Heinz Josef Nisius: HiFi hören

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Heinz Josef Nisius: HiFi hören

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Heinz Josef Nisius [† 15.05.2016] wurde 1933 in Köln geboren und lebte anschließend in Trier.

Er hatte eine Gesellenprüfung als Radio- und Fernsehtechniker absolviert; danach: fachtheoretische Meisterprüfung; Studium: Pädagogik, Physik, Chemie, Soziologie; zunächst als Studiendirektor an einer berufsbildenden Schule für Nachrichtentechnik tätig und später Fachleiter für Elektrotechnik; danach als Oberstudiendirektor Leiter eines staatlichen Studienseminars für das Lehramt an berufsbildenen Schulen.

In seiner Freizeit führte Nisius zahlreiche Seminare (heute "Workshops") für HiFi-Begeisterte durch. Ein wichtiges Schlüsselerlebnis war für ihn die Bekanntschaft mit der Backes & Müller BM 5.

Sein Buch HiFi hören, veröffentlichte er 1979 im Vogel-Verlag. Die auszugsweise Wiedergabe erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Verlages.

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Gliederung

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Hinweis: Die einzelnen Kapitel können durch Anklicken des Gliederungspunktes geöffnet werden.

0 - Einleitung: Das schwächste Glied

1 - Der Weg zum Lautsprecher
1.1 - Sorgen mit der Aufstellung
1.2 - Wie kann man sich informieren?
1.3 - Den „richtigen“ Lautsprecher heraushören
1.4 - Müssen Lautsprecher so aussehen?

2 - Anmerkungen zum HiFi-Markt
2.1 - Phänomene des Lautsprechermarktes
2.1.1 - Hersteller konventioneller Lautsprecher
2.1.2 - Hersteller neuartiger Lautsprecher
2.2 - Phänomene und Probleme des Fachhandels

3 - Objektivität bedeutet nicht Wahrheit

4 - Klangliche Eigenschaften von Lautsprechern
4.1 - Die üblichen Begriffe
4.2 - Komplexe Kriterien
4.3 - Ein Negativbeispiel: Bluffer
4.4 - Aspekte der Klangverfälschung

5 - Es geht nicht ohne Hörvergleiche
5.1 - Warum sind Hörvergleiche notwendig?
5.2 - Wer kann testen?
5.3 - Gibt es objektive Hörvergleiche?
5.4 - Testmerkmale beschreiben
5.5 - Testfehler vermeiden
5.6 - Wie verlässlich sind Testergebnisse?

6 - Der Teufel steckt im Detail
6.1 - Modell eines Lautsprechertests
6.2 - Ausgewählte Testprobleme
6.3 - Einfach Testen
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Einleitung: Das schwächste Glied

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0 - Einleitung: Das schwächste Glied


Die sogenannte HiFi-Branche befindet sich offenbar in einer zwiespältigen Entwicklung: Einerseits steigen Zahl und Qualitätsniveau der Geräte zur „klanggetreuen Musikwiedergabe“ (so etwa könnte man den Begriff „High-Fidelity“ übersetzen) stetig an; auch der Kreis der qualitäts- und preisbewussten HiFi-Freunde nimmt ständig zu. Andererseits lassen die Informationen, von denen Fachhändler und Endverbraucher überschüttet werden, weithin jene Klarheit und „Naturtreue“ vermissen, die industrielle Autoren für ihre Geräte reklamieren: Datenfetischismus, Prinzipienreiterei und Begriffsmagie haben einen regelrechten HiFi-Mythos aufgebaut. Kein Wunder, dass HiFi-Anlagen mitunter resignierend als „besseres Radio“ verkannt werden oder – das ist das andere Extrem eines Missverständnisses – als Statussymbol fungieren.

Angesichts solcher Missverhältnisse wird im vorliegenden Buch die HiFi-Technik vorrangig hinsichtlich ihrer musikalisch-ästhetischen Möglichkeiten und Grenzen erörtert: Autos sind, normalerweise, Gebrauchsgegenstände, Fortbewegungs- und Transportvehikel. Jedermann kann sie „richtig bedienen“, fahren, auch ohne die komplizierten Vorgänge in Vergaser und Getriebe zu verstehen. HiFi-Anlagen sind Vehikel zur Übertragung bzw. Wiedergabe von Musik auf sehr hohem klanglichem Qualitätsniveau. Auch ohne Verständnis der sehr komplizierten physikalisch-technischen Zusammenhänge kann jeder sie mühelos richtig bedienen – und Musik hören; nicht unbedingt „wie im Konzertsaal“, sondern eher als eine neue und eigenständige Form des Musikerlebens.

Allerdings ist es nicht einfach, die „richtige Anlage“ zusammenzustellen: eine Anlage, bei der technischer Aufwand und klangliches Ergebnis in einem sinnvollen Verhältnis zueinander stehen. Dieses Problem stellt sich zwar unabhängig vom angestrebten Qualitätsniveau, aber es muss (von Händler und Kunde gemeinsam) immer wieder individuell gelöst werden, je nach Anspruch, räumlichen Gegebenheiten und finanziellen Möglichkeiten des einzelnen.

Alles dreht sich um den Lautsprecher

Das HiFi-Niveau, die Klangqualität einer Anlage, hängt in höchstem Maße vom Lautsprecher ab. Wenn in den meisten Fällen gerade er das schwächste Glied der Übertragungskette ist, so mag das teilweise daran liegen, dass seine Bedeutung für die Wiedergabequalität von manchen Fachhändlern (aus Bequemlichkeit oder aus ökonomischen Gründen) he- runtergespielt und von Musikfreunden bzw. unerfahrenen HiFi-Anwärtern unterschätzt wird. Zum anderen ist der Lautsprecher grundsätzlich mit mehr und größeren Fehlern behaftet als beispielsweise ein Verstärker oder Rundfunkempfänger. Dennoch gibt es einige Modelle, die die Übertragungsqualität dieser Geräte, ja sogar Ungereimtheiten der Aufnahme eindeutig hörbar machen und demaskieren können.

Viele Probleme ...

Die Situation des HiFi-Fachhändlers ist ebenso wie die des suchenden Musikfreundes alles andere als einfach: Wer kennt sich im Wust des Angebots noch aus? Welche Orientierungshilfen lindern die Qual der Wahl? Technische Daten, eingängige Texte und imposante Detailfotos in den Firmenprospekten, die oft widersprüchlichen oder unverständlichen Veröffentlichungen von neutralen Testinstitutionen oder Zeitschriften – wer kann sich da noch ein Urteil zutrauen über Bedeutung oder Wahrheitsgehalt solcher Informationen? Welche Zusammenhänge muss man verstehen, um eine Anlage „um einen Lautsprecher herum“ planen zu können? Denn wenn die Qualität der Wiedergabe wesentlich vom Lautsprecher abhängt, muss er konsequenterweise im Mittelpunkt der Anlagenplanung stehen.

Woraus besteht eine gute HiFi-Anlage? Welchen Stellenwert haben die anderen Anlagenkomponenten, zum Beispiel Verstärker, Empfänger und Plattenspieler? In welchem Verhältnis (Technik und Preis) sollen sie vernünftigerweise zueinander stehen? Wie kann man sie aufeinander abstimmen? Wie lässt sich eine Anlage „problemlos“ im Wohnraum unterbringen? Wie vertrauenswürdig ist die HiFi-Branche? Was besagen technische Daten und Prinzipien („Philosophien“ nennt das anmaßend die Branche) über die Klangqualität eines Geräts? Woran kann man die Qualität eines Lautsprechers erkennen? Was ist von Hörvergleichen (Hörtests) zu halten? Unter welchen Bedingungen können sie – wenn überhaupt – objektiv sein und zu gültigen Ergebnissen führen? Welche Fehler können bei Tests gemacht werden, und was ist von „Zusatzgeräten“ (Equalizer zum Beispiel) zu halten? Was ist beim Optimieren von Anlagen in technischer Hinsicht zu beachten? Welche Bedeutung haben Stereophonie, Quadrophonie und andere technische Verfahren? Fragen und Probleme zuhauf. Sie verunsichern den Endverbraucher (von Musik und Technik) und erschweren es dem verantwortungsbewussten Fachhändler, sein Angebot zu sortieren und den Musikfreund objektiv und überzeugend zu beraten.

... und Lösungsansätze

Im Folgenden werden sie grundlegend und in allgemeinverständlicher Form erörtert. Technische Kenntnisse sind zum Verständnis der Darlegungen nicht nötig, werden aber soweit vermittelt, wie sie für den anspruchsvollen und kritischen HiFi-Praktiker notwendig sind. Vom Lautsprecher, der den wichtigsten Beitrag zur HiFi-Anlage zu leisten hat, handeln fast alle Kapitel. Darüber hinaus geht es durchgängig um die schwierige Frage, wie man vom Lautsprecher zur HiFi-Anlage kommt. Das meiste hat exemplarischen Charakter: Was am Beispiel des Lautsprechers erörtert wird, gilt im Wesentlichen auch für die anderen Komponenten einer Anlage. Auch die Frage, was den qualifizierten und soliden Fachhändler auszeichnet, wird in verschiedenen Zusammenhängen erörtert. Schließlich werden zentrale Probleme des Mediums unter dem Aspekt der vieldiskutierten „HiFi-gerechten Lautstärke“ zusammenfassend gespiegelt.

Das Buch ist nicht nach fachwissenschaftlich-systematischen Gesichtspunkten aufgebaut, sondern in erster Linie nach lernpsychologischen: Das Lesen soll Spaß und zugleich – nach und nach – immer tiefer mit der Materie „HiFi-Anlage“ und ihren wichtigeren Aspekten vertraut machen.

Die einzelnen Kapitel sind in sich abgeschlossen. Sie können auch unabhängig voneinander gelesen und verstanden werden. Es erscheint jedoch sinnvoll, sich zuerst mit dem prinzipiellen Aufbau einer Anlage vertraut zu machen , und sei es nur, um später verwendete Begriffe richtig zu verstehen. Wer es eilig hat, kann sich an den „Randbemerkungen“ orientieren. Zudem zeigen zahlreiche Querverweise, an welcher Stelle eine Frage noch einmal, vertiefend oder unter anderem Gesichtspunkt bzw. in anderem Zusammenhang, behandelt wird.

Das Literaturverzeichnis verweist auf benutzte Quellen und weiterführende Beiträge, aber auch auf Meinungen, die ich nicht in allen Stücken teilen kann. Ein Stichwortverzeichnis hilft dem eiligen Leser, schnell jene Zusammenhänge zu finden, die ihn besonders interessieren oder die er noch einmal nacharbeiten möchte.

Vieles muss laienhaft dargestellt werden, ohne dabei jedoch an Substanz und Gültigkeit zu verlieren. Manches mag (den Technizisten) subjektiv oder dem komplexen Sachverhalt nicht angemessen erscheinen, vielleicht auch überspitzt formuliert. Es wird die Diskussion beleben.

Alles ist an der problematischen Praxis und an den praktischen Problemen von Kaufberatung und Kaufentscheidung orientiert. Patentrezepte gibt es nicht, kann es nicht geben. Was erwartet werden darf, sind problematisierte (und sicherlich auch problematische) und praxisnahe Anregungen für alle, die aus Spaß oder Profession die Qualität von HiFi-Geräten beurteilen (helfen) müssen. Es werden keine Bedienungsanleitungen gegeben, wohl aber Anleitungen zum Auswählen, Testen und richtigen Zusammenschalten von Geräten. Gerätebeschreibungen wären bereits nach kurzer Zeit veraltet.

Was hingegen immer aktuell bleiben wird, ist die mühsame und zugleich Freude bereitende Suche nach guten und preiswerten HiFi-Geräten. Dazu will das Buch Hilfe und Wegweiser sein.

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Der Weg zum Lautsprecher

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1 - Der Weg zum Lautsprecher


1.1 - Sorgen mit der Aufstellung


Von Anfang an muss der Lautsprecher im Mittelpunkt aller Erwägungen stehen, weil es von seiner Qualität am meisten abhängt, wie gut (oder schlecht) „eine Anlage klingt“. Viele bezeichnen ihn als das schwächste Glied der Kette. Leider gilt das für die meisten Anlagen.

Ehe man sich dem aufreibenden Vergnügen hingibt, den ausgeuferten Lautsprechermarkt zu sondieren, ist deshalb die Aufstellungsmöglichkeit für Lautsprecher zu diskutieren; denn auch von ihr hängt nicht nur das klangliche Ergebnis der Gesamtanlage ab, sondern auch die Richtung, in der man den Markt angeht. Hierzu einige grundsätzliche Hinweise. Sie sollen sichern, dass beim Durchforsten des Angebots die Gegebenheiten des Wohnraums hinreichend berücksichtigt bleiben.

Größe und Leistung ist nicht Qualität

Vorab soll ein folgenschwerer Irrtum, den viele „Fachverkäufer“ verbreiten, richtiggestellt werden: Die äußeren Abmessungen und die sogenannte Belastbarkeit (Leistung, Leistungsaufnahme, angegeben in Watt) eines Lautsprechers lassen keinen Rückschluss auf die Klangqualität zu. Das gilt für Passivboxen gleichermaßen wie für Aktivboxen. In der Regel jedoch „haben es großformatige Modelle leichter“, gut zu klingen – auch in kleinen Räumen. Kein Lautsprecher ist grundsätzlich „zu groß für meinen Raum“, Es gibt Aktivboxen, die trotz bescheidener Abmessungen „Giganten“ des Markts in klanglicher Hinsicht hinter sich lassen. Abmessungen und Belastbarkeit von Boxen sagen auch nicht ohne Weiteres etwas darüber aus, wie laut sie verzerrungsfrei - spielen - können. Auch kann man einem Lautsprecher oder seinen technischen Daten nicht ansehen, ob er einen sehr großen Raum, beispielsweise den Musiksaal einer Schule, hinreichend laut beschallen kann, möglichst noch in hoher Klangqualität. Lautsprecher muss man „nach Gehör“ kaufen.

Der Raum spielt mit

Der Zusammenhang von Hörraum, Lautsprecher, Lautsprecheraufstellung und Hörplatz ist kompliziert. Jeder Lautsprecher klingt in jedem Raum und in jeder Aufstellung anders. Auch die Stimme des Gesprächspartners ändert sich (sie verschlechtert sich allerdings nicht!), wenn er seinen Platz im Raum ändert.

Echte und falsche Räumlichkeit

Erfahrene Fachleute sehen eine geringe Raum-(und Aufstellungs-)abhängigkeit als wichtiges Merkmal eines guten Lautsprechers an. In der Tat: Einige außerordentlich impulstreue Boxen sind nicht nur in klanglicher Hinsicht „Spitze“, sondern auch außergewöhnlich „umgebungsunabhängig“. Je weiter der Hörer vom Aufstellungsort der Lautsprecher entfernt ist, desto stärker wird die Wiedergabe durch raumakustische Gegebenheiten beeinflusst und geprägt. Das ist bei sogenannten Indirektstrahlern besonders stark der Fall, die bekanntlich einen Teil des Schalls nicht direkt auf den Hörer, sondern „in alle Himmelsrichtungen“ abstrahlen. Ähnliche Verhältnisse können geschaffen werden, wenn Direktstrahler (sie sind so konstruiert, dass sie direkt auf den Hörer hin strahlen) gegen eine Wand gerichtet werden, so dass unter Umständen der Anteil des reflektierten Schalls erheblich größer als bei direkter Abstrahlung ist.

Bei Indirektstrahlern kann Musikwiedergabe sehr luftig, losgelöst vom „Kasten“, räumlich klingen. Allerdings ist diese Räumlichkeit nur selten aufnahmespezifisch. In der Regel ist sie lautsprecher- und hörraumtypisch: Alle Aufnahmen werden auf einen ganz bestimmten Räumlichkeitseindruck hin nivelliert.

Einige Hersteller bieten Kugellautsprecher an. Sie strahlen in etwa rundum ab und können hübsche akustische Effekte erzeugen. Mir ist kein marktgängiger Kugellautsprecher bekannt, der es in klanglicher Hinsicht mit „normalen“, gleich teuren Modellen aufnehmen kann.

Direktstrahlende Boxen sind meist weniger raumabhängig. Zumindest ist die von ihnen reproduzierte Räumlichkeit aufnahmetypischer als die von Indirektstrahlern.

Da die akustischen Zusammenhänge zwischen Lautsprecher und Raum sehr komplex sind, können sie in der Regel nicht hinreichend mit Klangeinstellern am Verstärker (oder gar an der Box) überlistet werden. Mitunter werden Equalizer zur „Einpegelung des Lautsprechers auf den Raum“ empfohlen. Vorsicht!

Inwieweit Raum und Lautsprecher eine akustische Einheit bilden, also gemeinsam am klanglichen Ergebnis einer Wiedergabe beteiligt sind, wird am Beispiel der Basswiedergabe deutlich. Sie ist umso stärker, je mehr die Box „eingepackt“ ist:

Box steht ...
  • in einer Raumecke auf dem Boden
    -> Basswiedergabe ist am stärksten
  • in einer Raumecke, etwas erhöht an oder dicht vor einer Wand (Schrank),
    oder in ein Regal „eingepackt“
    -> Basswiedergabe ist nicht so stark
  • frei im Raum auf dem Boden
    -> Basswiedergabe ist noch schwächer
  • frei im Raum, auf Podest oder Sockel
    -> Basswiedergabe ist am schwächsten
Bass und Bass ist Zweierlei

Nur in wenigen Fällen erscheint die Basswiedergabe mit zunehmender Stärke zugleich auch sauberer, präziser, impulstreuer. In der Regel wird sie bumsiger, und die unteren Mitten erscheinen verdickt, weniger transparent. Es mulmt. Klavierwiedergabe schwimmt.

Eine Ursache für die Bassanhebung ist das Entstehen von Resonanzen (Aufschaukelung von Frequenzen, „Tönen“). Sie können, je nach Raum und Boxenaufstellung, in unterschiedlichen Frequenzbereichen („Tonlagen“) auftreten und nehmen im Allgemeinen mit steigender Lautstärke zu.

Resonanzen können auch auftreten, wenn die Boxen an einer Wand montiert sind oder auf Möbeln stehen. Die durch solchen Körperkontakt verursachten Resonanzen rufen mitunter erhebliche Klangverfälschungen hervor, weil sie zugleich in mehreren Frequenzbereichen angesiedelt sein können und sich dem (ohnehin vorhandenen, ebenfalls resonanzbedingten) Eigenklang auch guter Lautsprecher hinzumischen. Die gleiche Wirkung haben (mit)schwingende Fußböden, Wände, Decken und andere große „Flächen“.

Vorsicht! Hohlraum!

Noch nachhaltiger als Körperschall können sich Resonanzen auswirken, die in Hohlräumen entstehen. Nischen sind ebenfalls oft ebenso kritische Aufstellungsorte wie Regale, die nicht (rund um die Box herum!) gefüllt sind. Auch sollte der Regallautsprecher nicht tief drinnen im Regal stehen, sondern mit seiner Vorderfront fluchten.

Es gibt gewitzte Möbelhändler, die in ihren Wohnzimmerschränken „Lautsprecherfächer“ vorsehen. Leider machen sie oft die Dummheit, solche Fächer mit Lochblech oder einer gelochten Holzplatte zu versehen, damit man den Lautsprecher als solchen nicht sehen kann. Lautsprecher, die man nicht sieht, sind nicht hörenswert. Wer seine Boxen hinter dichten Vorhängen versteckt, sollte seine Schallplatten auf der Anlage seines Freundes hören, der sich gegenüber der Hausfrau besser durchsetzen konnte.

Problematisch sind vor allem unkontrollierbare Resonanzen, wie sie (bei hohen Lautstärken) mitschwingende Möbel und Glasscheiben erzeugen. Auch abgehängte Decken, Holzverkleidungen und ähnliche „Hohlraumresonatoren“ können den Raum zum akustischen Problemfall machen.

Die Raumresonanz (Grundresonanz des Raums) ist ein Faktor, mit dem man leben muss, weil er sich nicht vollkommen verhindern lässt (im Wohnraum!). Es ist dies der Frequenzbereich, in dem der Raum als solcher, bzw. die Luft in ihm, ähnlich einer Orgelpfeife schwingt, und zwar kräftig. Die Raumresonanz liegt im Bassbereich.

Ihre Frequenz (Resonanzfrequenz des Raums, „Eigenton des Raums“) ist um so kleiner (d.h. der Resonanzton ist umso tiefer), je größer das Volumen des Raums ist. Und je tiefer sie liegt, desto weniger stört sie in der Regel. Deshalb – und aus anderen Gründen – ist die Basswiedergabe in großen Räumen oft wesentlich besser als in kleinen.

Problematische Resonanzen

Wird ein Raum auf seiner Resonanzfrequenz angeregt, so ist er nicht gleichmäßig mit Schall „gefüllt“. Vielmehr entstehen an unterschiedlichen Stellen Schwingungsbäuche (da ist's fürchterlich) und Schwingungsknoten (dort ist's erträglich). Wie die Verteilung der Schallenergie im Einzelnen „aussieht“, hängt vom Raum und der Lautsprecheraufstellung ab. Wichtig: Plattenspieler sollten nicht in einem Schwingungsbauch stehen.

Das Resonanzverhalten eines Raumes hängt außer von seiner Größe auch von seiner Form ab. In würfelförmigen oder zigarrenkistenartigen (geringe Fläche, große Höhe oder große Fläche, geringe Höhe) Räumen klingen nur sehr gute Lautsprecher annehmbar. Unproblematisch sind meist asymmetrische Räume. Hierzu gehören solche mit L-förmigem Grundriss oder nicht rechtwinklig aufeinander stehenden Wänden bzw. Decken. Bei L-förmigem Grundriss können, wenn einer der beiden Stereolautsprecher im „Durchgang“ steht, die Ungleichheiten zwischen rechtem und linkem Kanal durch den Balance-Einsteller des Verstärkers ausgeglichen werden. Klangregler sollten mit Vorsicht betätigt, bei impulstreuen Boxen grundsätzlich „vergessen“ werden.

Dämpfung ist wichtig

Auch die sogenannte Dämpfung wirkt sich auf die Raumakustik aus. Allgemein (und verkürzt) gilt: Je weicher ein Material ist, desto weniger reflektiert es den Schall (im oberen Frequenzbereich, im Hochtonbereich), desto stärker dämpft es. Folglich ist ein Raum um so mehr bedämpft, je mehr Teppiche, Vorhänge, Wandbehänge, Polstermöbel, offene Bücherregale (und Menschen) sich in ihm befinden.

Wenig bedämpfte Räume führen ein reichhaltiges akustisches Eigenleben. Hier klingt Musikwiedergabe oft etwas hallig, verfälscht (verfärbt). Ist der Raum zu stark gedämpft, erscheint die Wiedergabe zwar unmittelbar und direkt, aber auch etwas matt. Für impulstreue Lautsprecher sind ziemlich stark bedämpfte Räume „ein Fressen“. Hier können sie dem mit geschlossenen Augen Hörenden eine nahezu perfekte „Illusion der Wirklichkeit“ vermitteln, sofern der Tonmeister sie nicht bereits bei der Aufnahme kaputtgefiltert, wegbegrenzt oder verhallt hat.

Ganz allgemein zeigt die Erfahrung, dass Betonbauten grundsätzlich akustisch problematischer sind als solche in Ziegel- oder Bimsstein. Am wenigsten Schwierigkeiten machen Holzhäuser.

Lautsprecheraufstellung ausprobieren

In gewissem Umfang lassen sich Raumresonanzen durch eine zweckmäßige Plazierung der Lautsprecher verringern. Die vorstehenden Darlegungen geben Hinweise darauf. Letztlich kommt man aber ums Ausprobieren nicht herum.

Qualifizierte und kundenorientierte Fachhändler überlassen zu diesem Zweck dem Kaufinteressenten für einige Tage zwei oder drei Lautsprecherpaare, die bei den Hörvergleichen im Studio als Favoriten in die engere Wahl genommen worden sind. Auch die benötigte Elektronik bzw. Programmquelle wird er zur Verfügung stellen. Ein Service dieser Art steht allerdings in umgekehrtem Verhältnis zum Preisnachlass.

