein, aber das interessiert weniger, weil das dem jeweiligen Lautsprecher zugewandte Ohr zuerst hört, bevor der Schall vom anderen LS ankommt. Das Zeitfenster für die Summenlokalisation ist bekannt, Stereo funktioniert.
Die Diskrepanz in der Lokalisation von Grundton und Obertonbereich ist ebenfalls lange bekannt. Ich behaupte, sie geriet in Vergessenheit, weil die Abtastung von Vinyl eine weitgehende Kompensation durch reinen Zufall und Schwächen des Mechanismus bewirkte, keinesfalls geplant und beabsichtigt! Klaus Wendt hat seine Doktorarbeit darüber geschrieben, seit Blumlein 1932, deBoer 1940, haben viele Forscher sich der Thematik angenommen, praktisch alle 10 Jahre gab es Veröffentlichungen, auch Simonsen, Griesinger,
Sengpiel, die die Diskrepanz von reiner Laufzeit zu reiner Intensität bei Stereo erforschten und grafisch darstellten.
- die Ursache der Effekte in der stereophonen Wiedergabeanordnung selbst und damit auch den üblicherweise dafür verwendeten Lautsprechern zu suchen ist: Die o.g. Schwächen können m.E. nur dort ursächlich gelöst oder siginifikant abgemildert werden, ohne daß man z.B. das Musikmaterial - evt. je nach individueller Ausprägung der Stereomitte - dazu nachbearbeiten müsste
Das kann man auch umdrehen, wie ich oben es schon tat- in der Wiedergabekette sind Stereolautsprecher mit angemessenem Bündelungsmaß auszuwählen und die Aufnahmetechnik hat das als Zielgruppe zu berücksichtigen.
Gunther Theile (IRT) setzt auf Äquivalenzstereofonie
http://www.hauptmikrofon.de/theile/Thei ... ES1991.PDF
Wer sich mit Abbildungsschärfe beschäftigt, stolpert über die Absolute Polarität der Aufnahme. Dazu empfehle ich folgendes Experiment:
Ein einzelner Lautsprecher (Vollbereich oder 2-Weg - nicht 3-Weg mit Übergangsfrequenz B/MT deutlich unter 1000Hz) gibt allein Musik wieder und wird umgepolt. Bei unbekannter Polarität der Aufnahme ist einmal der Lautsprecher als Quelle deutlich auszumachen, zu orten, im anderen relativ umgepolten Fall löst sich der Klang diffuser und breiter vom Lautsprecher.
Da die technisch festgelegte Polarität des LS verlangt, dass die Membran sich bei positivem Signal in Richtung Hörer bewegt, bleibt bei diffuser Wiedergabe des Lautsprechers noch die Möglichkeit, dass in der Übertragungskette die Polarität wechselt. Kürzlich wurde der Funk LAP2V3 als invertierend festgestellt. Wenn man eine scharfe Ortung der Phantomschallquelle in der Mitte wünscht, bleibt der Wunsch nach korrekt gepolter Aufnahme nicht aus, sonst hat man schon verloren. Es sei denn, man benutzt Elektronik, bei der rein zufällig der Hersteller vergessen hat, auf die Invertierung des Signals hinzuweisen.
Ich plädiere dafür, von allen Beteiligten einzufordern, dass sie sich an die Spielregeln halten. Die Aufnahme mit Mikrofonen, die beim Einschlagen einer Kesselpauke einen negativen Puls liefern, die Mikrofonvorverstärker, die diesen negativen Impact auch negativ weitergeben, der Mann / die Frau am Mixer macht ggf. Gebrauch des vorhandenen Druckknopfs für Polarität (hat jedes bessere Mischpult!), so dass am Ende eine Aufnahme entsteht (vielleicht auch in einer CD festgehalten), bei der der Einschlag sich auch im Oszillogramm als negativer Puls zeigt. Meine Klassiksammlung wird von invertiertem Material dominiert, nahezu 90% sind nach diesem Kriterium verkehrt (im Sinne des Wortes: verpolt).
Es ist erschreckend, feststellen zu müssen, dass die Tonträger schaffende Zunft vorsätzlich das Ergebnis verkehrt. Da ist es kein Wunder, dass es so viele schlechte Lautsprecher gibt. Denn die schlechten Aufnahmen überholen locker deren Anzahl. Es kann und darf nicht Aufgabe eines Lautsprechers sein, die schlechte, mangelbehaftete Aufnahme, oder die ursprünglich gute Aufnahme, die erst im Mastering schlecht gemacht wurde, zu kompensieren. Ich behaupte, nur andersherum kann ein Schuh draus werden: Zeitkoinzidente Lautsprecher mit reduziertem Einfluss des Hörraums und neutraler Elektronik (ungesoundet nach Sven (Truesound)).
Und Robert E. Green (the absolute sound) liefert mit seinem Vorschlag, die LS unter 90° (45° zur Medianebene) statt der üblichen 60° (30°) aufzustellen, damit die Wellen sich primär ohne Beeinflussung ausbreiten, ein interessantes Alternativdenkmodell.
Grüße Hans-Martin