Ärger mit den Interferenzen

Bisweilen treten ausgeprägte Klangverfälschungen im Bereich der musikalischen Mitten auf, oder die Wiedergabe klingt etwas hart, gepresst, spitz. Hieran sind nicht ausschließlich Resonanzen schuld, sondern auch Interferenzen: Anhebungen oder Auslöschungen von Frequenzen. Sie können durch reflektierende Materialien verursacht werden, die sich in bestimmter Entfernung vom Mittel- oder Hochtonchassis (Chassis nennt der Techniker den eigentlichen Klangerzeuger, hier für die mittleren und die hohen Frequenzen) befinden. Viele Lautsprecher erzeugen von sich aus Interferenzen, zum Teil durch eng benachbarte Chassis hierbei ist der Vorgang der Erzeugung der Interferenzen etwas anders, aber der [hörbare] Effekt ist dergleiche.

Aufstellungsbedingte Interferenzen sind um so weniger zu erwarten, je freier eine Box steht. Beträgt der Abstand zwischen Box und reflektierender Wand fünfzig Zentimeter und mehr, so ist in der Regel das Problem gelöst.

Lautsprecher stellen oder legen?

Abstrahlverhalten und Klangqualität eines Lautsprechers hängen unter Umständen auch davon ab, ob er in waagerechter oder senkrechter Stellung betrieben wird. In der Regel bestehen Lautsprecher heute aus einem oder mehreren Tieftönern (Tieftonchassis), Mittel- und Hochtönern. Wenn die Chassis in einer geraden Linie angeordnet sind, kann folgender Effekt auftreten: Steht die Box senkrecht (die Chassis liegen dann übereinander, der Hochtöner meist zuoberst), dann wird der Hörraum in seiner Breite gut beschallt. Liegt die Box quer, dann wird er besser in der Senkrechten beschallt. Im Normalfall sollten die Lautsprecher stehen. Diese Erfahrungsregel ist um so wichtiger, je größer die Boxen sind.

Mehrweglautsprecher (Lautsprecher mit getrennten Chassis für die verschiedenen Frequenzbereiche) sollten nach Möglichkeit so aufgestellt werden, dass der Mitteltöner (bei Dreiwegsystemen ist dies das mittelgroße Chassis) etwa in Ohrhöhe des (sitzenden) Zuhörers ist. Stehen die Lautsprecher wesentlich höher oder tiefer, so kann man sie entsprechend neigen.

Abschließend noch einige „Erfahrungswerte“, die bei den Vorüberlegungen zur Lautsprecherwahl weiterhelfen können:
  • Großflächige Mittel- und Hochtöner, wie sie zum Beispiel elektrostatische Systeme darstellen können, haben einen relativ kleinen „Öffnungswinkel“: Sie strahlen den Schall stark gerichtet ab. Werden sie nicht exakt (vertikal und horizontal!) auf den Hörplatz ausgerichtet, so fehlt es der Wiedergabe an Obertönen. Da viele solche Systeme sehr impulstreu sind, wirkt sich das weniger als Klangverfälschung aus, jedoch erscheint die Wiedergabe unter Umständen etwas matt und arm an Brillanz.
  • Können Lautsprecher ziemlich frei im Raum aufgestellt werden, dann sollten auch Elektrostaten (Kondensatorlautsprecher) eingeplant werden.
  • Auch großflächige „normale“ Lautsprecher (mit sogenannten dynamischen Chassis, wie sie Trichter- und Kalottensysteme darstellen) sollten möglichst frei im Raum stehen.
  • Aktivlautsprecher und Elektrostaten müssen außer an den Verstärker noch an eine Steckdose angeschlossen werden. Das erscheint manchem HiFi-Interessent zu umständlich, aber eine Hörprobe kann gegebenenfalls den Umstand vergessen lassen.
  • In der Regel „klingt es besser“, wenn die Lautsprecher an der Breitseite des Raums stehen, also entlang der kurzen Raumachse strahlen.
  • Eine Erfahrungsregel sagt, dass Lautsprecher nach Möglichkeit vom weniger gedämpften in den stärker gedämpften Teil des Raums „arbeiten“ sollten.
  • Der „optimale Hörpunkt“ (da ist die Rauminformation, der räumliche Eindruck, am präzisesten) ist zwar immer noch die Spitze des „Stereodreiecks“ Die Entfernung zwischen den beiden Lautsprechern, die sogenannte Stereobasis, soll etwa so groß sein wie die (jeweilige) Entfernung eines Lautsprechers vom Hörplatz. Aber bei impulstreuen Lautsprechern spielt das keine große Rolle mehr.
  • Wird die Stereobasis zu breit, so entsteht ein (akustisches) „Loch in der Mitte“: Das Klangbild zerfällt. Ist die Basis zu klein, so lassen Räumlichkeit und Ortbarkeit zu wünschen übrig.
  • Aufstellungsbedingte Bassüberhöhungen lassen sich mitunter etwas verringern, wenn man die Lautsprecher „auf den Kopf stellt“. Dann ist das Hochtonchassis (das kleinste) zuunterst und das Tieftonchassis zuoberst.
  • Die Sauberkeit der Basswiedergabe (das ist mehr als nur eine starke Basswiedergabe) ist im Allgemeinen umso größer, je massiver (dichter) die „Unterlage“ ist. Beton und Ziegelsteine sind deshalb bessere Sockel als „Lautsprecherbänkchen“ oder Holzpodeste.
  • Werden Lautsprecher an der Wand montiert oder in Regalen untergebracht, so sollte der „Körperkontakt“ verringert werden, zum Beispiel durch „Luftbeutel“ (Verpackungsmaterial für empfindliche mechanische Geräte) oder durch Moosgummipolster.
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1.2 - Wie kann man sich informieren?


Nach den Vorüberlegungen zur Bedeutung, technischen Konzeption und Aufstellung einer Anlage ist die Zeit gekommen, den Markt gezielt zu sondieren. Auch hierbei muss der Lautsprecher als qualitätsentscheidende Komponente im Mittelpunkt stehen. Am Ende dieser Phase sollten einige Modelle „auf dem Papier“ aussondiert sein, die den eigenen Vorstellungen am ehesten zu entsprechen scheinen. Kaufentscheidungen sind bis dahin noch nicht gefallen, aber vorbereitet.

Prospekte und technische Daten

Als Informationsquellen bieten sich Prospekte an und technische Daten, wie sie von Herstellern veröffentlicht werden. Welche Bedeutung diesem Material beizumessen ist, wird an anderer Stelle ausführlicher erörtert.

Eine renommierte und weit verbreitete Informationsquelle stellen Gerätetests dar, wie sie von verschiedenen Institutionen bzw. in verschiedenen Zeitschriften veröffentlicht werden. Wer um die Aussagefähigkeit auch „neutral und objektiv“ überprüfter Daten weiss, und wer den jeweils spezifischen „Charakter“ von Tests und Testberichten einmal durch eigene Hörvergleiche, sozusagen am eigenen Ohr, erfahren hat, versteht, dass diese Informationen lediglich Orientierungshilfen geben, keinesfalls aber jemanden auf ein bestimmtes Fabrikat oder Modell festlegen können.

Testveröffentlichungen

Jede Institution, jede Zeitschrift praktiziert andere Testmethoden. Jede Methode hat ihre Vorzüge, aber auch ihre Fehlerquellen. Kein ernstzunehmendes Organ erhebt den Anspruch, absolute oder auch nur hinreichend objektive Aussagen über die tatsächliche Klangqualität – das ist etwas anderes als technische Qualität – eines Geräts zu machen. Die Ernsthaftigkeit und Seriosität einer Testveröffentlichung ist unter anderem daran zu erkennen, ob der Leser darüber informiert wird, unter welchen Bedingungen die Hörvergleiche stattgefunden haben, welche Programme („Musiken“), Programmquellen, Verstärker und Umschalteinrichtungen verwendet wurden, und ob es sich bei den Probanden (Testgeräten) um Labormuster, um Serienprodukte eines Herstellers oder um „Blindkäufe“ aus einem Fachgeschäft handelte. Die Dokumentation von Messprotokollen vermag den Anspruch der Objektivität zwar zu unterstreichen, nicht aber immer zu erfüllen.

Um in Anbetracht dieser Gegebenheiten zu einer sinnvollen Interpretation von Testveröffentlichungen zu gelangen, bedarf es sowohl ihrer regelmäßigen Lektüre als auch des eigenen, kritischen Hörvergleichs der getesteten Modelle. Nur so wird man feststellen, in welchem Ausmaß die jeweiligen „Testsieger“ oder Favoriten den eigenen Vorstellungen von Klangqualität entsprechen.

Mit den Ohren stehlen

Eine weitere Möglichkeit der Orientierung besteht im „Stehlen mit den Ohren“: Man besuche Verwandte, Freunde und Bekannte, die gute Anlagen (zu) besitzen (glauben), und höre kritisch, wie unterschiedlich „naturgetreue Musikwiedergabe“ klingen kann. Zweckmäßigerweise führt man diese Hörproben mit gleichem Programm, also mit eigenen Tonträgern durch, damit wenigstens ein> Testfaktor- konstant bleibt. Eventuell kommt es dabei zur Begegnung mit einem überzeugenden („umwerfend“ sagen die HiFi-Fans) Lautsprecher, der nicht nur den eigenen klanglichen Zielvorstellungen entspricht, sondern sogar bezahlbar ist. In dieser Phase können auch bereits in verschiedenen (!) HiFi-Studios erste „unverbindliche“ Hörproben stattfinden. Ein Tip dazu: In der Regel sind nicht diejenigen Studios die qualifizierten, die den Interessenten mit einem „Riesenangebot“ – verunsichern. Auch hier gilt, daß sich der Meister in der Beschränkung (auf das in den verschiedenen Preisklassen jeweils Günstigste) zeigt, und das ist zahlenmäßig nicht viel.

Ganz wichtig: Hören lernen!

Diese Orientierungsreise durch die HiFi-Landschaft hat einen weiteren Sinn: Sie soll, zumal den Neuling, den Unerfahrenen, auditiv sensibilisieren. Auditive Sensibilität (man könnte auch von Hörbildung sprechen) bedeutet, dass man „Gespür“ für klangliche Unterschiede hat, dass man sich ein Urteil über die Qualität einer Anlage zutrauen kann.Beispielsweise ist es wichtig zu erkennen, ob ein Lautsprecher nur schön klingt oder ob er auch verfärbungsfrei Musik wiedergibt, ob er „nur“ einen „naturgetreuen Klang“ reproduziert, oder ob er „musikalisch“ ist, ob er Musikerlebnisse hervorrufen kann. Diese erheblichen Unterschiede in der Klangqualität lassen sich noch nicht objektivieren (in technischen Daten erfassen), man kann sie nur „erhören“, Eine wichtige Voraussetzung dazu ist auditive Sensibilität. Sie lässt sich regelrecht erlernen, aber nur durch Hören.

Es erscheint sinnvoll, zu diesem „Hör-Kurs“ einen kundigen Lehrer zu engagieren. In der Regel sind erfahrene HiFi-Freunde gern bereit, einen HiFi-Anwärter bei seinen ersten Hörproben durch gezielte „Beobachtungshinweise“ auf wichtige Unterschiede und Besonderheiten aufmerksam zu machen. Wer einen regelrechten HiFi-Fan oder gar einen Berufsmusiker im Freundeskreis hat, ist natürlich in einer besonders günstigen Situation. Es gibt sogar Fachhändler, die ein bewundernswertes Geschick entwickelt haben, den potentiellen Kunden ohne jegliche Manipulation (auf dieses oder jenes Gerät hin) für die klanglichen Qualitäten und Unterschiede von Anlagen zu erschließen.

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1.3 - Den „richtigen“ Lautsprecher heraushören


Im Allgemeinen ist die Orientierung umso intensiver und zeitaufwändiger, je höher das angestrebte klangliche Niveau ist. Irgendwann ist dann die Zeit gekommen, da die zielstrebige Auswahl des Lautsprechers den Beginn des Anlagenkaufs einläutet.

Lautsprechertests im eigenen Wohnraum

Die Phase der Lautsprecherwahl besteht im Wesentlichen aus Hörvergleichen, zunächst im HiFi-Studio, dann im eigenen Wohnraum. Es ist nämlich nicht sinnvoll, sich ausschließlich auf Hörtests im Studio zu verlassen und Boxen zu kaufen, die man nicht in den eigenen vier Wänden einer ausgiebigen „musikalischen“ Überprüfung unterziehen konnte. Es geht also darum, beim Fachhändler zwei oder drei Modelle sozusagen in die engere Auswahl zu küren, die den eigenen Zielvorstellungen und Ansprüchen zu entsprechen scheinen. Zur „Endrunde“ im eigenen Hörraum sollten Modelle ausgewählt werden, die zwar insgesamt überzeugen können, aber in einigen klanglichen Details voneinander abweichen, oder die sich als etwas programmabhängig erweisen.

So ist es zweckmäßig, eine hell und eine dunkel timbrierte Box dem „Wohnraumtest“ zu unterziehen, oder eine vordergründig und eine entfernt klingende, oder eine mit schlankem und eine mit voluminösem Klangbild. Erlebt man im Studio einen Lautsprecher, der die klanglichen Erwartungen sogar übertrifft, aber auch über die gesetzten Ziele (Preis und Design) hinausschießt, so sollte auch dieser beim Test im eigenen „Musikzimmer“ zur Verfügung stehen. Er kann zumindest, sozusagen als Qualitätsnormal, als Referenzeinheit, die Entscheidung für das eine oder andere Modell erleichtern. Unter Umständen revidiert man sogar die ursprünglichen Ziele, indem man sich zunächst mit einer einzigen Programmquelle zufriedengibt oder an der Elektronik Abstriche macht oder gar noch eine Weile anspart, um in den Genuss des „wirklich besten“ Lautsprechers (der Testreihe) zu gelangen.

Freund hört mit

Mitunter erscheint es ratsam, zusätzlich zur im Studio getroffenen Auswahl auch solche Boxen in den heimischen Hörvergleich einzubeziehen, die man bei Freunden und Bekannten als bemerkenswert empfunden hat. Da die Besitzer verständlicherweise am Test beteiligt werden (wollen), ergibt sich der Vorteil einer vergrößerten“Jury“, Dadurch können beim Testen neue Gesichtspunkte und Beurteilungskriterien in den Blickpunkt des gequälten Wählers rücken. Dass zu diesen „Sitzungen“ auch die engagierten „Hörkurs-Lehrer“ eingeladen werden, versteht sich von selbst. Solche „Mammutbesetzungen“ bei Hörvergleichen können den unerfahrenen HiFi-Aspiranten mitunter verunsichern. Auch wenn das nicht der Fall sein sollte, die letztendliche Kaufentscheidung muss das Ergebnis intensiver Langzeitvergleiche im engsten Familienkreise sein. Denn die Familie muss mit der Anlage leben, nicht der Freundeskreis. Und Lautsprecherqualitäten sind nun einmal letztlich subjektiv empfundene Werte. Einen Normhörer gibt es nicht, also auch keinen Normklang.

Sollte keines der Studiomodelle, sondern der Außenseiter vom HiFi-Freund das Rennen machen, so wird der qualifizierte Fachhändler auch diesen Lautsprecher beschaffen können. Unter Umständen verlängert sich dann die Lieferzeit etwas.

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Der Weg zum Lautsprecher

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1.4 - Müssen Lautsprecher so aussehen?


Oft werden der Klangqualität einer Anlage durch das sogenannte Stilgefühl enge Grenzen gesetzt. Insbesondere die Lautsprecher verursachen weithin hausfrauliches Un- oder Missbehagen, weil sie „den Wohnraum verschandeln“, Offenbar befinden wir uns hinsichtlich des Anspruchs an die äußere Gestalt dieses Geräts auf einer Entwicklungsstufe, die das Auto längst überwunden hat: Bei den ersten Benzineseln orientierten sich die „Designer“ noch am überkommenen Vorbild; ihre Modelle sahen aus wie eine „Chaise ohne Pferd“. Nach einer langen Phase der formalen Spielerei und des Suchens ähneln sich heute die Modelle so sehr, dass man mitunter schon genau hinschauen muss, will man Hersteller und Modell erkennen.

Nicht die Einfallslosigkeit der Designer hat zu dieser Uniformierung geführt, sondern der Zwang zur technischen Perfektionierung: Die Funktion eines Geräts (oder Gefährts) bestimmt seine Form. Aerodynamische Erfordernisse erzwingen regelrecht jenen gleichförmigen Zuschnitt, will ein Fabrikat nicht in wesentlichen Qualitätsmerkmalen (z.B. Seitenwindstabilität, sparsamer Verbrauch) von seinen Konkurrenten überrundet werden.

Probleme mit Kisten und Kästen

Wenn heute die Mehrzahl der Lautsprecher wie ein Kasten aussieht, so mag das zum Teil daran liegen, dass der Kasten die „konsequente Weiterentwicklung“ der vorgängigen Formen „Radio“ und „Musikschrank“ zu sein schien. Eine Ursache kann auch darin gesehen werden, dass Radio und Musikschrank, von wenigen Ausnahmen abgesehen, durchweg im Stil des Gelsenkirchener Barock prangten, statt als technisches Gerät eine eigenständige Form zu besitzen.

Dass Lautsprecher weithin, vor allen von aktiven Hüterinnen der Häuslichkeit, als Fremdkörper einer Einrichtung angesehen werden, liegt nicht zuletzt auch darin begründet, dass sie eben „auf Möbel getrimmt“ worden sind. In der Tat zeugen die üblichen Kistchen und Kästen nicht gerade vom Einfallsreichtum der Designer, ganz abgesehen davon, dass Würfel- oder Quaderform ohnehin eine akustisch denkbar schlechte (aber billiger!) Lösung für ein Lautsprechergehäuse darstellen. Wagt es jedoch ein Hersteller, mit neuartigen und funktionsgerechteren Materialien und Formen den üblichen Kasten zu überwinden, so stößt er auf Vorurteile: „So sieht doch kein Lautsprecher aus!“ Sie bezeugen, dass wir die Kisten haben, die wir verdienen.

Vorurteile über Technik und Kultur

Wenn Lautsprecher nicht „wie Lautsprecher“ aussehen, wenn Material und Form des Gehäuses funktionsgerecht sind, wenn der Technik nicht das akustisch unpassende Mäntelchen des „schönen“ oder „unauffälligen“ Möbels umgehängt wird, sondern das Gerät formal zweckmäßig und damit ästhetisch prinzipiell sinnvoll ist, stößt es oft auf den Widerspruch ausgerechnet jener „Stilbewussten“, die den üblichen Kasten als Stachel im süßen Fleisch der Wohnkultur ablehnen. Kisten wollen wir nicht. Sind aber Lautsprecher keine Kisten, sind es keine Lautsprecher. Was also wollen wir?

Eine unterschwellige Barriere gegenüber dem Lautsprecher mag auch jenes anerzogene, (bildungs-)historisch gewachsene Vorurteil sein, Kultur sei eine (gute) Sache, Technik eine andere; indem Technik und Kultur zwei verschiedenen Lebensbereichen angehörten, zerstöre ein technisches Gerät, hier der Lautsprecher, die „Wohnkultur“. Die Form eines (wirklich guten) Klaviers oder eines (Stutz-)Flügels liegt sicherlich außerhalb der Bandbreite dessen, was man normalerweise als „Möbel“ toleriert. Allerdings haftet diesen Instrumenten nicht (mehr) der Makel des Technischen an. Hier wurde die funktionsbedingte Form (inzwischen weithin) akzeptiert. Ob dabei im Lauf der Zeit die Gewöhnung an eine überkommene Form oder die Einsicht in ihre technische (!) und klangliche Notwendigkeit die ursprünglichen Widerstände abgebaut hat, hängt sicherlich stark vom soziokulturellen Standort des Besitzers ab. Manche akzeptieren diese Instrumente als „Möbel“ nur deshalb, weil sie in bestimmten Schichten und Kreisen die Qualität eines Statussymbols haben.

Und hier schließt sich der Kreis: Lautsprecher, auch und zumal solche mit „ungewöhnlichen“ Formen, werden erfahrungsgemäß recht „hemmungslos“ von jenen HiFi-Anwärtern gekauft, denen es in der Hauptsache um Musik geht – und von jenen, die eine Anlage aus vorwiegend irrationalen Gründen (Sozialprestige, Spieltrieb, das Kind im Manne, Kompensation, Verdrängung) angehen, sofern ihnen räumliche Gegebenheiten und finanzielle Möglichkeiten einen kompromisslosen Kauf zulassen. „Probleme mit den Lautsprechern“ haben vor allem jene, für die eine HiFi-Anlage „ein besseres Radio“ darstellt, das „man heute einfach haben muss“.

Es wird wahrscheinlich noch eine Weile dauern, bis Lautsprecher, auch und zumal funktionsgerecht gestaltete, schlechthin und vorurteilsfrei akzeptiert werden. Allerdings wird es ein grundsätzliches Dilemma bleiben, dass sie in der Regel erst nachträglich zu bestehenden Einrichtungen gekauft werden. Dadurch ergeben sich natürlich Grenzen für eine zweckmäßige Unterbringung oder Aufstellung. Wohl dem, der mit der Anschaffung der Wohnzimmereinrichtung zugleich auch eine HiFi-Anlage angeht. Aber was macht er, wenn im Rahmen einer Verbesserung neue Lautsprecher ins Haus stehen?

Eigenständige Formen als „harmonische Kontraste“

Es mag vermessen erscheinen, in diesem Zusammenhang Ratschläge erteilen zu wollen. Die folgenden Hinweise sind denn auch mehr als Denkanstöße gedacht. Sie beruhen auf jahrelangen Erfahrungen mit vielen Lautsprechern in vielen Wohnungen. Die durchscheinende Wertung ist selbstverständlich auch hier subjektiv.
  • Je mehr ein Lautsprecher „unauffällig“ oder „versteckt“ angebracht oder aufgestellt ist, desto mehr fällt er in der Regel auf.
  • Je mehr man einen Lautsprecher hinsichtlich Material, Form und Farbe bestehenden Einrichtungen anzupassen versucht, desto stärker kann er u.U. als Fremdkörper wirken.
  • Stilvolle Einrichtungen (darunter verstehe ich nur sehr bedingt Einrichtungen mit sogenannten Stilmöbeln) vertragen Lautsprecher, insbesondere funktionsgerecht gestaltete, besser als konfektionierte.
  • Je mehr formale Eigenständigkeit ein Lautsprecher hat, und je weniger man diese zu vertuschen sucht, desto stärker wird seine Qualität als Möbel.
  • Regalboxen fallen weniger auf, wenn sie hinsichtlich Holzart und Farbe einen Kontrast zum Regal bilden.
  • Standlautsprecher sollten sich nicht nur aus akustischen, sondern auch aus optischen Gründen „frei entfalten“ können.
  • Ist es tatsächlich unzumutbar, „ungewöhnliche“ oder ungewöhnlich große Lautsprecher zum Musikhören „zurechtzurücken“, sie ansonsten aber „passender“ unterzubringen?
  • Ist es tatsächlich ästhetisch sinnvoll, ein technisches Gerät (den Lautsprecher) um alles in der Welt mittels (meist miserabler oder gar nur vorgetäuschter) Furniere „auf Holz zu trimmen“, statt ihm in technischem Design Eigenständigkeit und damit die Qualität eines Möbels zuzubilligen?
Bei Verstärkern und Tunern hat sich inzwischen der technische Look durchgesetzt; hier ist die Holzkisten-Ära offenbar überwunden. Hier schlägt das Pendel zum anderen Extrem aus; denn nur wenige Geräte erscheinen technisch zweckmäßig und ästhetisch sinnvoll gestaltet: Weniger wäre mehr. Aber immerhin! Und die Lautsprecher?

Woran erkennt man funktionsgerechte Formen?

Für den Laien ist es oft schwer, einem Lautsprecher anzusehen, ob er funktionsgerecht gestaltet ist, oder ob technisches Blendwerk vorherrscht. Leider gehen die meisten Lautsprecherhersteller im Hinblick auf das kritische Auge der weiblichen Kaufmitbestimmer viele Kompromisse ein, bei denen ein Gutteil Klangqualität regelrecht im Kasten bleibt. Im Folgenden einige Orientierungshilfen:
  • Lautsprechergehäuse, insbesondere Schallwände (auf ihr sind die Chassis montiert), sollten so massiv wie möglich sein. Beton, Marmor, Aluminiumdruckguss und spezielle Materialien, wie sie für Plattenspielerzargen verwendet werden, sind besser als Holz oder Spanplatten. Hochwertige Lautsprechergehäuse haben Wandstärken von fünfundzwanzig und mehr Millimetern.
  • Je tiefer ein Lautsprechergehäuse ist, desto günstiger sind die Voraussetzungen für eine saubere Basswiedergabe.
  • Unsymmetrische Gehäuse sind bessere Voraussetzungen für eine saubere Basswiedergabe als symmetrische. Die nötige Unsymmetrie kann allerdings auch im Inneren eines äußerlich symmetrischen Gehäuses gesichert sein.
  • Eigentlich sollten Mittel- und Hochtöner an „Freilufthaken“ hängen: Je weniger Material (Schallwand) sich in der Nähe der Membranen bzw. Kalotten befindet, desto günstiger sind die Voraussetzungen für eine interferenzfreie Abstrahlung.
  • Rundumstrahlende Systeme können ihre Qualitäten nur dann voll entfalten, wenn sie nicht eingebaut sind, sondern möglichst frei stehen. Vorsicht bei anderer Bauweise!
  • Zur Sicherung eines guten akustischen Phasengangs werden Chassis oft versetzt angeordnet.
  • Zur Vermeidung von Einbauresonanzen und Interferenzen sollte die Schallwand um die Mittel- und Hochtöner so klein und weich wie möglich sein. Je bündiger die Schallwand mit dem Chassis abschließt, z.B. bei eingepassten Chassis, desto vorteilhafter.
  • Flächenstrahler müssen zur Verbesserung der Richtcharakteristik gekrümmt oder gefaltet sein und zudem möglichst frei stehen.
  • Lochblech (vor Mitte1- und Hochtönern) ist akustisch schlechter als Drahtgeflecht. Das gilt auch für die Frontabdeckung des ganzen Lautsprechers.
  • Protzige und „technisch-solide“ wirkende Metallrahmen um (zumal Hoch- und Mittelton-)Chassis sind oft nur optisches Beiwerk, das kräftig den Klang verfälschen kann (Einbauresonanzen und Interferenzen!).
  • Sogenannte Diffusoren vor Hochtönern können zwar die Schallverteilung verbessern, aber mitunter auch Resonanzen bzw. Interferenzen verursachen.
  • Klangverfälschend wirken auch meist „hübsche“ oder „stilvolle“ Holzgrille vor der Schallwand. Vorsicht also bei Lautsprechern mit „Stil“.
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Anmerkungen zum HiFi-Markt

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2 - Anmerkungen zum HiFi-Markt


Das Image der HiFi-Branche ist zwiespältig. Die Skala der Einschätzung reicht von „vertrauenswürdig“ und „ernstzunehmend“ bis zu „Halsabschneiderei“, „Leuteverdummung“ und „Spinnerei“. In diesem schillernden Bild drückt sich unter anderem die Ratlosigkeit des Endverbrauchers gegenüber Produkten aus, deren Aufbau, Wirkungsweise, Funktionen und Qualitätsmerkmale er nicht mehr zu durchschauen vermag.

Seine Unsicherheit wird nicht zuletzt durch widersprüchliche Veröffentlichungen hervorgerufen bzw. verstärkt. Einen Teil der Schuld trägt allerdings die Branche selbst.

In der Tat, angesichts mancher Zusammenhänge und Entwicklungen auf Seiten der Industrie und Hersteller könnte selbst der engagierte HiFi-Freund das Vertrauen gegenüber der Branche und die Lust an der High-Fidelity verlieren, gäbe es nicht ab und zu einen Lichtblick.

Das möchte ich beispielhaft in einer Skizze des Lautsprechermarktes darzulegen versuchen. Sie beruht auf einer etwa zehnjährigen kritischen Beobachtung und persönlichen Erfahrung als Musik- und HiFi-Freund, als Tester, Gutachter und Veranstalter von HiFi-Seminaren. Obwohl sie nicht „wissenschaftlich“ belegt ist, kann sie, glaube ich, dennoch dem weniger Eingeweihten wertvolle Orientierungshilfen geben.


2.1 - Phänomene des Lautsprechermarktes


Der Versuch, den Markt nach qualitativ befriedigenden und preiswerten Lautsprechern „abzuklopfen“, gestaltet sich zu einem Abenteuer besonderer Verzwicktheit und Delikatesse. Immerhin buhlen derzeit rund eintausend (oder sind es schon mehr?) Modelle um die auditive Gunst des HiFi-Konsumenten: Tausendmal High-Fidelity gemäß DIN 45500, naturgetreue Musikwiedergabe in jeweils firmenspezifischer Ausprägung.

Daran wird deutlich, wie problematisch Begriff und Norm der High-Fidelity vor allem bei dem Glied der Übertragungskette sind, das letztendlich „die Musik macht“. Immerhin lässt sich durch Hörvergleiche feststellen, dass Lautsprecher mit fast gleichen technischen Daten unter gleichen Hörbedingungen recht unterschiedlich klingen. Schließlich ist erwiesen, dass einige Lautsprecher, die in üblicherweise ermittelten Messdaten von anderen Typen überrundet werden, in klanglicher Hinsicht letzteren deutlich überlegen sind. Offensichtlich sind die derzeit üblichen Methoden der Objektivierung von Lautsprecherqualitäten unzulänglich.

Aber offenbar lebt die Lautsprecherindustrie sehr gut auf der Grundlage solcher Unzulänglichkeiten; denn von einer LautsprecherBaukrise kann nicht gesprochen werden: In schöner Regelmäßigkeit kommen neue Lautsprecher auf den Markt, machen sich Jung-Ingenieure und leitende Angestellte selbständig, werden Arbeitnehmer zu Unternehmern.

Noch mehr Hersteller, noch mehr Typen

Das Establishment des Lautsprecherbaus wechselt und verbessert – ähnlich der Autobranche – zumeist einmal im Jahr seine Typen. Und jeder Typenwechsel wird in der Regel eingeläutet als konsequente Anwendung neuer, epochemachender, manchmal vielleicht auch „nur“ bedeutsamer Fortschritte in der Anwendung physikalischer, technologischer und hörphysiologischer Erkenntnisse.

Im Zusammenhang mit dem Typenwechsel muss auch die Vergrößerung der Typenzahl gesehen werden: Unter dem Zeichen neuer Technologien wird statt einer einzigen eine Mehrzahl von Typenreihen produziert, nach Aussagen der Hersteller oft auf unterschiedlichem Qualitätsniveau. Innerhalb einer Reihe sind die einzelnen Typen wiederum qualitativ abgestuft. Andere Hersteller beschränken sich darauf, erkennbar nur eine Typenreihe zu produzieren, diese dann aber, mitunter von Jahr zu Jahr, mehr und mehr zu differenzieren. Jedenfalls steigt von Jahr zu Jahr die Zahl der Lautsprecherhersteller und Lautsprechertypen.

Alte Hüte von der Stange

Der Fortschritt im Bereich der Lautsprecherentwicklung ist, verglichen mit anderen Bereichen der Nachrichtentechnik, gering. Es gibt zwar einige Lautsprecherhersteller, die im Verlauf der letzten zehn Jahre mit echten technischen Neuerungen aufwarten konnten, aber mehr als 90% beschränken sich darauf, Konfektionsware herzustellen, indem sie überkommene technische Konzepte mit vorgegebenen Bauelementen realisieren. Das schließt nicht aus, dass die Lautsprecherfertigung, vom Vertrieb ganz zu schweigen, sich auf wesentlich höherem Modernitätsstand abspielt. Statt die Lösung der komplexen und komplizierten Lautsprecherprobleme in der Entwicklung neuer Wandler oder neuer, übergreifender technischer Konzepte zu suchen, polieren die „Konfektionäre“ an den Randzonen des Lautsprechers herum: sie verbessern zwar einige Details, bewegen sich aber grundsätzlich in ausgefahrenen Gleisen. Auch sogenannte professionelle Abhörsysteme machen hier keine Ausnahme; vielmehr scheint in diesem Bereich die Zufriedenheit mit dem Erreichten so groß zu sein, dass die Qualität heimüblicher HiFi-Lautsprecher heute mitunter höher ist als die von Studioabhörlautsprechern.

Einige Hersteller realisieren überkommene technische Konzepte, die inzwischen weltweit Rezeptcharakter bekommen haben, da man sie immer wieder auf zwei oder drei Grundformen oder zwei, drei Autoren zurückführen kann. Andere sondieren den ausgeuferten Chassismarkt und bemühen sich, „Spezial-Chassis“ mit mehr oder weniger stereotypen Gehäuse-, Dämpfungs- und Weichenkonzepten zu optimieren.

In der Beschränkheit zeigt sich der Meister

Kennzeichnend für den theoretischen Horizont und technologischen Weitblick vieler Konfektionäre ist auch, dass sie sich aus der Fülle der Lautsprecherprobleme ein einziges herauspicken und es sozusagen isoliert von den anderen zu lösen versuchen. Dabei werden wesentliche Zusammenhänge unberücksichtigt gelassen:
  • Man verbessert Impulstreue und Wirkungsgrad von Lautsprechern durch Hornsysteme und nimmt die horntypischen Verfärbungen in Kauf, die durch (notwendigerweise!) unbedämpfte Hohlraumresonanzen im Horn entstehen.
  • Zur Verbesserung der Basswiedergabe benutzt man Sandwich-Systeme, deren Reichtum an Teilschwingungen den Mitteltonbereich verdickt und verschmiert.
  • Zur Linearisierung des Amplitudenfrequenzgangs konstruiert man mit hochwertigen Chassis Drei- bis Fünfweg-Lautsprecher, deren Frequenzweichen den Phasenfrequenzgang verschlechtern.
  • Richtcharakteristik, Wirkungsgrad und Belastbarkeit werden durch Hoch- und Mitteltonkalotten verbessert. Dass der Klang dann ggf. eine typische Härte und Schärfe erhält, ist offenbar nebensächlich.
  • Um im Hochtonbereich mit der schwingenden Masse fertig zu werden, benutzt man sogenannte Ionenhochtöner, die wegen ihres geringen Wirkungsgrades mit einem Horn ausgestattet werden müssen (siehe oben!).
  • Auch bei Aktivboxen wird in der Regel der technische Stand von vor zwanzig Jahren nicht überschritten, worauf übrigens der Markt in Anbetracht der gestiegenen Qualität einfacher und billiger Lautsprecher mit deutlicher Zurückhaltung gegenüber Aktivboxen reagiert. Mit den überkommenen Konzepten von Aktivlautsprechern lassen sich prinzipielle Wandlerfehler nicht hinreichend kompensieren.
  • Statt zu versuchen, Fehler der Wandler zu beheben oder konsequent zu kompensieren, werden z.B. durch Vergrößerung des Indirektschalls akustische Effekte erzeugt, die nur bedingt „Naturtreue“, aber stärkere klangsinnliche Reize bewirken und den unkritischen Hörer regelrecht übertölpeln.
Wahnsinnsleistungen

Dass zumindest der konventionelle Lautsprecherbau in eine „Endphase“ geraten ist, geht auch aus der Leistungsmanie von Lautsprecher- und Verstärkerherstellern hervor. Gewiss besteht ein Zusammenhang zwischen der elektrischen Leistung, die einem Lautsprecher zugeführt wird, und klanglichen Kriterien, etwa der Qualität der Basswiedergabe. Aber bei solchen Kompensationsversuchen stehen technisch-finanzieller Aufwand und klangliches Ergebnis oft in keinem vernünftigen Verhältnis mehr, abgesehen von problematischen Erscheinungsformen breitbandiger Verstärker mit enorm hohen Sinusleistungen.

Natürlich klingt eine Mini-Kompaktbox beim heutigen Stand der Impulsbelastbarkeit von Schwingspulen an einem 100W-Verstärker besser als an einem 20W-Verstärker. Aber für den Mehrpreis des Verstärkers kann man auch einen Lautsprecher kaufen, der an einem 20W-Verstärker besser klingt als die Kompaktbox an einem 100W-Verstärker.

Werbeschnickschnack

In merkwürdigem Gegensatz zum Erfindungsniveau oder Theoriedefizit stehen die Verlautbarungen und Versprechungen mancher Hersteller. Über den technisch zwar interessierten oder aufgeschlossenen, letztlich
aber doch unkundigen Konsumenten schwappt eine Woge quasi- und pseudowissenschaftlicher Argumente. Sie hebt ab auf die technologische Gut- und Abergläubigkeit vieler Hif'i-Interessenten ebenso wie auf Datenfetischismus, Prinzipienreiterei und Testgläubigkeit.

Dabei ist nicht immer zu erkennen, in welchem Ausmaß Werbetexter wortschöpferisch tätig waren oder nur Fachbegriffe schlecht übersetzt worden sind. Auch bleibt offen, inwieweit die Entwickler von der Bedeutung und Richtigkeit der herausgestellten „Fortschritte“ überzeugt sind. Jedenfalls werden in der Regel Änderungen mit Neuerungen und diese mit Weiterentwicklungen identifiziert, die ihrerseits als Argumente für bessere Klangqualität herhalten müssen.

Prospekt-Nonsens

Wie anders wären Torheiten wie die folgenden zu rechtfertigen, die ausnahmslos Zitate von Herstellerfirmen und Importeuren darstellen: „Impulsamplitudentrennung; periphonischer Lautsprecher; Duplextechnik; echter Studio-Monitor-Lautsprecher; Lautsprecher, die nach dem Prinzip des magnetischen Feldes arbeiten; das exakte Verhältnis von direkter zu indirekter Schallenergie; keine punktförmige Schallquelle mehr; exakte Ausbalancierung aller Frequenzanteile gleichmäßig über den Hörraum; minimalster Klirrgrad; zweidimensionale Lautsprecherbox; ultrakompakte Bauweise; freischwingende Randaufhängung; ohne kritische Überlappung in den Grenzfrequenzen; akzentuierte Höhenwiedergabe; Lochblech für verlustfreie Höhenabstrahlung; beneidenswert wattstark; Klangdynamik; das richtige Direktions-Indirektions-Verhältnis der Schallabstrahlung; die zwei nach einem aufwändigen Verfahren asymmetrisch konstruierten Boxen eines ... Lautsprecherpaares reproduzieren – kommunizierend – das geschlossene, homogene, teilweise indirekte und doch ortbare Klangbild großer Aufführungsräume natürlich und klangneutral in Ihr Heim (dies ebenso, wenn größtmögliche, aber auch wenn minimale Schallstärkenabgabe erwünscht wird).“

Es gibt nur wenige Gebiete, auf denen die Suche nach Findelsatiren, nicht einlösbaren Versprechungen, technischem Nonsens, hochgespielten Kinkerlitzchen und Begriffsmagie so fündig ist wie das der Lautsprecher- und Waschmittelreklame. Dass es bei beiden Produkten um Sauberkeit geht, ist sicherlich mehr als ein Zufall. Abgesehen davon ist es aufschlussreich, bei solchen Werbetexten nicht nur den Inhalt, sondern auch den Stil zu studieren, der nach Schopenhauer „die Physiognomie des Geistes“ ist: „Da schreiben sie, wie bezahlte Lohnlakaien, hastig hin, was sie zu sagen haben, in den Ausdrücken, die ihnen eben ins ungewaschene Maul kommen, ohne Stil, ja ohne Grammatik und Logik.“ (Schopenhauer) Man kann es auch in der Muttersprache der High-Fidelity ausdrücken: „How every fool can play upon the word.“?

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2.1.1 - Hersteller konventioneller Lautsprecher


Es ist reizvoll, zwischen Herstellern konventioneller und Herstellern neuartiger Lautsprecher zu unterscheiden. Als neuartig sollen Lautsprecher gelten, die nach neuen Prinzipien (z.B. Regelung) arbeiten oder völlig neu entwickelte Wandler als Lautsprecherchassis enthalten (z.B. Geschwindigkeitsformatoren).

Versuch einer Charakterisierung

Im Bereich der Hersteller konventioneller Lautsprecher – oder soll man sagen, im Bereich der konservativen Lautsprecherhersteller? – kann man in etwa zwischen folgenden Gruppen unterscheiden:
  • Optimierer,
  • Macher,
  • Klangmagier,
  • Systemfetischisten,
  • Testtüchtige,
  • Kopisten,
  • Dezibelogen.
Die Übergänge zwischen den einzelnen Gruppen sind fließend: Nicht bei jedem Lautsprecher oder Hersteller lässt sich mit Sicherheit sagen, in welcher Gewichtung die Charakteristika der einzelnen Gruppen bei ihm zutreffen. Mit Sicherheit darf aber gesagt werden, dass es auch idealtypische Vertreter dieser oder jener Gruppe gibt.

Diese Einteilung ist natürlich nicht wissenschaftlich belegbar; sie beruht lediglich auf einer langjährigen und intensiven, aber persönlichen Beobachtung von Markt und Marktentwicklung. Trotzdem halten viele Kenner der HiFi-Szene sie für zutreffend und nützlich; nützlich auch deshalb, weil vieles von dem, was hier zum Bereich „Lautsprecher“ angemerkt wird, auch Aufschluss gibt über die Marktstrategie von Herstellern anderer Geräte.

Optimierer erstreben höchste Klangqualität

Nur einige Firmen trachten ernsthaft danach, mit hochwertigen, speziellen und detailverbesserten Bauelementen nach grundsätzlich konservativen Konzepten kompromisslos Lautsprecher auf Klangqualität zu optimieren. Kompromisslos sind sie dabei beispielsweise in der Verwendung statischer Kondensatoren und hochwertiger Dämmstoffe sowie in der Wahl des Gehäusematerials und seiner Stärke. Form und Größe des Gehäuses sind in erster Linie eine Funktion der technisch-akustischen Notwendigkeiten; das gilt auch für die Frontbespannung. Die technische Funktion bestimmt die Rohform, die dem Gestalter vorgegeben wird.

Dass bekannte Verfahren verfeinert werden, beispielsweise das Bassreflexprinzip, liegt durchaus im Bereich der Konfektion und wirkt sich in der Regel klanglich vorteilhaft aus. Jedenfalls wird an den Produkten der Optimierer deutlich, welch hohe Klangqualität heute mit konventionellen Bauelementen und Konzepten erreichbar ist. Lautsprecher dieser Hersteller sind quasi die positiven Ausreißer aus der Konfektionsklasse. An ihnen werden Anspruch und Wirklichkeit der technischen Neuerungen zu messen sein.

Charakteristisch für Lautsprecher dieser Herstellergruppe ist, dass sie weniger deutlich Präferenzen für unterschiedliche Arten und Genre der Musik aufweisen, als dies beim Gros der konfektionierten Lautsprecher der Fall ist.

Optimierer gehen in der Masse unter

Dem Anspruch der akustischen Optimierung widerspricht die Produktion einer stark differenzierten Typenreihe. Folglich stellen die Optimierer jeweils nur eine oder zwei, im Höchstfalle drei verschieden Typen her. Und tatsächlich repräsentiert auch nur eine Type das klangliche Optimum.

Insgesamt gesehen stellen die Optimierer keinen Marktfaktor dar. Ihr Angebot geht quantitativ in der Masse der Konfektionsware im gleichen Maße unter, wie es sich qualitativ von ihm abhebt. Deshalb wird ihnen offenbar von den Marktführern (noch?) kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Dass diese wettbewerbliche Narrenfreiheit den meist kleinen Firmen zugutekommt, liegt auf der Hand.

Da sie sozusagen handwerklich fertigen und sowohl wegen des qualitativen Anspruchs als auch wegen geringer Stückzahlen relativ hohe Kosten haben – die Vertriebsprobleme einmal außer acht gelassen –, liegen sie mit ihrem Gestehungspreis überdurchschnittlich hoch. Lautsprecher der Optimierer sind folglich, gemessen an vergleichbaren Kriterien (Gehäusevolumen, Chassisbestückung, Belastbarkeit, Verarbeitungsqualität), teuer.

An den Erzeugnissen der Optimierer wird die Berechtigung der konventionellen Lautsprecher deutlich: Würden derart konsequent entwickelte Lautsprecher von den fertigungs- und vertriebstechnischen Giganten der Branche unter sinnvoller Verringerung der Typenzahl auf den Markt gebracht, so könnten sie zu erschwinglichen Preisen angeboten werden und insgesamt die Qualitäts-Preis-Relation auf dem Lautsprechersektor verbessern.

Macher beschränken sich auf ein Riesenangebot

Eine den Optimierern entgegengesetzte Einstellung zum HiFi-Lautsprecher und zum Konsumenten verrät die Gruppe der Macher. Es sind jene Hersteller, die mit einer Vielzahl von Modellen den Markt überfluten. Sie erheben den Anspruch, die Masse der Anlagenbesitzer zu befriedigen.

Ihr Lautsprecherprogramm erscheint in sich akustisch derart nivelliert, dass die Wahl zwischen diesem oder jenem Modell oft nicht mehr vorwiegend nach klanglichen Kriterien, sondern nach sekundären Gesichtspunkten getroffen werden kann, etwa nach der günstigen Unterbringung des Lautsprechers im Wohnraum.

Charakteristisch für viele Macher ist auch, dass sie verschiedene Typenreihen auflegen. Diese Typenreihen sollen, gemäß Absicht der Hersteller, unterschiedliche Klangvorstellungen verwirklichen oder zu unterschiedlichen Anwendungszwecken geeignet sein. Mit anderen Worten: Man produziert bewusst unterschiedliche oder unterschiedlich starke Verfärbungen, baut bewusst Lautsprecher für unterschiedliche Programme oder Abnehmer. Es gibt Lautsprecherhersteller, die alles, was ihr Werk verlässt, einem einzigen Einkaufring zugehen lassen. Früher gab es Reihen „in Preisbindung“ und „frei“. Dass alle Reihen den Anspruch auf HiFi-Qualität erheben und messtechnisch in der Regel auch erfüllen, ist nicht zu leugnen. Allerdings werden der Begriff der HiFi-Fidelity und seine messtechnische Definition durch solche Phänomene zweifelhaft.

Macher machen den Markt. Das gilt allerdings nur in quantitativer Hinsicht. Unter klangästhetischen Gesichtspunkten betrachtet sind sie von den Spitzenerzeugnissen anspruchsvoller Hersteller oft weit entfernt. Ab und zu schwingt sich ein Macher dazu auf, aus Imagegründen einen wirklich guten Lautsprecher auf den Markt zu bringen. Warum das Spitzenfabrikat dann mitunter doch den Qualitätsstandard der Optimierer nicht ganz erreicht, bleibt offen: Reicht der Qualitätsstandard der verwendeten Bauelemente nicht aus? Hat man „falsche“ klangliche Zielvorstellungen? Welchen Einfluss auf das Produkt nehmen die Entscheidungsträger außerhalb der Entwicklungsabteilung des Unternehmens? Hat man zuviele Kompromisse machen, sich dem Diktat der Vertriebsabteilung beugen müssen?

Klangmagier verkaufen Sound

Die Klangmagier sind so alt wie die Branche. Irgendwann ist es ihnen einmal gelungen, einen guten Lautsprecher zu bauen und, das ist wesentlich, seinen Klang zu mystifizieren. Sie kreierten „ihren“ Sound und machten für ihn sozusagen Absolutheitsansprüche geltend: Damals wie heute, in der Regel mit zumindest bauernschlauen Argumenten, etwa: „Unsere Lautsprecher werden weltweit als Abhörmonitore bei der Musikproduktion verwendet. Nur über unsere Lautsprecher hört der Musikfreund genauso wie der Aufnahmeleiter“. Dass der über seine Monitore gegebenenfalls falsch hört, und dass der Musikfreund nicht unbedingt einen Lautsprecherklang, sondern eine Andeutung von Musik goutieren will, liegt offenbar außerhalb des Horizonts der Klangmagier.

In klanglicher Hinsicht sind die „Ergebnisse“ der Klangmagier in der Regel „schön“. Das bedeutet, dass ein Lautsprecher ein gefälliges und angenehmes Klangbild produziert, dass alle Aufnahmen gleich schön, glatt und angenehm klingen. Diese Lautsprecher schmeicheln der Musik, sie verschweigen gleichermaßen aufnahmetechnische Fehler und Glanzleistungen. Sie nivellieren, produzieren Sound. Mehr sollen sie wohl auch nicht, denn Sound ist eine Form der Mystifikation, die die Klangmagier systematisch betreiben. So unterscheiden sich denn die verschiedenen Typen eines Klangmagiers weniger hinsichtlich klanglicher Kategorien, sondern mehr hinsichtlich der Belastbarkeit und des erzeugbaren akustischen Pegels.

Ein Charakterisitikum der Klangmagier ist, dass sie ihren Sound nicht ändern. Aus Imagegründen können sie ihn schließlich nicht ändern, ohne ihren Charakter als Klangmagier zu verlieren, ohne sich ad absurdum zu führen. Ein weiteres Charakteristikum der Klangmagier ist bisweilen der Kult, der mit firmeneigenen Bauteilen getrieben wird. Er dient z.T. dazu, die eigene wirtschaftliche Position durch Zuliefererfunktion – zumal für reiche Bastler – zu stärken, z.T. dazu, den technischen Laien mit überzeugenden, wenn auch nicht stichhaltigen Argumenten für den Kauf der eigenen Ware zu überreden.

Ausgetüftelte Werbung

Die Zweckrationalität des Entwicklungs-, Fertigungs- und Vertriebskonzepts wird in der Irrationalität der Verkaufsargumente deutlich: Man verkauft nicht nur Sound, sondern reiht den Käufer ein in die große und renommierte Schar der „X-Besitzer“. Man verkauft Sozialprestige, Lebensqualität, Nimbus. Der Hersteller garantiert, dass die Angst, falsch gekauft zu haben, nicht aufkommen kann, indem er auf die Unbeirrbarkeit oder Unfehlbarkeit der Masse jener Konsumenten hinweist, die seine Lautsprecher besitzen. Er spricht das Kind im Manne an, den Spieltrieb, den Ehrgeiz: Man kennt diese Verkaufsstrategie.

Klangmagier produzieren in erster Linie nicht Lautsprecher für einen Markt, sondern bereiten vor allem den Markt für ihre Produkte auf. Dabei gelingt es ihnen, in fast allen Preisklassen vertreten zu sein. Dies schließt jedoch nicht aus, dass sie allen Käufern das Gefühl vermitteln, durch den Erwerb ihres Lautsprechers in die „HiFi-Oberschicht“ vorzustoßen.

Systemfetischisten glauben ans Ei des Kolumbus

In mancherlei Hinsicht den Klangmagiern verwandt sind die Systemfetischisten. Auch sie bemühen sich um eine Trendsetterfunktion, zielen dabei aber (oft) im Wesentlichen auf die Ansprüche und Möglichkeiten der obersten sozioökonomischen Schicht. Auch sie erheben den Anspruch, das Qualitätsnormal schlechthin zu produzieren. Dabei verweisen sie darauf, dass ihnen die Lösung eines Problems gelungen sei, was sich aber bei genauerer Betrachtung als ein zu unangemessener, ja zentraler Bedeutung aufgebauschtes Detailproblem entpuppt. Als ob der komplexe technische Zusammenhang „Lautsprecher“ durch einen einzigen „Kunstgriff“ zu bewältigen wäre!

Während Klangmagier hinsichtlich der verwendeten Wandler und Konzepte frei, bisweilen sogar kreativ erscheinen, sind Systemfetischisten in gewisser Weise stereotyp und steril. Zum Beispiel können sie auf einen ganz bestimmten Wandler fixiert sein. In Bann geschlagen von der scheinbaren Einmaligkeit und abgrundtiefen Wahrhaftigkeit einer irgendwann einmal erstellten und hochgespielten, in der Regel recht punktuellen technischen Untersuchung, versuchen sie die Lösung der Lautsprecher-Probleme einzig und allein durch die strikte Beachtung des vorgeschlagenen Lösungswegdetails. Eigentlich sind sie in technischer Hinsicht einseitig. Denn mehr noch als die Klangmagier sind sie an eine klangliche Zielvorstellung gefesselt, die letztlich durch ihr System unwandelbar und prädestiniert ist. Von Systemfetischisten können deshalb in der Regel keine bedeutenden klanglichen Fortschritte erreicht werden, zumindest heute nicht mehr. Immerhin sind Systemfetischisten hinsichtlich Anspruch und Wirklichkeit konsequenter und glaubwürdiger als Klangmagier; denn im Gegensatz zu diesen produzieren sie nicht haufenweise Lautsprechermodelle, sondern nur zwei, höchstens drei: In dieser Hinsicht sind sie den Optimierern verwandter als den Machern.

Die Klangqualität der Lautsprecher von Systemfetischisten ist, je nach dem Alter des Grundsystems, mittelmäßig bis gut. Einige Ausnahmen erreichen die Qualität von Optimierermodellen. In der Regel werden sie aber heute von moderneren und billigeren, auch kleineren Erzeugnissen anderer Hersteller erreicht, oft auch übertroffen. Das schließt nicht aus, dass Lautsprecher von Systemfetischisten in diesem oder jenem Punkt unschlagbar erscheinen, etwa im Wirkungsgrad oder in der Vortäuschung einer systemspezifischen, aber falschen Räumlichkeit. Die zweckmäßigste Lösung eines einzigen Lautsprecherproblems schafft eben noch keineswegs den kongenialen Lautsprecher.

Testtüchtige wissen, wer wie testet

Eine Position zwischen Klangmagiern und Machern nehmen die Testtüchtigen ein. Der Lautsprecherentwicklung liegt als Erfolgsparameter unter anderem die genaue Kenntnis aller Testfaktoren jener Zeitschriften zugrunde, denen Lautsprecher zum Test zur Verfügung gestellt werden, unter anderem
  • die Testmethode und die von ihr abhängige favorisierte Klanggestalt,
  • das Testmaterial und die Programmquellen,
  • die verwendete Elektronik,
  • die klanglichen Präferenzen ständiger Tester,
  • die akustischen Gegebenheiten des Testraums,
  • der Stellenwert, den man Messungen beimisst,
  • der Interpretationsrahmen akustischer Messungen.
Problematisch wird die Testorientiertheit dieser Hersteller vor allem dadurch, dass Testinstitutionen ggf. ihre Boxen vom Hersteller anfordern, statt sie als Testkauf im Facheinzelhandel zu erstehen. So nämlich lässt sich keineswegs ausschließen, dass im Test nicht Lautsprecher aus der Serie gefahren werden, sondern solche, die auf die Testsituation hin optimiert sind. (Der Branchenkundige hat ab und zu die Gelegenheit, seinen Verdacht verbal [z.B. vom Testleiter!] und durch Hörvergleiche zwischen Labormuster und Serienexemplar bestätigt zu bekommen.)

Gemessen an den klanglichen Qualitäten, die durch die Testumstände prädestiniert sind, besitzen die Lautsprecher der Testtüchtigen maßstabsetzende Spitzenqualität. Da die Breitenwirkung der Testtüchtigen in der Regel aufgrund der Werbewirksamkeit von Testveröffentlichungen überdurchschnittlich groß ist, ist die aufsteigende Tendenz solcher Hersteller nicht verwunderlich. Problematisch und entwicklungshemmend ist allerdings, dass gegebenenfalls (ungewollt) durch solche Hersteller zusammen mit Testzeitschriften ein Normklang institutionalisiert wird.

Kopisten kopieren Testsieger

Zur Sanktionierung des Normklangs tragen auch Kopisten bei, Hersteller, die sich an der Klanggestalt von Testsiegern orientieren und sie in ihren Produkten zu kopieren versuchen. Die Zweckhaftigkeit dieses Anspruchs steht für sich. Kurioserweise gibt es Kopisten, deren Entwicklungsleiter hinsichtlich ihrer Fachqualifikation ihren testtüchtigen Kollegen keineswegs unterlegen sind. Andere verwenden Bauelemente, mit denen man schon technisch Unsinniges anstellen muss, damit ihre guten Eigenschaften auf das vorbildliche Klangbild der Testtüchtigen hin „optimiert“ werden.

Dezibelogen glauben an Messdaten

Im Gegensatz zur steigenden Zahl der Testtüchtigen und Kopisten nehmen Zahl und Bedeutung der Dezibelogen ab. Dies gilt vor allem für den Bereich des privaten HiFi-Konsums. Im professionellen Bereich dagegen sind Dezibelogen Wort- und Marktführer.

Dezibelogen sind gewissermaßen die Positivisten und Materialisten unter den Lautsprecherherstellern. Sie halten scheinbar alles für mach- und messbar. Sie sind offenbar davon überzeugt, dass man die Fähigkeit eines Lautsprechers, aus elektrischen Signalen ein wenig „musikalische“ Information zu gewinnen, vollends objektivieren kann. Zu diesem Zweck arbeiten sie nach Messvorschriften, deren Trefflichkeit und Aussagewert gemäß ihrer Auffassung umso größer ist, je umfangreicher sie sind. Technische Neuerungen der Dezibelogen halten sich im Rahmen des in der Konfektionsklasse üblichen und dienen in der Hauptsache dazu, die durch den Datenrahmen vorgeprägten Klanggestalten zu manifestieren.

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2.1.2 - Hersteller neuartiger Lautsprecher


Im Gegensatz zu den bisher beschriebenen Lautsprecherherstellern sind Innovatoren darauf bedacht, durch die Entwicklung prinzipiell neuer Wandler oder durch die Realisierung von physikalisch-technischen Prinzipien, die bisher in der Elektroakustik noch keinen Eingang gefunden haben, bessere Klangqualität zu erreichen.

Die „Großen“ sind hier nicht groß

Ihre Zahl ist in den letzten Jahren, nachdem die Lautsprecherentwicklung über ein Jahrzent im Wesentlichen unfruchtbar geblieben ist, angestiegen. Eine Ursache dafür mag die stürmische Entwicklung der Konsumelektronik sein, die notwendigerweise irgendwann einmal den Qualitätsstandard der Lautsprecher problematisch machen musste. Ein Grund ist wohl auch in der Expansion und Erfolgsträchtigkeit des HiFi-Markts zu sehen, ein Faktor, der andererseits die Macher auf den Plan gerufen hat.

Gemessen an der Gesamtzahl echter Neuerungen sind renommierte und große Lautsprecherhersteller so gut wie gar nicht, und große Unternehmen der Elektronik nur schwach unter den Innovatoren vertreten. Offenbar fehlt es den Großen der Branche an wesentlichen Voraussetzungen für technische Kreativität. Vielleicht mangelt es am Mut, die herkömmlichen Lautsprecherkonzepte zu vergessen und sozusagen von vorn anzufangen. Es fällt offenbar schwer, unvoreingenommen und zielstrebig den Funktionskomplex „Lautsprecher“ neu aufzuschlüsseln und für diese Arbeit neue Methoden zu entwickeln.

Neuerungen der Großen erweisen sich mitunter als Zufallsprodukt, bisweilen als Nebenprodukt einer in andere Richtung tendierenden Entwicklung oder als halbfertige Weiterentwicklung der Arbeiten anderer. Halbfertig insofern, als Verkauf und Fertigung dem Entwickler die konsequente Optimierung der neuen Möglichkeiten einschränken; halbfertig auch insofern, als die Tragweite der geleisteten Vorarbeit nicht erkannt und dadurch die Möglichkeiten der neuen Technik nicht voll genutzt werden; halbfertig bisweilen auch, weil der Mut zur konsequenten Weiterentwicklung fehlt; halbfertig schließlich, weil zum Beispiel beim Transfer von Verfahren und Prinzipien, die in anderen Bereichen der Technik üblich sind, gegebenenfalls nicht berücksichtigt wird, dass diese Verfahren und Prinzipien entsprechend den Gegebenheiten und Notwendigkeiten des andersartigen Geräts „Lautsprecher“ modifiziert werden müssen.

Neues kommt von den Außenseitern

Die bedeutsamsten Neuerungen wurden von Außenseitern, nicht von Branchenangehörigen erfunden. Bemerkenswert ist, dass weitreichende und konsequente Entwicklungen von Persönlichkeiten vorangetragen wurden, die nicht in die Typologie des Lautsprecherentwicklers passen: sie gehören nicht zur Lautsprecherbranche, einige nicht einmal zum Wirtschaftszweig Elektrotechnik; manche entwickelten mit einem mess- und gerätetechnischen Existenzminimum, manche allerdings auch mit den Möglichkeiten eines naturwissenschaftlichen Forschungslabors.

Verkannte Genies

Bedeutenden Innovatoren gemeinsam und besonders bemerkenswert ist, dass sie nicht branchenkundige und branchenerfahrene Ingenieure oder Diplom-Ingenieure sind, sondern Physiker oder Mathematiker. Offenbar gelingt es ihnen am ehesten, unvoreingenommen die komplexen Funktionen eines Lautsprechers zu analysieren und von dieser Analyse ausgehend ein Wandlerkonzept abzuleiten, in dem die Möglichkeiten der modernen Technik optimal genutzt werden.

Sie haben es erfahrungsgemäß nicht leicht, den Markt aufhorchen zu lassen oder sich zu etablieren, weil zumeist neuartige Wandler oder Lautsprecher messtechnisch den konventionellen nicht oder nicht deutlich genug überlegen sind. Oft kommt hinzu, dass die Datengläubigkeit – bei Testern wie bei Technikern – umso ausgeprägter ist, je geringer Zuverlässigkeit und Gültigkeit der Messungen sind. Auch renommierte Lautsprecherkonstrukteure stellen bisweilen unter Beweis, wie unbedarft sie derartige Wandler oder Prinzipien prüfen, um gegebenenfalls Lizenzen zu erwerben.

Zum Beispiel wird ein neuartiger Mittelhochtöner mit guter Rundstrahlcharakteristik angeboten. Um seine Möglichkeiten voll zu entfalten, müsste er theoretisch freischwebend betrieben werden. Von einem lizenz-interessierten Hersteller, dessen Chefkonstrukteur bei Hörvergleichen (bei anderen Lizenznehmern) auf den Wandler aufmerksam geworden war und von ihm schwärmte, wird dieser Wandler dann gründlich und systematisch einer messtechnischen Prüfung unterzogen – im geschlossenen Gehäuse. Dass der Prüfling das kuriose Examen nicht besteht, wen wundert's? Mitunter werden neuartige Wandler oder Prinzipien verworfen, weil sie in einigen Details dem herkömmlichen Vergleichsobjekt unterlegen sind, obwohl sie insgesamt gesehen dieses eindeutig deklassieren. So kann es geschehen, dass ein akustisch exzellenter Hochtöner auch heute noch verworfen wird, weil in einer (dreißig Jahre alten) Untersuchung festgestellt wurde, dass sein technischer Urgroßvater beträchtliche Frequenzintermodulationsverzerrungen produzierte.

Neues verträgt sich nicht mit Altem

Eine Schwierigkeit besonderer Art tritt in der Regel dann auf, wenn neue Wandler mit herkömmlichen kombiniert werden: dann machen sich sogenannte Systeminkompatibilitäten bemerkbar. Unter Systeminkompatibilität oder Systemunverträglichkeit versteht man die Tatsache, dass nach unterschiedlichen Prinzipien arbeitende Wandler nicht harmonieren: Das klangliche Ergebnis einer Kombination unterschiedlicher Wandler ist schlechter als erwartet. Das Problem der Systemunverträglichkeit stellt sich bei fast allen neuartigen Lautsprechern, aber auch bei vielen konventionellen. Die Ursache hierfür ist u. a. darin zu sehen, dass unterschiedliche Wandler unterschiedliche systemspezifische Signaldeformationen produzieren, die die Impulsstruktur des Signals ändern und als ästhetisch unbefriedigend empfunden werden.

Auf der Kompatibilitätsproblematik bei der Verwendung unterschiedlicher Wandler beruht auch das Phänomen, dass ausschließlich mit dynamischen Systemen bestückte Boxen mitunter zufriedenstellender klingen können als Lautsprecher, in denen verschiedene Wandler verwendet werden, die für unterschiedliche Frequenzbereiche als optimal erachtet werden.

Schließlich haben Innovatoren auch noch auditive Barrieren zu überwinden: die ästhetische Bedeutung neuartiger Lautsprecher, die neuen Dimensionen der Klangqualität werden in der Regel zunächst nicht von Industrie und Handel erkannt. Vielmehr werden die ersten Umsätze oft mit Musikfreunden getätigt, die an der neuen Technik überhaupt nicht interessiert, stattdessen aber vom „neuen Klang“ angetan sind.

Nur wenige Fachverkäufer sind musikalisch so ambitioniert, dass ihnen die Vorzüge neuartiger Lautsprecher in die Ohren springen. Und nur wenige auditiv sensibilisierte Verkäufer verstehen es, den Wert des neuen Modells durch sinnvolle Vorführung dem Kunden zu erschließen. Hinzukommt, dass die vergleichende Vorführung mit solchen Lautsprechern länger dauert, weil meist auch der Kunde erst einmal an die klanglichen Vorzüge des neuartigen Systems herangeführt werden muss.

Hohe Anforderungen an die Präsentation

In technischer Hinsicht erfordern neuartige Lautsprecher, damit sie gegenüber konventionellen gewürdigt werden können, eine umsichtige Programmauswahl sowie die Verwendung extrem hochwertiger Signalquellen und Verstärker. Sind diese Bedingungen nicht erfüllt, wird der Unterschied zwischen konventionellen und hervorragenden neuartigen Lautsprechern zwar deutlich, aber die neuartigen Lautsprecher können nicht „zeigen“, wie weit sie den konventionellen überlegen sind. Der qualitative Abstand zwischen sehr guten konventionellen und sehr guten neuartigen Lautsprechern kann also durchaus durch eine mangelhafte Sorgfalt bei der Auswahl von Programm, Wandler und Elektronik nivelliert werden.

Beispielsweise sind nicht ausschließlich moderne, sondern auch ältere Aufnahmen zu verwenden, die, verglichen mit dem heute üblichen, mit relativ einfachen Mitteln erstellt worden sind und klanglich in jeder Hinsicht befriedigen. Im Gegensatz zu manchen technisch aufgeblähten Produktionen der letzten Jahre gewähren ältere Aufnahmen oft eine Unmittelbarkeit und Lebendigkeit des Klanggeschehens, die über gewisse Ungereimtheiten im Amplitudenfrequenzgang hinweghören lassen. Die besten neuartigen Lautsprecher führen Klangeinsteller ad absurdum. Selbst Programme, die in irgendwelchen Frequenzbereichen eine Anhebung oder eine Absenkung erfahren haben, müssen bei guten neuartigen Lautsprechern ohne Betätigung von Klangeinstellern wiedergegeben werden. Sobald nämlich ein frequenzabhängiges Glied in die Übertragungskette eingeschaltet wird, erscheint das Klangbild zwar gegebenenfalls etwas abgerundeter, aber auch deutlich steriler oder enger, gekünstelter, lautsprecherischer. Dieser Nachteil wird in der Regel vom kritischen und analytischen Musikhörer als gravierender empfunden als etwa ein verbogener Amplitudenfrequenzgang. Analoges gilt für die gehörrichtige Lautstärkekorrektur. Mit ihr lässt sich zwar der reproduzierte Klang schönen, aber er wird zugleich unnatürlicher, technischer.

Neue Kriterien der Klangqualität

Sehr gute neuartige Lautsprecher mit ausschließlich überkommenen Begriffen und Methoden testen und klassifizieren zu wollen, bedeutet, sie am kurzen Maßstab konventioneller Lautsprecher zu messen. In der Regel werden sie dann von „Bluffern“ konventioneller Bauart ausgepunktet. Manch einem mag zwar ein Kriterium wie „Musikalität“ wegen seiner nicht hinreichend objektivierbaren Qualität suspekt sein; aber sehr gute Lautsprecher werden künftig an solchen und ähnlichen Kriterien zu messen sein.

Bild
Automatisch Übertragungsfehler erkennen und beseitigen: Der vollbereichs-geregelte Aktivlautsprecher der „Zweiten Generation“ arbeitet mit mit speziell entwickelten (dynamischen) Chassis und einer aufwändigen Regel-Elektronik (Backes & Müller, Homburg)

Natürlich sind nicht alle neuartigen Lautsprecher konventionellen Modellen überlegen. Hüben wie drüben gibt es „Bluffer“. Auch mag manche Neuentwicklung mitunter Kinderkrankheiten besitzen, die sich in hoher Störanfälligkeit zeigen. Nur der qualifizierte HiFi-Fachhändler weiß hier auf der Grundlage seiner Erfahrungen die Spreu vom Weizen zu trennen. Doch davon abgesehen ist unbestreitbar, dass die bedeutsamsten, wegweisenden Entwicklungen im Lautsprecherbau von jenen Herstellern kommen, die den Mut haben, neue, unkonventionelle Wege zu beschreiten.

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Beitrag von Aktives Hören »

2.2 - Phänomene und Probleme des Fachhandels


Im Mai 1976 habe ich bei einem deutschen Händler einen exquisiten amerikanischen Vorverstärker gekauft. Im November trat ein Defekt auf, den ich aber selber beheben konnte. Der Verkäufer konnte bis heute kein Original-Ersatzteil beschaffen, bot mir jedoch „ersatzweise“ teurere Vorverstärker an. Natürlich gibt es auch honorige Hersteller: Sie produzieren weit überdurchschnittlich gute Geräte und machen deren (ggf. systembedingte) überdurchschnittliche Störanfälligkeit wett durch schludrige Reparaturen bzw. monatelange Schweige- und Wartezeiten. Es handelt sich meist um kleine, „neue“ Firmen, so dass zu hoffen ist, dass diese Missstände mit wachsender Etablierung der Firmen abgestellt werden. Ob das angeschlagene Image wieder aufpoliert werden kann?

Am anderen Ende der Fachhändler-Skala stehen die „Umsatzgewaltigen“. Sie verkaufen oder verramschen HiFi-Anlagen ebenso wie Küchengeräte, manche vorwiegend im Versandhandel (z.B. als sogenannte Paketanlagen), andere vorwiegend in einem „HiFi-Studio“, aber ohne sachgerechte Beratung oder Vorführung. Doch sind wenigstens ihr Geschäftsgebaren und ihr Service akzeptabel.

Existenzsorgen der Guten

Zwischen diesen Extremen sieht sich (vor allem) der „kleine“ und verantwortungsbewusste HiFi-Fachhändler vor konkrete Existenzfragen gestellt:
  • Welche Chance hat er, wenn Discounter und Kaufhaus am Ort Geräte billiger anbieten als er sie einkauft?
  • Wie kann er verhindern, dass ein HiFi-Interessent sich bei ihm beraten lässt, die ausgewählte Anlage aber beim Discounter kauft?
  • Welchen Zweck hat eine ausgiebige Beratung, wenn der „Musikfreund“ letztlich doch beim Konkurrenten in einer tieferen Qualitäts- und Preisklasse einsteigt?
Diese Probleme stehen offenbar im Zusammenhang mit einigen Entwicklungstendenzen der gesamten Branche:
  • Offensichtlich wird die Kalkulation des kleinen und mittelständischen Fach-Einzelhändlers durch die günstigere Kostenstruktur vieler „Massenumsetzer“ unterlaufen.
  • Offenbar steigt die Zahl jener Hersteller und Importeure, die ihre ehemaligen Wegbereiter im Stich lassen. Groß geworden, etabliert und renommiert, orientieren sie sich wohl ausschließlich am Umsatz. Sie beliefern die „Großen“ zu Konditionen, angesichts derer dem umsatzschwächeren Händler der Atem vergeht.
  • Manche Importeure und Hersteller sind zu einer Zusammenarbeit nur dann bereit, wenn der Händler ihre gesamte Produktpalette anbietet oder sich zur besonderen Propagierung ihrer Produkte oder zu einem Mindestumsatz verpflichtet.
Das Loch in der (qualitativen) Mitte

Durch solche Praktiken wird der (nicht immer beratungsintensive) umsatzstarke Händler belohnt und sein „kleiner“ Kollege dafür bestraft, dass er kundenorientiert und qualitätsbewusst arbeitet. Das verringert auf Dauer die Zahl jener Fachhändler, die gute Qualität und einen angemessenen Service bei der Kaufberatung anbieten können. Es trägt mit dazu bei, dass in Großstädten und Ballungsräumen „Großabnehmer“ den Markt in der Hauptsache mit „Konsum-HiFi“ absättigen, während dem kleineren Fachhändler kaum etwas anders übrig bleibt als in der sogenannten Topp-Klasse (mitunter zu Wahnsinnspreisen) sein Glück (bzw. den Dummen) zu suchen.

In der Provinz bzw. in Städten mit wenig HiFi-trächtigem Hinterland ist der kleine verantwortungsvolle Fachhändler noch stärker bedroht. Das Studio-Sterben hat eventuell im Gefolge, dass das Anspruchsniveau der breiten (potentiellen) Käuferschicht nicht mehr gehoben wird, sondern auf der Stufe der Konsumklasse stagniert.

Es ist ein Teufelskreis: Hersteller und Importeure beschweren sich, dass in der HiFi-Provinz die großen Umsätze bzw. die Umsätze mit sehr guten und entsprechend teuren Geräten ausbleiben. Sie sind aber kaum bereit, dem „kleinen“ qualitätsbewussten und kundenorientierten Fachhändler, der sich um die Aufbereitung des Hinterlandes bemüht, mit akzeptablen Konditionen den Rücken zu stärken. Durch hard selling beschleunigen sie das Aussterben jener meist kleinen Studios, die noch danach trachten, nicht nur viele, sondern zumal auch gute Anlagen zu vernünftigen Preisen zu verkaufen.

Infolgedessen ist es nicht verwunderlich, dass die Masse der „HiFi-Händler“ vorrangig jene Produkte an den Mann zu bringen versucht, die nicht unbedingt die beste QuaIitäts-Preis-Relation aufweisen, dafür aber den höchsten Gewinn (Bonus heißt die Devise!) abwerfen. Entsprechend sind dann auch ihre „Beratungs“-Methoden.

Angesichts dieser Situation kann es für den anspruchsvollen HiFi-Interessenten schwierig sein, einen vertrauenswürdigen und soliden HiFi-Fachhändler zu finden. Deshalb sollen zunächst einige generelle „Qualitätsmerkmale“ des guten HiFi-Fachhändlers aufgelistet werden. An anderen Stellen sind sie, in unterschiedlichen thematischen Zusammenhängen, konkretisiert.

Fachhändler-Qualitäten

Engagierte und sachkundige HiFi-Fachhändler profilieren sich in erster Linie durch Individualisierung der Beratung und Optimierung der Anlagen:

Individualisierung und Optimierung findet einen ersten Niederschlag in der Struktur des Angebots: Die „konfektionierte“ Anlage verliert ihre Bedeutung als Standardangebot, da sie in zunehmendem Maße zur Domäne der „Großen“ wird. Allerdings wird sie nie ganz aus dem kleinen und mittelständischen Facheinzelhandel verschwinden. Demgegenüber steigt (auch zahlenmäßig) der Stellenwert der qualitativ (klanglich!) hochwertigen Geräte, die für den jeweiligen Einzelfall optimiert werden können.

Mithin ist nicht der möglichst geringe Preis, sondern ein gutes Qualitäts-Preis-Verhältnis die Devise, mittels derer das Vertrauen potentieller Käufer geweckt und erhalten werden soll.

Individualisierung und Optimierung

Preiswürdigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, unter Berücksichtigung der Ansprüche, räumlichen Gegebenheiten und finanziellen Möglichkeiten des Interessenten eine klanglich optimierte Anlage (auf vorgegebenem Preisniveau) zusammenzustellen. Optimierung bedeutet, unter dem Gesichtspunkt der Preiswürdigkeit eine Anlage zusammenzustellen, deren Komponenten in ihrem „Zusammenspiel“ höchstmögliche Klangqualität (bei gegebenem Preisniveau) bieten.

Wesentliche Methoden zur Realisierung von Individualisierung und Optimierung sind
  • anspruchsorientierte und weitgehend produktneutrale, zumindest „produktoffene“ Beratung des Kaufinteressenten,
  • Optimierung, Installation und Wartung der Anlage,
  • permanente Information des Kunden und
  • adressatenspezifische Öffentlichkeitsarbeit.
Voraussetzungen zur Individualisierung und Optimierung sind:
  • eine hervorragende, aktuelle Kenntnis des Gerätemarktes, insbesondere auch der weniger bekannten, „unüblichen“ Fabrikate,
  • das Verständnis technischer Zusammenhänge, wie sie für die Optimierung von Anlagen wichtig sind,
  • die Fähigkeit, in Hörvergleichen unter Anlegung zumal musikalischer Kriterien gute Geräte aus dem Angebot der Hersteller herauszutesten,
  • die Fähigkeit, dem Kaufinteressenten durch solche Hörvergleiche die Qualität von Anlagen zu erschließen, ohne zu manipulieren, und
  • die Fähigkeit, adressatenspezifisch (zum Beispiel nicht hauptsächlich in der Tagespresse, sondern in „gruppenspezifischen“ Organen) zu werben und dabei weniger auf Technik und Geräte als vielmehr auf Musik und auf das Konzept der Individualisierung und Optimierung abzuheben.
Konsequenzen für Käufer

Hieraus ergeben sich weitreichende Konsequenzen für den HiFi-Anwärter: HiFi-Geräte sind beratungsintensive Produkte. Je höher das angestrebte Qualitätsniveau, desto größer der Beratungs-„Aufwand“, desto höher die Beratungskosten des Fachhändlers. Wer also glaubt, beim „ersten besten Rundfunkhändler um die Ecke“ oder gar auf dem grauen Markt „seine“ Boxen zu finden, kann – spätestens einige Wochen nach dem Kauf – böse Überraschungen erleben. (Ausnahmen bestätigen die Regel.) Solche Bezugsquellen können nur selten eine so durchdachte Auswahl anbieten, wie sie dem soliden Fachhändler zur Profilierung gereicht. Mitunter ist es auch unmöglich, außerhalb des spezialisierten Fachhandels an Fabrikate heranzukommen, die wirklich „interessant“ sind. Auch kann letztlich nur der qualifizierte Fachhändler den Service anbieten, der einen zufriedenstellenden Kauf sichert.

Vorsicht bei hohen Rabatten!

Wer den vollen Service eines guten HiFi-Studios in Anspruch nimmt, sollte nicht erstaunt sein, wenn die Preisnachlässe spärlicher als beim Discounter ausfallen. Service kostet Geld:

Eine teure Ladenmiete, ein Studio mit guter „Atmosphäre“, eine umfangreiche und teure Lagerhaltung (in den Regalen steht nicht alles, was der Händler geordert hat!); ein teurer Fachverkäufer; die langen Testsitzungen und Beratungsgespräche; die Wertminderung der zum „Haustest“ überlassenen Geräte; die Überstunden für den Fachberater, der die „Auswahlgeräte“ beim Kunden anliefert, aufstellt, gegebenenfalls einige Stunden mit hört und berät, die Testanlage wieder abbaut und in die Firma zurücktransportiert; der technische Kundendienst nicht nur in der Garantiezeit; die Kulanz, mit der er Anlagen zurücknimmt und anrechnet, wenn ein Kunde qualitativ aufstocken will. Und jeder Kunde hat einen Anspruch auf diesen Fachservice. Dass sich derartige Kundenorientiertheit in verminderten Rabatten niederschlägt, sollte auch ein Nichtkaufmann verstehen.

Ein großes oder ein gutes Angebot?

Nicht in jedem HiFi-Studio, mag es auch noch so renommiert sein, werden alle Lautsprecher zu finden sein, die sich in der Orientierungsphase als interessant erwiesen haben. (Oft lässt es sich nicht umgehen, mehrere Studios aufzusuchen, was in regionaler Abtönung recht schwierig sein kann.) Dieses Problem stellt sich umso schärfer, je höher die Qualitäts- und Preisklasse ist, in die einzusteigen der angehende HiFi-Freund geneigt ist. Denn nur wenige Studios führen mehrere Lautsprechermodelle, die zur „Spitzenklasse“ gezählt werden können.

Weniger ist oft mehr

Das anspruchsvolle Studio wartet in der Regel nicht mit sehr vielen, dafür aber mit guten und, leider, teuren Lautsprechern auf. In gewisser Weise kann man den Qualitätsanspruch eines Studios daran erkennen, ob es Lautsprecher anbietet, die nach unterschiedlichen technischen Prinzipien arbeiten, also nicht nur Kompaktboxen (das sind rundum geschlossene Lautsprecher, zumeist in Regalgröße), sondern auch Bassreflexboxen, Aktivboxen, Elektrostaten und andere Wandlersysteme.

Mit Vorsicht sind riesige Umschaltpulte zum Vergleich „mehrerer tausend Gerätekombinationen“ zu genießen. Wichtiger und für den Ratsuchenden ersprießlicher ist die Fähigkeit des Fachverkäufers, sich auf den Kunden einzustellen.

Überzeugen ist wichtiger als Überreden

Den fachkompetenten und kundenorientierter Verkäufer zeichnet unter anderem aus, dass er nicht spontan und unaufgefordert die Vorzüge und Nachteile ganz bestimmter Fabrikate und Modelle herausstellt, dass er Klangqualität nicht durch technische Daten zu belegen versucht, dass er gerade nicht den überlegenen Marktstrategen oder versierter Techniker herauskehrt, sondern dem Musikfreund Zeit widmet, Muße zubilligt zum Hören und Vergleichen. Der fähige Fachberater weiß, dass er ein weitaus überzeugenderes Argument hat, als das ein noch so technisch fundiertes oder auch nur eloquentes Einreden auf den Kaufinteressenten jemals darstellen könnte: die Hörprobe. Er wird nicht mit schönklingenden Reden beraten und überzeugen, sondern durch die Vermittlung von Musikerlebnissen.

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Objektivität bedeutet nicht Wahrheit

Beitrag von Aktives Hören »

3 - Objektivität bedeutet nicht Wahrheit


Und da es hier deutlich geworden ist, und weil es so viele Missdeutungengibt, sei es betont: Im Zusammenhang mit Messen bedeutet Objektivität Vergleichbarkeit, Freiheit von nicht erfassten subjektiven und situativen Bedingungen oder Einflüssen. Keinesfalls darf Objektivität ausgelegt werden als „ein hohes Maß an Wahrheit“.

Zudem müssen wir unterscheiden zwischen der Erhebungsobjektivität und der Interpretationsobjektivität. (Hier und im Folgenden werden Gütekriterien der empirischen Sozialforschung verwendet. Das ist zwar unüblich, m. E. jedoch bei der notwendigen Beachtung physikalisch-technologischer Aspekte einerseits und hörphysiologischer sowie wahrnehmungspsychologischer andererseits hilfreich und zweckmäßig.)

Erhebungsobjektivität ist garantiert, wenn die vorgeschriebenen Messverfahren eingehalten werden, wenn die technischen Daten auf vergleichbare Art und Weise erhoben werden. Interpretationsobjektivität ist gegeben, wenn alle Auslegungen oder Bewertungen der Messdaten nach gleichen Gesichtspunkten vorgenommen werden. Die Aussagekraft, die Gültigkeit von technischen Daten ist umso größer, je mehr Messergebnisse zur Beschreibung der (technischen!) Qualität eines Geräts herangezogen werden und je genauer diese Messergebnisse ermittelt worden sind. Der Fachmann spricht in diesem Zusammenhang von der Validität. Ein Messergebnis ist dann valide, wenn es tatsächlich etwas Treffendes aussagt über das Qualitätsmerkmal, das man durch Messen erfassen und beschreiben will.

Problem Nr. 1: Die Validität von technischen Daten

Übertragen wir den Begriff der Validität in unsere Ausgangsfrage, so lautet diese: „Wie groß ist die Validität technischer Daten im Hinblick auf die Klangqualität eines HiFi-Geräts?“ Der Umgang mit Daten einerseits und Geräten andererseits lehrt, dass, zumal bei Lautsprechern, technische Daten mehr über die technische Perfektion aussagen als über die klangliche Qualität. Darum: Wenn künftig von Validität die Rede ist, soll immer die Gültigkeit eines technischen Datums bezüglich der klanglichen Qualität eines Geräts gemeint sein; denn um musikalischer Erlebnisse willen werden die meisten HiFi-Stereoanlagen gekauft. (Es gibt allerdings auch Narren, die einen klanglich insgesamt schlechten Lautsprecher einem musikalisch überzeugenden Typ vorziehen, weil er einen 30-Hz-Sinuston von der Messschallplatte etwas lauter wiedergibt als das Modell mit dem „musikalischeren“ Klangbild: Der eine Lautsprecher reproduziert einen reinen Sinuston von 30 Hz mit etwas höherem Pegel, der andere reproduziert insgesamt Musik „naturgetreuer“, obwohl (?) er das schlechtere „Bassverhalten“ (??) hat.)

Unterschiedliche Validität bei unterschiedlichen Geräten

Untersuchen wir die Erfahrungen mit technischen Daten einerseits und mit der Klangqualität von HiFi-Geräten andererseits, so kommen wir zu folgenden (zusammenfassenden) Ergebnissen:
  • Die (musikalische) Validität technischer Daten ist von Geräteart zu Geräteart unterschiedlich: Bei rein elektronischen Geräten (Verstärker und Tuner) ist sie am höchsten. Am geringsten ist sie bei Wandler (Tonabnehmer und Lautsprecher).
  • Bei Receivern und Tunern ist die Validität im Hinblick auf Empfangs- und Trennschärfeeigenschaften größer als hinsichtlich der Klangqualität.
  • Bei rein elektronischen Geräten ist die Validität technischer Daten immerhin so groß, dass sich aus ihnen die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Qualitätsklasse ablesen lässt. Innerhalb einer Qualitätsklasse - wie immer man sie bezeichnen und abgrenzen will – können klangliche „Eigenarten“ ausschließlich aus technischen Daten nicht mehr abgeleitet werden.
  • Bei Wandlern, insbesondere bei Lautsprechern, sagen technische Daten so wenig über klangliche Qualitäten und Eigenschaften aus, dass sie oft nicht einmal eine Qualitätsklasse markieren. Es ist faktisch unmöglich, aufgrund technischer Daten das klangliche Erscheinungsbild eines Lautsprechers auch nur annähernd zu beschreiben.
Daten sind Halbwahrheiten

Die Gründe für die ungenügende Validität technischer Daten sind komplex. Es scheint so, als ob gerade deshalb von einigen Werbeleuten ein regelrechter Datenmythos aufgebaut würde; und bei einigen technischen Laien wird in der Tat ein beängstigender Datenfetischismus erkennbar. Beängstigend für den HiFi-Berater, denn Datenfetischisten sind weder wahrnehmungspsychologischen Argumenten zugänglich, noch sind sie bereit (oder fähig), sich Hörvergleichen anzuvertrauen. Beängstigend ist aber auch der Datenpositivismus vieler Entwickler und Ingenieure. Doch hier ist es vielleicht auch ein Ausbildungs-, besser gesagt, ein Bildungsproblem. Sowohl der Musikfreund als auch der HiFi-Fachberater sollten in groben Zügen verstehen, warum technische Daten und Konzepte allenfalls Halbwahrheiten dokumentieren.

Technische Daten bzw. ihre messtechnische Ermittlung beruhen auf kompromissbefrachteten Übereinkünften, Oft sind sie „demokratisch“ zustandegekommen. Übereinkünfte sind gewiss notwendig: Wie sonst sollte eine national oder international verbindliche Regelung darüber erreicht werden, was zu messen ist, wie diese oder jene Größe zu definieren ist, wie sie gemessen werden soll, wie dieses oder jenes Gütemerkmal messtechnisch angegangen oder erfasst werden soll. In Normenausschüssen ringen die Vertreter verschiedener Hersteller um die Erhebung ihrer Definitionen oder Messvorschriften zur verbindlichen Norm. Sicherlich nicht, weil dann ihre Geräte „unschöne“ Werte zeigen. Normen und Messvorschriften sind wie Vereinssatzungen: Sie werden gebastelt und verändert, ganz wie's benötigt wird oder in den (kommerziellen) Kram passt.

Weil Normen auf dem Austragen von Interessenkonflikten beruhen, und weil die Geschwindigkeit des technischen Fortschritts größer ist als die der Arbeit von Sach- und Interessengremien, ist es nicht verwunderlich, dass Normen, sind sie erst einmal da, ein ungewöhnliches Beharrungsvermögen zeigen: Es kann Jahre dauern, bis die Etablierten der Industrie sich dazu bereiterklären, ihre Empfehlungen zu überarbeiten und anzupassen: dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand und den entsprechenden messtechnischen Notwendigkeiten und Möglichkeiten.

Daten sind nur bedingt vergleichbar

Beim „Studium“ von Verstärkerdaten tauchen die Begriffe „Sinusleistung“ und „Musikleistung“ auf. Ist 1 Watt Sinusleistung mehr oder weniger als 1 Watt Musikleistung? Wieso kann ein und dasselbe Gerät gleichzeitig 20 Watt (Sinusleistung) und 30 Watt (Musikleistung) abgeben? Ein Körnchen Wahrheit steckt in dieser Frage, denn „Musik ist nicht Sinus“. Natürlich ist 1 Watt gleich 1 Watt. Nur werden die „Sinuswatts“ anders gemessen als die „Musikwatts“. Aber obwohl die unterschiedlichen Leistungsangaben in ein und derselben Einheit – eben in Watt – angegeben sind, dürfen sie nicht miteinander verglichen werden. Sie werden nämlich auf unterschiedliche Weise ermittelt. Und über die Klangqualität sagen beide Angaben herzlich wenig aus.

Wie problematisch Messungen sind und wie sie missbraucht werden können, soll an folgendem Beispiel – es ist nicht konstruiert – deutlich werden: Einem Ingenieur hatte man einen international hochrenommierten Verstärker angeboten. Der „Fachmann“ wies durch „exakte Messungen“ nach, dass der Verstärker nicht so viel Aufhebens wert sei. In der Tat, die vom Ingenieur nachgewiesenen Rechtecke am Ausgang des Verstärkers waren allenthalben durchschnittlich. Kein Wunder! Wurden doch zur Messung drittklassige Messgeräte verwendet!

Technische Daten sind wie wissenschaftliche Gutachten: grundsätzlich jedem zu Willen. Sie lassen sich zu vielerlei Zwecken (miss)brauchen. Scharfzüngige Kenner der Materie (HiFi-Technik bzw. gesellschaftliche Funktion von Wissenschaft) vergleichen sie deshalb auch bisweilen mit Dirnen, wobei sie sich auf nackte Tatsachen-Erfahrung berufen.

Einzeldaten besagen nichts

Die Qualität eines HiFi-Geräts ist eine komplexe Größe. Sie muss in viele Details, in unterschiedliche Qualitätsmerkmale aufgeschlüsselt werden. Eine einzelne Angabe besagt letztlich nichts. Auch die Qualität eines Autos hängt ja nicht ausschließlich von der Motorleistung ab, die ja „präzis“ erfasst werden kann. Selbst das Fahrverhalten als wichtiges Qualitätsmerkmal muss seinerseits an vielen Einzelkriterien gemessen werden. Je umfangreicher und komplexer ein HiFi-Gerät ist, desto umfangreicher muss konsequenterweise das Datenbündel sein, in das seine Qualität übersetzt ist. Der Datenkanon eines Receivers muss größer sein als der eines Verstärkers.

Stimmt es nicht nachdenklich, dass die Datenlisten von Tonabnehmern und Lautsprechern kurz sind im Vergleich zu denen von Verstärkern und Tunern? Dabei verarbeiten Verstärker und Tuner nur eine einzige Energieform, eben elektrische Energie, während Tonabnehmer und Lautsprecher als Wandler die außerordentlich schwierige Aufgabe haben, eine Energieform möglichst fehlerlos in eine andere umzuwandeln. Haben die Techniker resigniert angesichts der Aufgabe, die Anforderungen an Wandler messtechnisch aufzuschlüsseln oder zu erfassen? Oder glauben sie, die klangliche Qualität eines Wandlers ließe sich auch nur näherungsweise erfassen mit Daten wie – beispielsweise beim Lautsprecher – Amplitudenfrequenzgang, Klirrverhalten, Abstrahlcharakteristik und Belastbarkeit?

Jeder versteht’s anders

Wie sind die einzelnen Elemente eines Datenbündels zu gewichten? Wo liegen die Grenzwerte, die ein Gerät der einen oder der anderen Qualitätsklasse zuweisen? Welche Daten sind besonders wichtig? Ist die Datengruppe um die Verzerrungen wichtiger als die um den Frequenzgang? Sind verschiedene Datengruppen überhaupt von unterschiedlicher Bedeutung? Welche Daten können gegebenenfalls durch welche „kompensiert“ werden? Wer weiß eine Antwort auf diese Fragen?

Jeder Ingenieur, jeder Ingenieur eine andere. Denn die Auswertung technischer Daten, ihre Interpretation ist eine weithin subjektive Angelegenheit. Zur Ausdeutung von Daten bedarf es zwar gründlicher physikalisch-technischer Einsichten, aber auch langjähriger Erfahrung. Auch deshalb kommen Fachleute zu unterschiedlichen Ergebnissen. Hierauf beruhen auch die unterschiedlichen technischen Konzepte (Philosophien nennt man das anmaßend in der HiFi-Branche) bei der Entwicklung von Geräten. Wie anders wäre es zu verstehen, dass beispielsweise der Konstrukteur eines renommierten amerikanischen Verstärkers sein besonderes Augenmerk auf die Bandbreite legt, während ein nicht weniger renommierter britischer Entwickler dieses Kriterium als zweitrangig betrachtet. Wer von beiden ist der Wahrheit näher? An manchen Boxen klingt der amerikanische Verstärker besser, an manchen der britische. Offensichtlich sind die Zusammenhänge doch komplexer.

Musik ist nicht Sinus

In der HiFi-Technik werden Geräte unter Bedingungen gemessen, die in der normalen Betriebspraxis, insbesondere von Lautsprechern, so gut wie nie vorkommen. Zunächst einmal sind die Messsignale von geringer Praxisnähe: In der Regel werden zum Messen sinusförmige oder rechteckförmige Signale, mitunter auch Rauschen oder sogenanntes gewobbeltes Rauschen verwendet. Solche Signale kommen aber weder in der Sprache, noch in der Musik vor, zumindest nicht hinreichend angenähert. Aus Gründen der Objektivität (Vergleichbarkeit) ist man auf solche künstlichen, reproduzierbaren Signale angewiesen. Aber was die Objektivität einer Messung fördert, hebt nicht immer auch ihre Praxisnähe und Validität.

Mittels der üblichen Messsignale betreibt man die Geräte im sogenannten eingeschwungenen Zustand. Das ist ein idealer Betriebsfall, der bei „normaler“ Beanspruchung des Geräts nicht auftritt. Musik und Sprache bestehen aus sehr komplizierten Impulsen und Impulsgemischen, die einem Gerät weitaus mehr abverlangen als Messsignale. Was Wunder, dass ein Lautsprecher oder ein Tonabnehmersystem im praktischen Betrieb oft besser (oder schlechter) klingt, als das auf Grund der Messergebnisse zu erwarten gewesen wäre!

Messbetrieb ist nicht Musikbetrieb

Zum anderen weichen Messbetrieb und „Musikbetrieb“ auch hinsichtlich der (Mess- )Geräteanordnung voneinander ab. Bekanntlich hängt das Übertragungsverhalten eines Verstärkers in hohem Maße davon ab, ob man einen „einfachen“ (Ohmschen) Widerstand anschließt, oder ob man sogenannte komplexe Lasten betreibt, wie sie Lautsprecher darstellen. Demgegenüber sind beim Messen die Prüflinge und Messgeräte in nahezu optimaler, zumindest „praxisferner“ Weise miteinander verbunden; man trachtet danach, sie so zu betreiben, dass eine gegenseitige Beeinflussung ausgeschlossen ist. Im praktischen Betrieb ist dieser Idealzustand nie gegeben. Die Betriebspraxis ist wesentlich komplizierter als die Messpraxis. Die Messpraxis ist nicht hinreichend praxisnah.

Praktischer Wert: mangelhaft

Viele technische Daten haben für den Praktiker, den „anwendenden“ Musikfreund, keine Bedeutung. Hierzu gehört beispielsweise die unverantwortlicherweise in der Werbung hochgespielte Eingangsempfindlichkeit von Tunern; aber auch die Belastbarkeit von Lautsprechern, angegeben in Watt, ist ohne großen praktischen „Nährwert“, vor allem, wenn es um Klangqualität geht. Das Kriterium „Belastbarkeit“ spielt allenfalls eine Rolle, wenn man verhindern will, dass durch unachtsame Bedienung der Anlage ein Lautsprecher zerstört wird. Solche Daten haben für den Konstrukteur und Werkspion eine Bedeutung, kann man doch aus ihnen den technischen Standard eines Geräts ersehen.

Das Paradebeispiel für eine schon fast überflüssige Messung ist der sogenannte Frequenzgang (Amplitudenfrequenzgang) eines Lautsprechers. Er wird zwar in der Werbung und in manchen Testzeitschriften hoch bewertet, aber mehr als einen Hinweis auf die Ausgewogenheit einer Box kann er nicht leisten. Jeder Fachhändler weiß, dass manche Lautsprecher trotz nahezu idealen(?) Frequenzgangs scheußlich klingen, während Modelle mit vergleichsweise hausbackenem Messprotokoll in hohem Maße Musikerlebnisse vermitteln können. Solange nicht auch Phasengang bzw. Impulsverhalten eines Wandlers, also auch eines Tonabnehmers, gemessen werden, ist die Validität eines Amplitudenfrequenzganges sehr gering.

Von wegen „Wissenschaft“!

Die HiFi-Technik hinkt der Entwicklung einschlägiger Wissenschaften hinterher. Zum Beispiel weiß man seit wenigen Jahren um die Existenz und klangliche Bedeutung sogenannter dynamischer Verzerrungen bei Transistorverstärkern. Seitdem man sie kennt und unterdrücken kann wird behauptet, transistorisierte Leistungsverstärker klängen „nun“ ebenso gut wie röhrenbestückte. Doch als man von diesen Verzerrungen noch nichts wusste, war es fast ein Sakrileg zu behaupten, Transistorverstärker klängen schlechter als Röhrenverstärker.

Ähnlich verhält es sich mit den Klirrverzerrungen bei Lautsprechern: Gemessen werden in der Regel nur die erste und die zweite Oberwelle einer Grundwelle. Weiß man nicht oder will man nicht wahrhaben, dass die höheren Harmonischen (Obertöne) vom menschlichen Ohr sehr wohl registriert werden, und dass gerade sie in hohem Maße verantwortlich sind für den scharfen Klang und weitere ästhetische Unzulänglichkeiten von Lautsprechern?

Der Mensch ist keine Hörmaschine

Was und wie ein Mensch hört, ist das Ergebnis eines (lebenslangen) Lernprozesses. Deshalb hört jeder Mensch anders. Deshalb hat jeder Mensch, zumindest in Nuancen, seine eigene, subjektive Vorstellung von dem, wie ein guter, „natürlich klingender“ Lautsprecher sich anzuhören habe. Einen „Norm-Hörer“ gibt es nicht. Folglich geht auch die Forderung nach einem technisch normierten Klang am Wesen des Menschen vorbei. Davon abgesehen ist es primitiver Behaviourismus zu glauben, die Musikerlebnisfähigkeit eines Menschen lasse sich endgültig in technische Daten umsetzen. Der Mensch entzieht sich letztlich einer Objektivierung, wie sie positivistische Techniker bisweilen in wissenschaftsgläubiger Einfalt unterstellen.

In gewisser Weise sind die Datenpositivisten der Lautsprecherszene Kinder einer wissenschaftlichen Fehlentwicklung: Die Naturwissenschaften des 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts haben uns nämlich eine folgenschwere Fehleinschätzung vererbt: Indem sie das Hörerlebnis des Menschen verkürzend der Akustik und der Medizin zuordneten, wurde am Menschen als einem Wesen -mit 7 Sinnen- vorbei geforscht. Erst in jüngerer Zeit reifte wieder die Erkenntnis, dass der Mensch jederzeit mit all seinen Sinnen an der Welt teilnimmt.

„Musik hören“ ist mehr als nur hören

Tatsächlich ist die Qualität eines Musikerlebnisses, das uns eine HiFi-Reproduktion vermittelt, nicht nur von der (technisch-akustischen) Qualität der Übertragung anhängig, sondern auch davon, was wir zugleich mit unseren anderen Sinnesorganen aufnehmen. Zum Beispiel gehört zur „natürlichen“ Wiedergabe von Musik auch die Übertragung der tiefsten Frequenzen (unter 40 Hertz, die aber üblicherweise in der Studiotechnik aus technischen Gründen nicht aufgenommen werden!) mit so hohem Schalldruck, dass sie taktile Reize ausüben: Den Ton eines offenen 32Fuß-Orgelpedals in der untersten Oktave hört man so gut wie nicht, aber man spürt ihn regelrecht auf der Haut kribbeln. Deshalb bleibt Basswiedergabe über Kopfhörer grundsätzlich ein Torso. Wenn wir dennoch einen „beschnittenen“ Bass als Bass empfinden und „genießen“, so ist das eine glückliche Folge der Tatsache, dass unsere Musikempfindung früher einsetzt als unsere Tonempfindung. (Dabei spielen noch andere Faktoren eine wesentliche Rolle).

Bei der HiFi-Wiedergabe wird unser Qualitätsempfinden auch beeinflusst durch außerakustische Gegebenheiten, wie sie zum Beispiel der Hörraum (Atmosphäre, Behaglichkeit) oder die „musikalische Angemessenheit“ der Sitzmöglichkeiten darstellen. All dies trägt bei zu der Stimmung, in der wir hören, all dies beeinflusst unser Urteil über die Qualität der Wiedergabe.

Beim Hörvergleich im Studio kommt noch hinzu, dass der Kaufinteressent durch den Entscheidungszwang gewissermaßen gestresst ist. Schließlich spielt beim Musikhören das soziale Moment eine wichtige Rolle: Nicht nur das Fehlen der „äußeren“ Gegebenheiten eines Konzertbesuchs, sondern auch die soziale Isolation des Hörers oder des kleinen Hörerkreises vor der HiFi-Anlage bedingt eine Situation, die sich vom originalen Musikerlebnis erheblich unterscheidet. Diese hier nur skizzierbaren Komplexe können weder messtechnisch erfasst, noch zum Gegenstand von Normen gemacht werden.

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Klangliche Eigenschaften von Lautsprechern

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4 - Klangliche Eigenschaften von Lautsprechern


Technische Daten können die Klangqualität von Lautsprechern nicht hinreichend beschreiben. Auch die verbale Beschreibung eines Lautsprechers lässt in der Regel an Eindeutigkeit zu wünschen übrig. Das verspürt jeder, der sich nach der Lektüre eines Testberichts über die klangliche Gestalt der Testexemplare Rechenschaft zu geben versucht. Dennoch hat sich in der (Test-)Branche ein in gewisser Weise standardisiertes Vokabular eingebürgert. Zwar werden in den verschiedenen Testinstitutionen und -zeitschriften unterschiedliche Testverfahren praktiziert, zwar hat jeder Autor einen gewissen Kernwortschatz zur Beschreibung von Lautsprecherqualitäten, doch einige Begriffe tauchen überall, auch in ausländischen Publikationen, auf.

Die üblichen Begriffe sind, im Gegensatz zu physikalischen, nicht eindeutig definierbar. Sie stammen zum Teil aus Bereichen, die mit dem auditiven nichts gemein haben, was aus Vokabeln, wie Volumen, Durchsichtigkeit, Seidigkeit, Leichtigkeit, Offenheit, Präsenz, Verhangenheit, hervorgeht. All diese Begriffe sind bereits mit bestimmten Vorstellungsinhalten belegt. Das hat zwar den Vorteil, dass man sich unter ihnen etwas vorstellen kann, aber auch den Nachteil, dass man zu Analogien gezwungen ist. Bei Analogien besteht die Gefahr, dass das Übersteigen von dem einen in den anderen Bereich nicht voll funktioniert. Bleibt aber dieser Transfer aus, so kommt es zu falschen Vorstellungen.

Zudem sind die Begriffe mit subjektiv unterschiedlichen Inhalten und Wertvorstellungen belegt. Die Gefahr, missverstanden zu werden, ist also nicht gering. Dennoch soll versucht werden, einige Begriffe etwas zu veranschaulichen: Sie sollen so definiert werden, dass sie – vereinfacht ausgedrückt – eine möglichst anschauliche Sammlung von Beispielen darstellen, unter denen hoffentlich mindestens eines ist, das eine ungefähre Vorstellung von dem vermittelt, was gemeint ist. Hierbei wird jeder Leser die Erfahrung machen, dass sich meine Vorstellungen nicht vollends mit seinen decken. Quod erat demonstrandum.


4.1 - Die üblichen Begriffe


In den üblicherweise verwendeten Begriffen sind komplexe und musikalisch recht unspezifische Wahrnehmungskategorien erfasst. Sie sagen dem musikalisch „Gebildeten“ und dem aktiv Musizierenden wenig Konkretes, sind aber durchaus angebracht im Hinblick auf eine breite Leserschicht.

Es hat sich als zweckmäßig erwiesen, die einzelnen Begriffe als Gegensatzpaare zu definieren. Das hebt die Anschaulichkeit und Verständlichkeit des Textes, darf aber nicht zu dem Fehlschluss verleiten, die Übergänge zwischen den Gegensatzpaaren seien nicht fließend. In der Tat ist es schwierig, bei isolierter Anhörung einer Box zu entscheiden, ob ihr Klangbild nun beispielsweise präsent oder entfernt ist. Nur der unmittelbare, sogenannte AB-Vergleich zweier Boxen macht eine Entscheidung möglich. Eigentlich müssten deshalb die Gegensatzpaare der Testmethode entsprechend in komparitivischer Form definiert sein, also statt „offen – verhangen“ zweckmäßigerweise „offener – verhangener“ (jeweils im Vergleich zweier Boxen zu verstehen).

Aus den folgenden Beschreibungen der Begriffe bzw. Eigenschaften geht zugleich hervor, wie man sie ggf. in Hörtests untersuchen kann.

(1) hell – dunkel

Hell timbrierte Boxen sind oft scheinbar bassschwach, dunkel timbrierte oft scheinbar höhenschwach. Neigen dunkel timbrierte Boxen zu einem satten, vollen Klang von mittlerer Durchsichtigkeit, so tendieren helle Boxen zu einem schlanken, präsenten, durchsichtigen und definierten Klangbild. Bei dunkel timbrierten Boxen kann der Obertonbereich fehlen. Man achte deshalb darauf, ob Triangel, Becken, Orgelmixturen u.ä. sich genügend abheben und nicht im Gesamtklang untergehen. Die Gefahr, dass eingedunkelte Boxen zu wenig Brillanz besitzen, ist groß. Dunkle Boxen „klingen nach Bayreuth“, helle „nach Kirche“.

Bei hell timbrierten Boxen können die Mitten oder unteren Mitten etwas fehlen. Man prüfe deshalb, ob Celli nicht zu sehr aufgehellt werden und mehr wie Bratschen klingen. Posaunen müssen noch soviel Substanz und Körper besitzen, dass sie in hohen Lagen nicht wie Hörner klingen. Bei hell timbrierten Boxen haben Geigen zu wenig „Holz“, zu viel „Saite“. Die menschliche Stimme klingt auf helltimbrierten Boxen etwas spitz, eng und substanzlos, auf dunkelgetönten weich, füllig, zu sonor und bisweilen charakterlos. Klavierwiedergabe fehlt bei dunklen Boxen die „Härte“, die Präzision des Anschlags, dagegen wirken die unteren Oktaven etwas zu wuchtig und undifferenziert. Bei einem guten, ausgeglichenen Instrument sind die Übergänge zwischen den einzelnen Lagen „zu deutlich“ spürbar bei hellen Boxen; bei dunklen sind sie nivelliert.

(2) vordergründig, präsent – entfernt

Vordergründige Boxen klingen so, dass man beim Hören mit geschlossenen Augen glaubt, das Orchester befinde sich da, wo die Boxen stehen, schlimmstenfalls in ihnen. Sie neigen bisweilen dazu, ein „akustisches Loch“ in der Mitte zwischen den Boxen zu produzieren. Jedenfalls kann man bei ihnen oft eindeutig die Lautsprecher als Schallquellen identifizieren. Bei ungünstiger Konstellation sonstiger Eigenschaften neigen sie zu Härte, Drahtigkeit und Aufdringlichkeit. Sind die sonstigen Eigenschaften gut, klingen sie offen und frei. Jedenfalls ziehen sie die auditive Aufmerksamkeit auf sich.

Entfernt klingende Boxen lassen das Schallereignis scheinbar etwas hinter die Boxen zurücktreten. Die Gefahr des Lochs in der Mitte besteht wenig. Die Lautsprecher sind nicht eindeutig als Schallquellen identifizierbar. Bei weiteren positiven Eigenschaften klingen sie recht räumlich, bei ungünstiger Konstellation etwas verschwommen, unpräzise und in der Klangdefinition den präsenten Boxen unterlegen. Aufdringlich sind sie in den wenigsten Fällen. Mitunter neigen sie zur Verhangenheit. Eine ziemlich hohe Verwandtschaft besteht zwischen vordergründigen und hell timbrierten Boxen. Andererseits sind oft entfernt klingende Boxen auch leicht eingedunkelt.

Übertragungen von Beifall-Klatschen sind ein guter Prüfstein dafür, ob eine Box vordergründig oder entfernt klingt: Bei präsenten Boxen findet das Klatschen im Hörraum statt; die Akustik des Wohnraumes wird bei hohen Lautstärken regelrecht von der übertragenen „überspült“. Bei entfernt klingenden Boxen bleibt der Hörraum als solcher erhalten, das Klatschen findet scheinbar in einem anderen Raum, der hinter den Boxen liegt, statt. Ist Vordergründigkeit mit zuviel Brillanz verbunden, wird aus dem Beifallklatschen ein Wasserfall.

(3) schlank – voluminös

Ob ein Lautsprecher voluminös oder schlank klingt, hängt wesentlich davon ab, wie er den Bereich der Bässe und der unteren Mitten verarbeitet. Ein schlanker Klang scheint zunächst etwas bassschwach zu sein; bei genauerem Hinhören wird jedoch deutlich, dass er meist impulstreuer, detailreicher und durchhörbarer ist als ein voluminöserer. Bei voluminös klingenden Lautsprechern hat die Basswiedergabe oft mehr Quantität als Qualität: Hoher Pegel bei mangelhafter Impulstreue und gleichzeitiger unnatürlicher Verdickung, „Umwölkung“ der unteren Mitten. Es gibt nur eine Handvoll Boxen, die ein voluminöses und zugleich prägnantes Klangbild erzeugen können.

Durch die bei Radios, Musikschränken, Diskothekenboxen, Musikautomaten und einer überzahl schlechter HiFi-Boxen übliche Bumsigkeit und Dumpfheit der unteren Mitten und Bässe sind wir derart an eine unsaubere Wiedergabe gewohnt, dass es nur wenige qualitätsbewusste Hersteller wagen, (zumal in der unteren und mittleren Preisklasse) Lautsprecher zu bauen, die statt einer starken, aber unpräzisen Wiedergabe des unteren Frequenzbereichs ein schlankes, transparentes, offenes und weithin verfärbungsfreies Klangbild erzeugen. Auch die den elektrostatischen Lautsprechern nachgesagte Bassschwäche beruht oft auf diesem Missverständnis, auf dieser Verwechslung von Qualität und Quantität.

Welche von zwei Boxen die voluminösere ist – gleiche Verfärbungsfreiheit vorausgesetzt –, kann man mit Blasmusik testen. Die voluminösere Box differenziert Tuba, Horn, Trompete und Posaune besser als die schlankere, bei der Posaunen ggf. schon etwas nach Hörnern klingen. Ein Duo von Bass und Cello klingt auf einer guten schlanken Box sauber, gestaffelt; auf einer guten voluminösen zusätzlich noch plastischer; auf einer schlechten voluminösen dagegen undifferenziert, verwaschen und topfig.

Schlanke Boxen eignen sich meist nicht für Räume mit mehr als etwa 70 m³ Volumen, weil sie den Raum nicht „füllen“ können. Das Klangbild gerät in Gefahr, dünn, mickrig zu werden. Voluminösere Lautsprecher haben es leichter, große Räume zu „füllen“, ohne allerdings für kleinere ungeeignet zu sein.

(4) flächig – räumlich

Flächig klingende Boxen erzeugen ein -Klangband-, das von Lautsprecher zu Lautsprecher reicht. Räumlich klingende erzeugen einen Klangraum, der sich zwischen den Boxen und um sie herum abbildet. Räumlichkeit darf nicht mit unnatürlicher Halligkeit, hervorgerufen durch eine Anhebung im Frequenzbereich um 200 Hz, verwechselt werden, die man bei genauem Hinhören oft als Mulmigkeit oder Bumsigkeit identifizieren kann. Schlankheit und Flächigkeit einerseits sowie voluminöses und räumliches Klangbild andererseits sind oft nahe verwandt.

Bei räumlich klingenden Boxen wird die Tiefenstaffelung eines Orchesters (bei sehr guten Aufnahmen) erkennbar. Bei flächigen dagegen stehen die dominierenden Instrumente immer „vorn“, an der Rampe. Die Eigenschaft „flächig“ ist oft vereint mit der negativen Eigenschaft „flach“. Ein flaches Klangbild wird oft als „technisch“, als unmusikalisch empfunden. Es fehlt ihm „der musikalische Atem“. Wenn es auch oft auf Anhieb eine hervorragende Klangdefinition vortäuscht, so erkennt man doch bei genauerem Hinhören sowie in Langzeittests, dass sich die exakte Klangdefinition auf einige wenige Instrumente oder Instrumentengruppen beschränkt. Andere Instrumente werden im Tutti nicht identifiziert. Beispielsweise gehen die Bratschen im Gesamtklang des Orchesters unter. Auch mit Choraufnahmen sind Flachheit und Flächigkeit gut zu testen: Man achte darauf, dass alle Stimmen, vor allem auch Mezzosoprane und geteilte Tenöre, exakt zu hören sind.

(5) offen – verhangen

Klingt eine Box offen, frei, so spielt das Orchester quasi im Hörraum. Die Musiker scheinen vor den Lautsprechern zu sitzen. Bei verdeckt klingenden Boxen scheint ein Vorhang vor dem sonst vielleicht gut durchgezeichneten Schallereignis zu stehen. Die Verwandtschaft offen, hell und vordergründig ist ebenso stark wie die zwischen verdeckt und entfernt. Schaltet man von einer verhangenen auf eine offene Box, so entsteht der Eindruck: „jetzt gehen das Licht an und der Vorhang auf!“ oder „jetzt wird frische Luft in den Raum geblasen“.

Offene Boxen dürfen aber nicht mit überbrillanten, überpräsenten Bluffern verwechselt werden. Es gibt überdies nur wenig offene Boxen, die in den Mittellagen verfärbungsfrei sind! Ein offenes, aber lagenspezifisch oder instrumentenspezifisch verfärbtes Klangbild wird oft von Hornlautsprechern produziert.

(6) neutral – verfärbt

Verfärbungsfreie Boxen findet man selten. Und sind sie dann noch frei und voluminös, dann hat man es mit den besten Lautsprechern des Weltmarktes zu tun.

Die Neutralität ist mit normalen Musikprogrammen nicht objektiv festzustellen, denn Verfärbungen können in Hülle und Fülle auf dem Weg vom Geber (Mikrofon, Tonabnehmersystem) über die Elektronik (Verstärker, Sender, Empfänger-Verstärker) auftreten; Neutralität ist nur vergleichsweise zu erfassen: Die Box (X) klingt neutraler als die Boxen (Y) und (Z). Eigentlich kann man Neutralität nur negativ definieren: Eine Box ist neutraler als eine andere, wenn sie weniger Verfärbungen (als die andere) hat, in einer gegebenen Anlage und bei gegebenem Programm.

Jeder Lautsprecher verfärbt mehr oder weniger, wenn auch in je unterschiedlichen Bereichen. So gibt es Boxen, die bevorzugt Blechbläser verfärben, während andere dazu neigen, Streicher in hohen Lagen zu verfärben. Es ist letztlich eine subjektive Entscheidung, welche Verfärbung als penetranter empfunden wird.

Erfahrungsgemäß scheinen sehr hell timbrierte und überbrillante Boxen neutraler zu klingen als weniger präsente und brillante, weil das Klangbild analytisch, offen und frei zu sein scheint. Doch wirken diese Boxen – wie man in Langzeittests feststellen kann – auf Dauer aggressiv, hart, lästig. Bei solchen Boxen kann man beispielsweise kaum noch heraushören, dass sich der Klangcharakter einer Oboe ändert, wenn auf einem langen Ton ein crescendo liegt.

Verfärbungen mit Rauschsignalen testen

Mit einiger Übung kann man Verfärbungen mittels rosa-Rauschen feststellen: Rauschen lässt sich mit unseren Sprechorganen nur näherungsweise nachbilden. Ein „Sch“ ist in gewisser Weise ein Rauschsignal. Jedermann weiß, dass man ein „Sch“ in verschiedenen Tonlagen, „hell“ oder „dunkel“ zischen kann: Wenn wir beim Artikulieren des „Sch“ die Zähne aufeinanderpressen und die Lippen zurückziehen (die Ohren bekommen Besuch von den Mundwinkeln), ist die Tonlage des Zischens hoch, im Grenzfall geht das Zischen in ein scharfes „s“ über. Wir erzeugen ein Rauschen, das im Wesentlichen aus hohen Frequenzen besteht. Öffnen wir aber etwas den Mund und schürzen die Lippen (die Oberlippe berührt die Nasenspitze), dann besteht das Rauschen im Wesentlichen aus ziemlich tiefen Frequenzen (genau besehen aus mittleren), der Klangschwerpunkt des Rauschens ist tief.

Rosa-Rauschen können wir mit unseren Sprechwerkzeugen nicht erzeugen. Denn dieses Rauschen umfasst die Frequenzen von 20 Hz bis 20000 Hz, also des ganzen Hörbereichs, und das in einem definierten Amplitudengang. Rosa-Rauschen hat keinen Klangschwerpunkt!

Eine Box klingt neutral, wenn sich bei der Reproduktion von rosa-Rauschen kein Klangschwerpunkt, also keine „Tonhöhe“ des „RauschGeräusches“ feststellen lässt. Dennoch muss man bei gezieltem Hinhören das markante Brodeln im Bassbereich ebenso vernehmen können wie das nicht scharfe (!) Zischen in den höchsten Frequenzbereichen. Schlanke Boxen brodeln nicht, stumpfe zischen nicht. Rosa-Rauschen, das von sehr guten Boxen übertragen wird, ist eigenartigerweise auch bei hohen Lautstärken nicht unangenehm.

Verfärbungen mit Musik testen

Zum Testen von Verfärbungen eignet sich Musikprogramm, das Glissandi von Streichinstrumenten durch alle Lagen enthält. In den verfärbten Lagen ändern die Instrumente plötzlich ihren natürlichen Klangcharakter. Sie werden eine Spur verhangener, oder sie näseln; oft erscheinen sie aggressiv. Bisweilen klingt es so, als habe man eine Tasse über die Ohrengestülpt. Auch Klaviermusik eignet sich gut zum Feststellen von Verfärbungen: Treten Verfärbungen (Umfärbungen) auf, so ändert sich der Charakter des Instruments: Aus einem Steinway wird ein Bösendorferoder – je nachdem – ein Bechstein. Sinngemäß gilt das für andere Instrumente; z. B. kann aus einer Bariton-Klarinette eine Bass- oder Altklarinette werden. Aus diesen Beispielen geht hervor, dass die Tendenz einer Verfärbung auch davon abhängen kann, ob eine Box dunkler oder heller timbriert ist, ob sie schlank oder voluminös zeichnet, ob die unteren Mitten „ausgedünnt“ oder „verdickt“ sind.

Als Verfärbungen sind auch jene fauchigen Klangbilder von Blechbläsern und Sängern anzusehen, die zwar ein sehr räumliches und offenes Klangbild suggerieren, aber unnatürlich sind. Viele verfärbende Boxen schmeicheln der Musik und täuschen wegen ihres unaufdringlichen Klangs eine große Natürlichkeit vor. Die Verfärbung von präsenten Boxen äußert sich oft in einem gewissen Näseln oder in einer leichten Gepresstheit oder Heiserkeit des Klangs.

Ein Grund für die Schwierigkeit, Verfärbungen festzustellen, liegt wohl darin, dass unser Gehör verbildet ist. Durch jahrelanges „Training“ mittels Radio u.ä. Klangerzeugern haben wir uns an einen verfärbten Klang gewöhnt, so dass ein neutrales Klangbild zunächst unnatürlich erscheinen mag. „Technische“ Klangbilder sind für viele Menschen die „natürlichsten“. Neutrale Boxen machen nichts daher, sie fallen nicht auf, aber sie vermitteln Musikerlebnisse.

Orgelmusik als „Soundindikator“

In welchem Ausmaß Lautsprecher mit Eigenklang (Sound, Verfärbung) behaftet sind, wird auch für testunerfahrene Hörer bei Hörvergleichen mit Orgelmusik besonders deutlich. Zweckmäßigerweise spielt man lang ausgehaltene Akkorde ein. Beim Umschalten von der einen auf die andere Box ändert sich der Klangcharakter so, als sei die Orgel plötzlich anders disponiert oder intoniert oder registriert: mal mehr, mal weniger 16- oder 8-Fuß-Register; mal stärker mal schwächer intonierte 8-Füßer; mal mehr, mal weniger Aliquoten; in einem Falle eine dreifache, im anderen Falle eine siebenfache Mixtur.

(Ähnliche Phänomene treten auch bei symphonischer Musik auf, doch hier sind sie nicht so eindeutig als Verfälschung identifizierbar bzw. zu beurteilen. Man höre beispielsweise einmal darauf, welche Instrumente beim Umschalten in den Vordergrund rücken und welche zurückgenommen erscheinen.)

Des Testens ganzer Jammer ...

Welcher Lautsprecher letztlich am wenigsten verfärbt, kann eigentlich nur ermessen, wer Werk, Orgel und Disposition kennt; genau gesehen müsste er sogar bei der Aufnahme dabeigewesen sein. Die Entscheidung für diese oder jene Box wird nämlich zusätzlich dadurch erschwert bzw. relativiert, dass die technischen Bedingungen der Aufnahme (Art, Charakteristik, Anzahl und Aufstellung der Mikrofone, Abmischung, verwendete Filter, Schneidentzerrung) ebenfalls den Originalklang umfärben. Insofern steckt ein Körnchen Wahrheit in der spitzfindigen Werbung, die weismachen will, „originalgetreu“ könne nur hören, wer den bei der Aufnahme benutzten Monitor oder zumindest einen Lautsprecher (mit dem spezifischen Sound) des gleichen Herstellers besitze.

Schließlich tragen auch auf der Wiedergabeseite Plattenspieler und Verstärker ihren Teil zur Veränderung der originalen Klangstrukrur bei. An diesem Beispiel wird deutlich, warum beim Testen möglichst viele und verschiedenartige Programme verwendet werden sollten, warum eine gegenseitige klangliche Abstimmung der Wandler (Optimierung!) notwendig erscheint, und warum trotz aller „Vorsichtsmaßnahmen“ die Ergebnisse eines (Lautsprecher-)Tests nie frei von Subjektivismen sein können, also nie verallgemeinert oder gar absolut gesetzt werden dürfen.

Der Test „Original gegen Reproduktion“

Als Lösung aus diesem Dilemma wird mitunter der A/B-Vergleich von Originaldarbietung (die zunächst bzw. zugleich aufgezeichnet wird) und Wiedergabe (dieser Aufzeichnung) propagiert. Aber auch bei diesem Verfahren sind die technischen Bedingungen der Aufnahme (Art und Aufstellung der Mikrofone) als klangbeeinflussende Faktoren nicht auszuschalten. Weitaus problematischer ist allerdings die Tatsache, dass bei der Wiedergabe die Akustik des (Aufnahme- und Wiedergabe-)Raums sozusagen zweimal vorhanden ist. Diese Gegebenheit kann erfahrungsgemäß den Lautsprechern so sehr schmeicheln, dass selbst klanglich „minderbemittelte“ Lautsprecher überzeugend gut wirken; von gravierenden wahrnehmungspsychologischen Schnitzern dieses Verfahrens ganz zu schweigen!

(7) ausgewogen – unausgewogen

Ausgewogene Boxen klingen weder dunkel, noch hell. Sie sind nicht eindeutig präsent und nicht eindeutig entfernt. Sie „machen nichts daher“, sind deshalb sehr gut – und sehr selten. In einem Feld von Lautsprechern, die „in die Ohren springende“, auffällig gute Eigenschaften haben – was immer man subjektiv als gut empfindet –, haben es ausgewogene Boxen mitunter schwer, sich durchzusetzen. Man sollte deshalb solch „unscheinbaren“ Lautsprechern besondere Aufmerksamkeit widmen und sie ggf. in den Langzeittest einbeziehen. Dagegen sind Boxen, die auf Anhieb, durch besondere Vorzüge auffallen, nur in seltenen Fällen auch ausgewogen.

(8) transparent, durchsichtig – verschwommen

Durchsichtig ist eine Box, wenn sie das Schallereignis präzis abbildet: Bei guten Aufnahmen muss es möglich sein, die einzelnen Solisten, Soloinstrumente, Stimmen eines Chors und Instrumentengruppen eindeutig voneinander zu unterscheiden. Undurchsichtige Boxen können zwar ein voluminöses und „angenehmes“ Klangbild erzeugen, geben dem Hörer aber nicht die Möglichkeit, sich auf bestimmte Instrumente zu konzentrieren. Sie produzieren einen Klangbrei. Offene, präsente und schlanke Boxen tendieren eher zur Durchsichtigkeit als verdeckt und voluminös klingende. Besser gesagt: Sie haben es in puncto Durchsichtigkeit leichter.

Manche Boxen können erst ab einer relativ hohen Lautstärke durchsichtig klingen, andere sind bei geringen Lautstärken offener. Erfahrungsgemäß benötigen Kompaktboxen eine höhere Lautstärke, damit sie sich „freistrahlen“. Sie neigen bei geringer Lautstärke zu einem etwas näselnden oder gepressten und verhangenen Klangbild, dem Durchsichtigkeit abgeht. (In diesem Zusammenhang muss aber auch bedacht werden, dass die meisten Verstärker bei geringen Lautstärken gepresst, eng und undurchsichtig „klingen“!) Dagegen besteht bei Boxen mit sehr hohem Wirkungsgrad (Bassreflexboxen, Boxen mit Hornlautsprechern) die Gefahr, dass sie zwar durchsichtig klingen, aber etwas verfärben, und zwar bei allen Lautstärken.

Durchsichtigkeit großorchestraler Werke

Durchsichtigkeit lässt sich selbstverständlich mit großorchestralen Werken testen. Man muss allerdings sicher sein, dass die Aufnahme ein Höchstmaß an Transparenz und Sauberkeit besitzt. Bei analytischen Boxen bleibt die Identifizierbarkeit der einzelnen Klanggruppen auch erhalten bei plötzlichen großen Dynamiksprüngen, also bei einem subito ff-Einsatz. Setzen wir einmal einen Verstärker voraus, der diesen Sprung mühelos überträgt: Dann kann es passieren, dass sich eine wenig durchsichtige Box „verschluckt“: Für einen kurzen Augenblick verschwindet die Durchsichtigkeit, bestimmte Instrumentengruppen werden verdeckt, verschluckt von der großen Trommel oder dem Becken. Das sollte man durch die öftere Wiederholung ein und derselben Passage untersuchen.

... und einfacher Klangstrukturen

Die Qualität „Durchsichtigkeit“ lässt sich auch mit weniger komplexen Signalen untersuchen: Bei einem Duo Bass-Cello müssen die beiden Instrumente klar getrennt nebeneinanderstehen, sie müssen sich, ohne klanglich auseinanderzufallen, eindeutig voneinander abheben. Die Instrumentierung der Einleitung von „Also sprach Zarathustra“ muss eindeutig erkennbar werden. Bei einem Blockflötenduo – zwei Sopranflöten – müssen sich die Klangfarben der beiden Flöten voneinander abheben. Überbrillante Boxen versagen bei diesem Test. Auch Sopran-Duette müssen in diesem Sinne – vor allem in den höchsten Lagen – durchsichtig bleiben.

Eine durchsichtige Box zeichnet sich in den meisten Fällen durch eine feine Klangdefinition aus. Man teste mit Soloinstrumenten, die man sehr genau kennt! Haben Trompeten nicht einen zu engen, spitzen Klang? Klingt die Sologeige „raumfüllend“, weich, „gestrichen“, mit viel „Körper“, „Glanz“ und „Holz“? Zischt das Becken oder klingt es? Knödelt der Heldentenor oder strahlt seine Stimme (so er eine hat)? Hat die Pauke einen Klang, der sich nach Tonhöhe, Stärke des Anschlags und verwendetem Schlegel deutlich ändert, oder klingt sie das eine wie das andere Mal? Ist der Flügel tatsächlich ein Flügel? Meist klingen Flügel breiig, sie „schwimmen“.

Auch kleine Besetzungen, Streichquartette und Einspielungen von alten Instrumenten eignen sich zur Untersuchung der Durchsichtigkeit. Die Instrumente eines Streichquartetts müssen exakt auseinandergehalten werden können, ohne dass das Klanggeschehen als Ganzes auseinanderfällt. Wird die 1. Geige nicht durch die Pizzicati im Bass verschluckt? Durchsichtigkeit und Neutralität gehen nicht oft Hand in Hand.

(9) weich – rau, hart

Bei rau zeichnenden Boxen klingen hohe Streicher etwas aggressiv und drahtig. Statt Glanz haben sie viel -Stahl-, eben Härte. Die menschliche Stimme ist gepresst. Barock-Trompeten sind eine Nuance zu groß, zu spitz, Mixturen von Barock-Orgeln klingen wie die neuerer Orgeln, die mit hohem Winddruck betrieben werden.

Auf die Dauer wirken rau zeichnende Boxen lästig. Man identifiziert sie oft zu spät, weil sie zu den Bluffern gehören. „Weichzeichner“ machen nichts daher und werden beim oberflächlichen Testen „überhört“. Oft wird überbrillant mit weich verwechselt!

Allerdings darf man dunkel, verhangen und entfernt abbildende Lautsprecher nicht mit weichzeichnenden identifizieren, obwohl hier eine gewisse Verwandschaft vorliegen kann. Weiche Boxen kann man auch identifizieren, indem man bei voll aufgedrehtem Höheneinsteller hört. Dann klingen sie ungewöhnlich hell, zischen aber nicht.

(10) angenehm, natürlich – lästig

Bisweilen tauchen in der Literatur die Kriterien „angenehm“ und „natürlich“ auf. Möglicherweise ist in einem Test eine Box als sehr natürlich, doch wenig angenehm ausgewiesen. Ein solches Ergebnis kann die Verwirrung beim Leser sehr groß werden lassen. Viele Musikfreunde unterscheiden nicht zwischen „angenehm“ und „natürlich“; denn eine Box, die ein Klanggeschehen mit höchstmöglicher Naturtreue nachzuzeichnen vermag, könne, so sagen sie, nicht „unangenehm“ klingen.

In einer künstlichen Hörsituation, wie sie Tests darstellen, können sich ggf. Boxen profilieren, die scheinbar „natürlich“ klingen. Im Langzeittest wird sich jedoch diejenige Box positiv abheben, die man stundenlang hören kann, ohne dass sie lästig wird, ohne dass sie ermüdet. Als die „natürlicher“ klingende ist sie – auf die Dauer des Hörgenusses – die „angenehmere“. Das hat nichts mit Schönfärberei im Sinne von Bass- und/oder Höhenanhebung bzw. -absenkung oder mit „freundlichen“ Verfärbungen zu tun! „Natürlich“ klingende Boxen zeichnen sich dadurch aus, dass man sie lange Zeit mit hoher Lautstärke hören kann, ohne nervös zu werden oder aus Gründen einer hörpsychologischen Stresssituation den letzten Ton des musikalischen Werks herbeizusehnen.

Am Beispiel des Begriffpaars „angenehm – lästig“ wird die Subjektivität von Lautsprecherbeurteilungen beispielhaft deutlich, und sicherlich werden viele Leser der hier dargelegten Auffassung nicht folgen. Wie dem auch sei: Übereinstimmung herrscht wohl hinsichtlich der Forderung, ein Lautsprecher (bzw. Musikwiedergabe) dürfe nicht lästig sein. Wann eine Box als lästig empfunden wird, das allerdings ist subjektiv unterschiedlich; es hängt von den klanglichen Zielvorstellungen sowie den auditiven Gewohnheiten und musikalischen Vorlieben des Hörers ebenso ab wie von seinen Erwartungen an das Medium HiFi-Stereophonie:

Erwartungen an das Medium

Vielen bedeutet HiFi-Stereophonie die Übertragung des Konzertsaals in den Wohnraum; Anhänger dieser Auffassung bevorzugen Boxen, die ein weiträumiges, entfernt klingendes, nicht unbedingt sehr brillantes, aber Tiefenstaffelung abbildendes Klangbild erzeugen. Sie sind manchmal bereit, für die Erfüllung dieser Forderung Verfärbungen in Kauf zu nehmen.

Anderen soll HiFi-Stereophonie die Partitur transparent werden lassen. Sie bevorzugen ein präsentes, ggf. flächiges, aber „verfärbungsfreies“ Klangbild. Der samtig-saftige und voluminöse Klang, den „Dokumentaristen“ bevorzugen, schlägt sie weniger in Bann als vielmehr jene „Indiskretion“, die eine exakte Klangdefinition der Instrumente zulässt. Natürlich ist es vermessen, die beiden Erwartungshaltungen so eng zu definieren. Die Übergänge sind durchaus fließend und auch von der jeweiligen Stimmung abhängig, in der man Musik „aufsucht“.

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4.2 - Komplexe Kriterien


Außer nach diesen als Gegensatzpaare definierten Eigenschaften wird mitunter nach komplexeren Kriterien getestet, die teils der Technik, teils der Musik nahe stehen, Einige sollen im Folgenden erläutert werden.

Gute Bässe und saubere Mitten

Als gut kann die Basswiedergabe nur bezeichnet werden, wenn sie stark genug und zugleich hinreichend sauber, präzise, impulstreu ist. Bei den meisten Lautsprechern sind die Bässe entweder stark, aber nicht sauber, oder hinreichend prägnant, aber schwach, ohne Wucht. Meist legen die Konstrukteure (oder der sie majorisierende Vertrieb) mehr Wert auf Quantität als auf Qualität der Basswiedergabe.

Vorsicht ist bei kleinen und mittelgroßen Passivboxen geboten, wenn ihnen hervorragende Basswiedergabe nachgesagt wird, oder wenn sie zunächst einmal durch eine gewaltige Klangfülle erstaunen lassen. Es gibt zwar einige kleine Regallautsprecher, die erstaunliches im Bassbereich leisten können, aber man muss sie praktisch mit der Laterne suchen. Bei kleinen Boxen sollte man einen sauberen, schlanken Klang (nicht zu hell und spitz!) erwarten. Ihm ist m.E. gegenüber dicken, bumsigen, verschwommenen Bässen der Vorzug zu geben.

Tests zur Qualität der Basswiedergabe

Die Qualität der Basswiedergabe läßt sich gezielt untersuchen:
  • Kann man große Trommel und Pauke, Kontrafagott und Bass auseinanderhalten? Wenn nicht, lässt die Impulstreue im Bassbereich zu wünschen übrig.
  • Ist eindeutig zu hören, dass Kontrabässe Streichinstrumente sind? Brummen (nicht summen!) sie auch noch im tutti? Oder fabrizieren die Lautsprecher nur laute, tiefe Töne?
  • Sind Glissandi in den tiefen Lagen in etwa gleich laut, oder springt die Lautstärke in Abhängigkeit von der Tonlage, und zwar bei allen Schallplatten?
  • Wird das Ziehen eines weiteren Registers (im Bass) auch als Änderung der Klangfarbe deutlich, oder steigt nur die Lautstärke ein wenig an?
  • Klingt beim Konzertflügel die unterste Oktave rein wie eine Glocke, oder bellt das Instrument? Oder schwimmt es?
  • Können Bässe und Celli exakt auseinander gehalten werden? Celli und Bratschen auch?
  • Sind Bassposaunen in den oberen Lagen noch von Tenorposaunen zu unterscheiden?
Eine „dicke“ und unsaubere Basswiedergabe hat immer einen weiteren Fehler im Gefolge: verdickte, aufgeschwämmte, umwölkte, jedenfalls wenig transparente musikalische Mitten. Bei vielen deutschen Lautsprechern wird dieser Fehler durch unangemessene Höhenanhebung verdeckt; er fällt erst nach längerer Hörzeit auf! Beide Fehler haben ein und dieselbe Ursache: das Basschassis ist nicht schnell genug, und die Bassmembran führt ein reichhaltiges Eigenleben (hohe Klirr- und Modulationsverzerrungen).

Saubere Mitten sind wichtig, aber selten

Ein Kenner des Lautsprechermarktes hat einmal gesagt: »Ich bin schon sehr zufrieden, wenn ein Lautsprecher gute Mitten hat.« In der Tat klingen die meisten Boxen so, als bestehe Musik im Wesentlichen aus Bässen und Obertönen, oder als hätten die Konstrukteure ihren ganzen Erfindungsgeist bei der „Gestaltung“ der Bass- und Höhenwiedergabe verpulvert, so dass für die musikalischen Mitten nichts mehr übrig geblieben ist.

Saubere Mitten bedeuten hohe Klangdefinition der Instrumente, durchsichtige Wiedergabe auch komplexer Klänge und ein freies, unverhangenes Klangbild. Hieraus geht hervor, dass die isolierte Betrachtung der Mitten eigentlich an den technischen Gegebenheiten eines Lautsprechers vorbeigeht. Denn saubere Mitten, im beschriebenen Sinne, haben zur Voraussetzung, dass die Wiedergabe des Bassbereich impulstreu und nicht zu fett ist, und dass gleichzeitig der Hochtöner verzerrungsfrei arbeitet. Insofern ist das Kriterium „saubere Mitten“ recht umfassend; es qualifiziert gewissermaßen die Box als Ganzes.

Boxen mit sauberer Mittenwiedergabe zeichnen Streicher in allen Lagen seidig und weich. Geigen haben „viel Holz“, Holzbläser klingen warm und volltönend, Blechbläser offen und räumlich. Eine gute Mittenwiedergabe bedingt ein auf Anhieb „angenehmes“ Klangbild, weil es „natürlich“ ist. Chöre singen auch bei sehr hohen Lautstärken „sauber“, sie schreien nicht. Überhaupt scheint das Ausmaß an Aggressivität, das eine Box entwickelt, in engem Zusammenhang mit der Sauberkeit der Mittenwiedergabe zu stehen, denn erfahrungsgemäß sind aggressive Boxen in den meisten Fällen zugleich auch mittenschwach oder in den Mitten verzerrt.

Sprache – ein hervorragendes Testmaterial

Es gibt nur wenige Lautsprecher, die Sprache ohne Verfälschung wiedergeben können. In der Regel kann (muss) man zwischen drei Alternativen wählen: „gepresste, zischende, harte Stimme“ oder „topfige und basslastige Stimme“ oder „gepresste, zischende und zugleich basslastig-topfige Stimme“. Die dritte Alternative liegt noch innerhalb der High-Fidelity. So weit ist der Qualitätshorizont von HiFi-Anlagen gespannt!

Einige wenige Lautsprecher sind in der Tat so gut, dass sie Sprache frei, unverhangen, ungepresst, prägnant und „auf den Zentimeter genau ortbar“ reproduzieren können, ohne scharfe s-Laute, ohne dass Zischlaute „verspuckt“ erscheinen, mit exakter Differenzierung von „t“ und „tz“, und ohne künstliche „Verlängerung“ von Nasallauten. Sie gehören zu den besten des Weltmarkts: Lässt man aus solchen Lautsprechern ohne Vorankündigung einen Sprecher ertönen, so kann es geschehen, dass der überraschte Hörer sich im Raum umblickt und den Sprecher sucht. Ähnliche Überraschungseffekte lassen sich in dieser Qualitätsklasse mit Geräuschen (Uhrenschlag, fallende Gegenstände u.ä. „alltägliche“, „raumtypische“ Geräusche) erzeugen.

Die Qualität der Sprachwiedergabe ist in höchstem Maße von der Aufnahmequalität abhängig. Ansagen im UKW-Rundfunk sind meistens untaugliches TestmateriaI. Zu solchen Tests ist man auf gute Schallplattenaufnahmen angewiesen – und auf einen sehr impulstreuen Tonabnehmer, der nicht seinerseits die beschriebenen Verfälschungen produziert. Denn mit der Impulstreue der Wandler (und der Elektronik natürlich auch, aber da ist das Problem weithin gelöst) steht und fällt die Qualität (auch) der Sprachwiedergabe. Erfahrene Tester hören deshalb zunächst einmal (und natürlich abschließend) „in die Sprache hinein“.

Impulstreue

Man versteht unter Impulstreue u.a. die Fähigkeit eines Lautsprecherchassis bzw. einer Box, jedes elektrische Signal ohne Zeitversatz zu wandeln. Ein theoretisch vollkommen impulstreuer Lautsprecher braucht weder Zeit zum Einschwingen, noch zum Ausschwingen.

Das „A und O“ der Klangqualität

Das Verhalten eines schwingungsfähigen Systems lässt sich beschreiben mittels des sogenannten Amplitudenfrequenzgangs, welcher üblicherweise gemessen wird, und mittels des sogenannten Phasenfrequenzgangs, dem man nur höchst selten messtechnisch beizukommen trachtet. In der Tat ist es heute relativ leicht, eine Box mit ausgeglichenem Amplitudenfrequenzgang zu konstruieren. Aber die Zahl der hinreichend impulstreuen Boxen, die sich also durch minimale Ein- und Ausschwingzeiten auszeichnen, kann man an den Fingern einer Hand abzählen. In Begriffen wie „Impulstreue“, „Zeitverhalten“, „Phasengang“ oder „Schnelligkeit“ einer Box ist ein zentrales und höchst schwierig zu erfüllendes Qualitätskriterium angesprochen. Gewitzte Tester, die sich auf die Schnelle ein Urteil über die Qualität einer Box bilden müssen, untersuchen deshalb vorrangig ihr Impulsverhalten. Denn tatsächlich sind im Impulsverhalten eines Lautsprechers seine wichtigsten technisch-akustischen bzw. klanglich-ästetischen Eigenschaften beschlossen. Leider lässt sich, etwa wegen ungeeigneter Programmquellen, schlechten Programms oder fehlender Messeinrichtungen, die Impulstreue einer Box nicht immer exakt überprüfen. Dennoch hierzu einige Hinweise:

„Angenehme“ Störgeräusche

Jeder kennt die Störgeräusche, die ein UKW-Empfänger produziert, oder die beim Abspielen von Schallplatten entstehen: Rauschen, Zischen, Knacken. Von einem sehr guten Lautsprecher muss man verlangen, das er auch Störgeräusche „einwandfrei“ überträgt. Bei einer impulstreuen Box sind sie erträglicher, nicht so aufdringlich, aggressiv und störend wie bei wenig impulstreuen. Vergleicht man zwei Boxen miteinander, so ist diejenige im Zweifelsfall die impulstreuere und verzerrungsärmere, bei der die höherfrequenten Störgeräusche weniger unangenehm auffallen. Natürlich müssen die verglichenen Boxen in etwa gleich timbriert sein. Eine höhenschwache Box schneidet bei diesem Test nur scheinbar besser als eine sehr brillante ab. Es ist eine Binsenweisheit, dass man durch Zudrehen des Höheneinstellers Störgeräusche unterdrücken kann. Ist aber die Höhenwiedergabe der zu vergleichenden Boxen in etwa gleich, dann kann man tatsächlich große Unterschiede in der Lästigkeit der Störgeräusche feststellen.

Prägnate Bässe

Saubere Impulsverarbeitung im Bassbereich läßt sich mit gezupften Bässen und Pauken prüfen. Je knalliger oder härter der Ton „anschwingt“, desto impulstreuer arbeitet die Box im Bassbereich. Nicht minder wichtig ist auch die kurze Ausschwingzeit, und mit der hapert es oft. Kurze Ausschwingzeiten zeigen sich, wenn man sehr schnelle Basspizzicati hört. Man muss dann exakt jeden einzelnen Ton identifizieren können. Paukenwirbel macht den meisten Boxen zu schaffen, zumindest den bassgewaltigen und voluminösen. Nur bei wirklich guten Boxen ist statt eines undeutlichen tiefen Dröhnens oder Brummens die Schlagfolge des Wirbels zu erkennen. Insbesondere pianissimo-Wirbel stellen hohe Anforderungen an die Impulstreue einer Box, aber auch an die Aufmerksamkeit des Testers. Sprachübertragung klingt nur dann „natürlich“, wenn die Lautsprecher impulstreu arbeiten.

Klarere Stereoeffekte

Das Impulsverhalten eines Lautsprechers prägt in hohem Maße die „Gelöstheit“ des Klangbilds: Nicht ausreichend phasenrein übertragende Boxen bleiben in der Regel als Schallquellen eindeutig identifizierbar. Der Klang kommt „aus dem Kasten“; er hebt sich nicht von den Boxen ab. Das Klangbild erscheint auf seltsame Art „gefesselt“ zu sein. Führt man solchen Boxenpaaren Stereoinformationen zu, die einer sich mit gleichförmiger Geschwindigkeit von links nach rechts – oder umgekehrt – bewegenden Schallquelle entsprechen, und hört man im optimalen Hörpunkt ab, dann verharrt die reproduzierte Schallquelle zunächst zu lange in und in Nähe der linken Box, huscht dann zu schnell über den Bereich mitten zwischen den Boxen und verharrt wiederum zu lange bei und in der rechten Box.

Einfacher und realistischer ist folgender Test: Die beiden Stereolautsprecher geben ein Monosignal wieder. Der Tester befindet sich in der optimalen Hörposition, zumindest mitten zwischen den Boxen (Basismitte). Sollte die virtuelle Schallquelle nicht exakt mittig zwischen den Lautsprechern zu orten sein, so muß ggf. der Balanceeinsteller am Verstärker betätigt werden. Ein Tipp: Die Lokalisation ist am präzisesten, wenn sich die Ohren in Höhe des Mitteltöners (oder Hochtöners) befinden und – das ist wichtig – der Kopf weitgehend geneigt ist (Kinn auf der Brust, Schädeldecke in Richtung auf die Lautsprecher).

Bewegt man sich in dieser Haltung (langsam!) aus der Basismitte auf eine der Boxen zu, so muss die Schallquelle „ausscheren“, „mitwandern“, und zwar umso weiter, je mehr man sich einer Box nähert. Je präziser die Lokalisation (in jeder Hörposition!) und je klarer abgegrenzt die virtuelle Schallquelle erscheint, desto besser sind Phasengang bzw. Impulsverhalten des Lautsprecher-Paars. Je unschärfer das Schallereignis abgebildet wird, desto unsauberer arbeiten die Boxen. Bei den meisten Lautsprechern treten bereits bei einer geringen seitlichen Verlagerung der Hörposition deutliche Verwischungseffekte auf. Dieser Test sollte, um den Einfluss der Raumakustik weitestgehend auszuschalten, bei mittlerer Lautstärke durchgeführt werden. Auch sollten die Lautsprecher keinesfalls in einer Raumecke stehen!

Schaltet man bei phasengetreuen Boxenpaaren den Verstärker von mono auf stereo um, so ist der Unterschied zwischen beiden Verfahren sehr deutlich zu hören. Je höher die Phasentreue eines Lautsprecherpaares ist, desto größer und überzeugender ist der Unterschied zwischen monauraler und stereophonischer Übertragung, hinreichende Kanaltrennung der vorgeschalteten Wandler und Übertragungsglieder vorausgesetzt. Tatsächlich ist die Räumlichkeit einer Stereowiedergabe bei nur 20 dB Kanaltrennung (z. B. des Tonabnehmers) und phasenstarren Lautsprechern erheblich größer als beispielsweise bei 40 dB Obersprechdämpfung und nicht phasenstarr arbeitenden Boxen, ansonsten hervorragende Übertragungseigenschaften vorausgesetzt. Von besonderer Bedeutung scheint die phasenstarre bzw. impulstreue Verarbeitung des Frequenzbereichs von ca. 800 bis 3000 Hz zu sein.

Wichtig sind identische Lautsprecher

Wichtig ist, dass das Boxenpaar in sich phasenstarr ist. Das bedeutet, dass die Phasengänge der beiden Boxen eines Stereopaars möglichst identisch sein sollen. Das ist ebenso wichtig wie die Phasenreinheit des
einzelnen Lautsprechers. Bei manchen Lautsprecherherstellern scheinen die Boxenpreise, gemessen an Bruttovolumen und Belastbarkeit der Boxen, gegenüber der Mehrzahl der Konkurrenten überzogen. Dieser Mehrpreis kann mitunter bedingt und gerechtfertigt sein durch ein besseres Phasenverhalten der Boxen.

Bei vielen Lautsprechern wird dadurch Impulstreue vorgetäuscht bzw. mangelhafte Impulstreue zu kompensieren versucht, dass der Hochtonpegel überzogen (und verklirrt) ist. Deshalb scheinen mitunter hell timbrierte Lautsprecher impulstreuer zu sein als dunkler getönte. Ob das der Fall ist, lässt sich folgendermaßen prüfen:

Zunächst werden die Boxen aus normaler Entfernung gehört, dann aus einer Position zwischen ihnen oder hinter ihnen, oder auch in einem benachbarten Raum (durch die offene Tür). Diejenige Box ist die impulstreuere, die beim Hören in der „unüblichen“ Position sauberer, heller, durchsichtiger, lebendiger, direkter und anspringender erscheint. „Kompensierende“ Modelle verlieren bei diesem Test deutlich an Durchsichtigkeit. Sie klingen gegenüber impulstreueren sogar mittenschwach und im Bass überbetont.

Richtcharakteristik ist auch eine Frage der Impulstreue

Hieran wird erkennbar, dass ein Zusammenhang zwischen Impulstreue und Richtcharakteristik besteht. Im Allgemeinen wird die Richtcharakteristik eines Lautsprechers als gut bezeichnet, wenn er den gesamten Frequenzbereich, insbesondere die Mitten und Höhen, in einem breiten Winkel abstrahlt. In dem eben beschriebenen Test sind impulstreue Boxen auch dann deutlich überlegen, wenn ihr Abstrahlwinkel im Hochtonbereich kleiner ist als der von „kompensierenden“ Typen.

Das geht auch noch aus einem anderen Vergleich hervor: Schneidet man (mittels steilflankiger Filter) die Frequenzen über 8 kHz ab, so wird das Klangbild „kompensierender“ Boxen deutlich stumpfer, undifferenzierter, undurchsichtiger. Bei impulstreuen Lautsprechern bleiben dagegen Klangdefinition und Lebendigkeit des akustischen Geschehens in höherem Maße erhalten. Sie klingen heller.

Meß- und Hörvergleiche zeigen, dass das Impulsverhalten von Lautsprechern im Hinblick auf höchstmögliche Klangqualität gegebenenfalls wichtiger ist als ein auf ± 2 dB linearisierter Amplitudenfrequenzgang, gleichwohl dieser nicht unwichtig und auch eine Voraussetzung für gutes Impulsverhalten ist. überspitzt formuliert kann man sagen, dass Impulstreue mit das wichtigste, zumindest das am schwersten zu erfüllende Qualitätskriterium eines Lautsprechers ist. Gleiches gilt auch für Tonabnehmer und Verstärker; beim Verstärker ist es allgemein anerkannt, beim Lautsprecher jedoch nicht.

Dass das Impulsverhalten, also das Ein- und Ausschwingverhalten von Lautsprechern, von ausschlaggebender Bedeutung für seine Klangqualität ist, wird erkennbar, wenn man eine monaurale Klavier-Tonbandaufnahme „falsch herum“, von hinten nach vorn abspielt. Auch lang ausgehaltene Akkorde sind dann nicht mehr als Klavierklang zu identifizieren, obwohl, insgesamt gesehen, frequenzamplitudenstatistisch „alles stimmt“. Allerdings sind die zeitlichen Zusammenhänge von Frequenz und Amplitude durcheinandergeraten. Und das verfälscht den Klang.

Dynamische Präzision und Programmunabhängigkeit

Impulstreue Boxen werden nicht in dem Maße lästig wie „langsamere“. Viele Musikkenner ziehen eine impulstreue Box selbst dann einer weniger impulstreuen vor, wenn sie nicht so „neutral“ und „verfärbungsfrei“ ist wie diese; denn „neutrale“, „verfärbungsfreie“ Lautsprecher (des deutschen Werbers und Testers liebstes Kind) können auf Dauer steril und lästig wirken, sich als „unmusikalisch“ entpuppen. Und gerade „Musikalität“ ist es, was impulstreue Boxen vor anderen auszeichnet. „Musikalische Boxen“ (dem Techniker dürfen sich beim Lesen dieses Begriffes die Haare sträuben) sind – und das macht wahrscheinlich ihre Musikalität aus – dynamisch präziser und programmunabhängiger als andere, „nur klang-neutrale“ Modelle.

Bild
Diese Analyse zeigt, warum das Impulsverhalten von Lautsprechern von ausschlaggebender Bedeutung für die Klangqualität ist, bzw. warum die Phasenverhältnisse der Schallanteile bei Mehrwegelautsprechern nicht bedeutungslos sind.

Tests für dynamische Präzision

Unter dynamischer Präzision versteht man die Fähigkeit eines Lautsprechers, alle Lautstärkeunterschiede exakt zu reproduzieren. Zum Beispiel darf bei einem fulminanten Sprung vom pianissimo des Soloinstruments ins fortissimo des ganzen Orchesters die Durchsichtigkeit des Klanggeschehens nicht (für einen kurzen Augenblick) leiden, etwa indem das Orchester sich „verschluckt“ oder hörbare Verzerrungen auftreten. Kompaktboxen neigen dazu, solche Dynamiksprünge „einzuengen“, „auf gebremstem Schaum ins fortissimo zu gleiten“.

Gleichermaßen ist nur ein impulstreuer Lautsprecher in der Lage, geringste dynamische Nuancen und Schattierungen nachzuzeichnen, beispielsweise Uneinheitlichkeiten in der Bogenführung, Schwierigkeiten beim Tonansatz, Unregelmäßigkeiten in der Schlagtechnik des Paukers usw. Solche dynamischen Feinheiten werden in der Regel von kleinen und passiven Kompaktboxen (luftdicht geschlossenes Gehäuse) unterschlagen.

Mangelt es der Wiedergabe an dynamischer Präzision, so wirkt sie auf Dauer – trotz Neutralität, Verfärbungsfreiheit, Ausgewogenheit und Transparenz – langweilig, technisch-steril; es fehlt der „Atem“, der über die Wahrnehmung des guten Klangs hinaus in die Sphäre des Musikerlebens führt und der Musikwiedergabe Lebendigkeit und anspringende Unmittelbarkeit verleiht, statt bloße technisch-nackte Direktheit.

Natürlich haben die Techniker Recht: Das lässt sich z.Zt. noch nicht messtechnisch erfassen. Natürlich: Musikalische Erlebnisse lassen sich nicht in Messdaten umsetzen, und außerdem sind die heute praktizierten Messverfahren sehr primitiv angesichts der Komplexität der Messobjekte „Lautsprecher“ und „Mensch“.

Pegelabhängigkeit der Klangqualität

Es gibt nur wenige Lautsprecher, die bei allen Lautstärken gleich bzw. gleich gut klingen. Kompaktboxen beispielsweise in der Regel erst bei recht hohen Lautstärken eine befriedigende Durchsichtigkeit. Andere Boxen können nur innerhalb recht begrenzter Lautstärken qualitativ überzeugen. Deshalb ist es unumgänglich, vor der endgültigen Wahl eines Lautsprechers im Hörraum länger dauernde Hörvergleiche (Langzeittests) in den „üblichen“ Lautstärken durchzuführen. Die Erfahrung zeigt, dass die Pegelabhängigkeit der klanglichen Qualität eines Lautsprechers in – sinnvollen Lautstärkebereichen – umso geringer ist, je impulstreuer er arbeitet.

Programmabhängigkeit ...

Selbst bei hochwertigen Lautsprechern kann man mitunter feststellen, dass die einen gut Kammermusik, andere gut großorchestrale Werke, manche befriedigend Holzblasinstrumente und wieder andere befriedigend Blechblasinstrumente reproduzieren. Nur gibt es kaum eine Box, bei der alle Klangstrukturen gleich gut und verfälschungsfrei „kommen“. Dass viele Hersteller es bewusst darauf anlegen, für bestimmte Programmsparten Lautsprecher mit bestimmten akustischen Eigenschaften zu bauen, ist hinlänglich bekannt. Einige Entwickler sind sogar der Auffassung, man müsse für U- und E-Musik (E-Musik = „klassische Musik“, „ernste“ Musik; U-Musik = Unterhaltungsmusik, aber auch Pop und Beat) grundsätzlich unterschiedliche Lautsprechertechniken bzw. Klanggestalten entwickeln. Dass hierbei zeitgenössische, ja auch spätromantische E-Musik mit James Last einerseits und Emerson Lake & Palmer andererseits in einen klanglichen und signalstatistischen Topf geworfen werden, verdeutlicht ihren Standort.

Bei den besten Lautsprechern klingt E-Musik „natürlicher“ als U-Musik; aber das ist nicht den Lautsprechern „anzulasten“, sondern der Art und Weise der Produktion solcher Musik. Bei guten Lautsprechern wird deutlich, dass bei Aufnahmen mit rd. zwanzig Mikrofonen und bei Verwendung zahlreicher Entzerrer, Filter, Dynamikkompressoren sowie bei der Technik der mehrkanaligen Aufnahme die originalen Verhältnisse des akustischen Signals verfälscht werden. Die Folge davon ist das übliche sterile, in den Geigen nicht chorische, sondern drahtige Klangbild. „Programmunabhängigkeit“ sollte also bei Lautsprechern lediglich insofern gegeben sein, als sich unterschiedliche und unterschiedlich komplexe Aufnahmeverfahren positiv oder negativ auf die Klangqualität auswirken. Erfahrungsgemäß sind Klangdefinition, Transparenz und „Atem“, aber auch Räumlichkeit und räumliche Differenziertheit bei jenen Aufnahmen am besten, die mit geringem mikrofonalem und elektronischem Aufwand erstellt worden sind.

... kann auch ein Qualitätsmerkmal sein

Sehr gute, impulstreue Lautsprecher sind deshalb auch daran zu erkennen, dass bei ihnen eben nicht jede Aufnahme gut und überzeugend klingt, sondern dass sie die Qualität der Aufnahme sozusagen demaskieren. Hier schlägt der Vorteil der hohen Qualität bisweilen in einen Nachteil um: Je hochwertiger ein Lautsprecher ist, desto öfter wird sich der Hörer über die Qualität einer Aufnahme ärgern.

Bei Hörvergleichen in der obersten Qualitätsklasse muß deshalb das zum Testen verwendete Musikprogramm sehr sorgfältig ausgewählt werden. Auch an der Qualität der zu Hörvergleichen verwendeten Schallplatten lassen sich Seriosität und Qualifikation eines Fachhändlers ablesen.

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Klangliche Eigenschaften von Lautsprechern

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4.3 - Ein Negativbeispiel: Bluffer


Auf Ausstellungen und in manchen HiFi-Läden kann man bisweilen Interessenten und Kunden begeistert Lautsprechern „zuhören“ sehen, die miserabel klingen. Solche, zumeist mit ohrenbetäubender Lautstärke vorgeführten Modelle sind tückische Bluffer. Selbst erfahrene Tester gehen ihnen mitunter auf den Leim, vor allem in Kurzzeittests. Auch renommierte Testsieger sind manchmal Bluffer.

(Bei der folgenden Charakterisierung der Bluffer kommt es teilweise zu einer Wiederholung dessen, was bereits über die Klangeigenschaften von Lautsprechern gesagt worden ist. Diese Wiederholung ist beabsichtigt!)

Vorsicht bei viel Brillianz!

Man sei skeptisch, wenn Boxen besonders brillant klingen und sich durch „gute Höhenwiedergabe auszeichnen“. Oft sind sie nur höhenbetont. Solche Lautsprecher täuschen Durchsichtigkeit vor, sind aber eigentlich unnatürlich aufgehellt. Sie glänzen scheinbar mit einer besonders sauberen Wiedergabe der hohen Streicherlagen und der menschlichen Stimme, aber man hört mehr Obertöne als in natura, und die menschliche Stimme hat eine gewisse Schärfe. Hohen Streichern ist ein metallisches Flirren überlagert. Geigen klingen nicht chorisch, aufgefächert, sondern eng und scharf. Der Triangel legt sich zwar – ähnlich einer Mixtur bei der Orgel – über das Orchester, aber beim genauen Hinhören merkt man, dass er hart klingt, bisweilen auch ausgesprochen dünn. Eigentlich entgeht ihm sein typisches Klingen. Gleichermaßen werden Orchesterglocken oder Orffsche Glokkentürme nivelliert: Dem einzelnen Ton fehlt der spezifische und anschlagtypische Klang. Gleiches gilt für Tamtam, Gong und Becken. Sehr hell timbrierte Boxen scheinen durchsichtiger zu sein, eine bessere Klangdefinition zu geben als ausgewogene. Hier ist Vorsicht am Platz, und ein Langzeittest ist besonders wichtig. Bluffer erweisen sich im Langzeittest als wenig „natürlich“, geschweige denn als „angenehm“.

Bassbluffer sind an der Tagesordnung

Eine zweite Kategorie von Bluffern täuscht eine gute Basswiedergabe vor, aber der Bereich der tiefen Frequenzen ist „nur“ verklirrt. Gewiss, im Bereich unter 100 Hz empfindet der Mensch einen hohen Klirrfaktor nicht als Verzerrung. Vielmehr wird durch den klirrfaktorbedingten hohen Anteil an Oberwellen die Amplitudenstatistik im Bassbereich derart verändert, dass man die Verfälschung als starke Basswiedergabe empfindet. Bei kleinen und mittleren Boxen, die nicht den Anspruch erheben können, zur Spitzenklasse zu gehören, mag das als ästhetische Schönung im Sinne eines „ausgewogenen“ Klangbildes akzeptabel sein. Man höre einmal den Anfang von „Also sprach Zarathustra“. Jede Box wird den ersten Ton übertragen, mittlere und kleine erstaunlich stark, wegen des hohen Klirrfaktors. Aber es wird ein eigentlich undefinierbarer, tiefer, „dicker“ „umwölkter“ Ton sein. Eine gute Box bringt diesen Ton vielleicht nicht einmal lauter als eine der Kompromissklasse, aber substanzhaltiger. Und bei einer Box der Spitzenklasse ist vielleicht sogar der Bass „am schwächsten“. Aber er löst sich von der Box; er wird quasi auf der Haut spürbar; man kann die Instrumente identifizieren (von dem Problem, in einem Wohnraum -üblicher- Abmessungen noch einen Ton um die 40 Hz hörbar zu machen, ganz zu schweigen!).

Eng verwandt mit diesen Bassbluffern sind Boxen mit halligen, bumsigen Bässen. Mulmige Boxen erzeugen bei schnellen Läufen im Bassbereich ein nach Tonhöhe und Instrumentierung nicht exakt definierbares Klangbild. Boxen dieses Typs wirken oft auch in den unteren Mitten topfig. Es scheint, als säße ein Teil des Orchesters in einer riesigen Tonne.

Mulm bei der Cello-Wiedergabe

Leider geben die meisten Boxen den Bereich zwischen 40 und 600 Hz nicht klirrfrei und impulstreu wieder. Die Folge davon ist eine unnatürliche „Bassanreicherung“, die auch den Mittenbereich beeinflusst, so dass beispielsweise Sprecher zu sonor, zu dumpf klingen. Wer einmal das Vergnügen hat, eine Box zu erleben, die den besagten Bereich sauber reproduziert, weiß, dass diese Aussage mehr ist als eine Vermutung. Solche Boxen scheinen zunächst bassschwach zu sein. Aber wenn tatsächlich Bässe gefordert werden, sind sie voll da. über solche Boxen klingt ein Violoncello-Solo ungewöhnlich „natürlich“, direkt und plastisch, ohne jegliche „Wolke“ oder andersgeartete künstliche „Verdickung“.

Sollte sich im Lautsprecherbau die Tendenz durchsetzen, zumindest in der Spitzenklasse neue Wege zu gehen, so wird ein Umlernprozess notwendig werden. Erfahrungen haben nämlich gezeigt, dass solch außergewöhnlich saubere Wiedergabe zunächst als „unnatürlich“, wohl weil ungewohnt, angesehen wird. Erst nach längerem kritischem Hinhören geht dem vom üblichen Lautsprecherklang geprägten Hörer auf, dass die scheinbar „dünnen“ oder bassschwachen Lautsprecher eigentlich die ausgewogenen sind, weil sie den Bereich der Bässe und unteren Mitten nicht unnatürlich auffüllen, verdicken und verschleiern, umwölken, oder wie immer man es beschreiben will.

Diesen Umlernprozess wird wahrscheinlich nicht nur der Endkonsument durchmachen müssen: Dass (vor allem auch im Frequenzbereich. bis 300 Hz) sehr impulstreu arbeitende Lautsprecher bisweilen zu schlank, im oberen Bassbereich etwas ausgedünnt wirken, kann nämlich auch an den Aufnahmen liegen. Was macht wohl ein Tonmeister, wenn ihm der Klang (über seine weniger impulstreuen Monitore) zu dick, zu fett oder zu mulmig erscheint? Er senkt den entsprechenden Frequenzbereich ab. Und der Besitzer sehr hochwertiger Anlagen hat das Nachsehen.

Bluff im Präsenz- und Mittenbereich

Vorsicht ist auch bei Lautsprechern angebracht, die den Präsenzbereich, also die Frequenzen zwischen etwa 2000 und 4000 Hz angehoben haben. Sie bestechen zunächst durch ein sehr präsentes und offenes Klangbild, werden aber bei längerem Hinhören lästig. Man kann sie u.a. daran erkennen, dass Trompeten zwar strahlend, eigentlich aber etwas körperlos, spitz klingen. Auch Becken klingen zu wenig, sie zischen nur.

In gewisser Weise zählen zu den Bluffern auch jene Boxen, bei denen die Frequenzen um 500 Hz angehoben sind. Diese Mittenbetonung bedingt ein sehr angenehmes Klangbild, das offen und frei ist und eine „schöne Räumlichkeit“ erzeugt. Hört man genau hin, so wird deutlich, dass eine Verfärbung auftritt, die zwar nicht sofort als lästig empfunden wird, aber eindeutig eine Verfälschung ist. Solche Boxen „lieben“ vor allem Holzbläser. In früheren Jahren gehörten viele amerikanische Lautsprecher in diese Kategorie.

Gefährliche Bluffer sind mittenschwache Boxen. Gefährlich deshalb, weil sie von verbildeten Ohren nicht leicht erkannt werden; denn sie haben oft eine scheinbar saubere Bass- und Höhenwiedergabe. Auch diese Boxen ermüden, wenn man sie längere Zeit hört. Fehlen die musikalischen Mitten, so ist das Klangbild etwas eng und näselnd, bisweilen leicht gepresst und trotz vorhandener Höhen gedeckt. Die menschliche Stimme (Chöre in Kantaten) tritt scheinbar zurück, wirkt etwas entfernt. Vielleicht produzieren Hersteller, die die verbildeten Hörgewohnheiten ökonomisch nutzen wollen, mit Absicht solche Boxen. Mittenschwache Boxen zeigen ihre Schwächen besonders bei geringen Wiedergabelautstärken: Dann klingen sie unausgewogen, gepresst und verhangen. Sie sind bei konzentriertem Hinhören als deutlich flach zu identifizieren. Je nach dem Schwerpunkt der Einsattelung im Frequenz- gang lassen sie bestimmte Instrumente des Orchesters dominieren und andere im Gesamtklang untergehen.

Vorgetäuschte Transparenz und Räumlichkeit

Insbesondere die bereits erwähnten überbrillanten Bluffer täuschen oft eine impulstreue Abstrahlung vor, eine gute Stereowirkung oder einen sich vom Lautsprechergehäuse lösenden Klang. Genau besehen übertragen sie aber -nur- Ströanteile, insbesondere Rauschen (von der Platte, vom Band oder vom Tuner). Es ist ein bekanntes Phänomen, dass Musik, der ein „winziges“ Rauschen überlagert ist, sich als transparent und räumlich darbietet. Die besagten Bluffer übertragen das Rauschen genau in der Stärke, die zur Erzeugung des scheinbaren Eindrucks von Transparenz nötig ist. Im Langzeittest müssten solche Bluffer jedoch demaskiert werden.

Auch viele scheinbar bassstarke Boxen täuschen eine gute Räumlichkeit des Klangbilds vor. Dieser Effekt beruht mit darauf, dass Ein- und Ausschwingverhalten (Impulstreue) im Bass schlecht sind. Da solche Boxen den Bass eigentlich nur „verzögern und verlängern“, erzeugen sie eine gewisse Halligkeit, die mit Räumlichkeit nichts zu tun hat.

Schließlich sei noch auf Bluffer aufmerksam gemacht, die eine gut Basswiedergabe dadurch vortäuschen, dass der Präsenz- und/oder Obertonbereich überhöht ist. Hierzu gehören oft kleine Kompaktboxen, denen prägnante Basswiedergabe nachgesagt wird. Man kann sie leicht überführen: Dreht man am Verstärker den Höheneinsteller etwas zurück, dann wird nicht nur das Klangbild dunkler getönt, sondern die vorher so überzeugende Basswiedergabe ist nicht mehr vorhanden: Kontrafagott, Kontrabass und Orgelpedal haben wieder zu viel „Wolke“, sind zu stark, unpräzise, topfig, bumsig.

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