Aktives Vintage: Backes & Müller BM 10 V-FET

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Rudolf
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Aktives Vintage: Backes & Müller BM 10 V-FET

Beitrag von Rudolf »

Liebe Backes-Freunde,

die Backes & Müller BM 10 gab es – ähnlich wie die BM 14 – nur relativ kurze Zeit von 1989-1991. Es handelt sich bei der BM 10 um einen 4-Wege-Lautsprecher, bei dem alle Töner geregelt sind. 1996 lebte die BM 10 dann (als Prozessor-Variante) wieder auf, aber dann als 3,5-Wege-System und daher eher als Nachfolger der BM 8.

Die Presse war nicht unbedingt voll des Lobes. Ich zitiere aus dem Test der Stereoplay 1989/12:
Stereoplay hat geschrieben:Der Klang der BM 10 polarisierte die Gemüter wie sonst kaum ein Lautsprecher. Allen Hörern imponierte ihre Attacke und Offenheit, die scheinbar spielerische Art, Details fast lupenhaft hervorzuheben, ihre Tendenz, die Musik regelrecht zu durchleuchten. Selbst tiefste Bassimpulse zuckten federnd straff und trotzdem wuchtig, nur im oberen Baß- und unteren Grundtonbereich klang die BM 10 etwas schmächtig – sie hatte sozusagen große Füße, aber dünne Beine.
[…]
Die BM 10 ist ein sehr sauber klingender und in vielen Einzelbereichen faszinierender Lautsprecher der Spitzenklasse I, dem allerdings noch etwas mehr Homogenität zu wünschen wäre.
Unterstrichen wird dieses Klangurteil durch einen arg unruhigen Frequenzschrieb aus dem zitierten Test:

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Auch der B&M-Spezialist Uwe Jessen äußert sich auf seiner Homepage wenig schmeichelhaft über diesen Lautsprecher: "… klanglich war der Lautsprecher kein Highlight."

Als ich auf Ebay-Kleinanzeigen die Verkaufsanzeige für eine gut erhaltene BM 10 im klassischen Esche-Look entdeckte, war mein Ehrgeiz also geweckt. Die BM 8 kannte ich ja bereits von Ralph Gottlob und warum sollte eine BM 10 nicht mindestens gleich gut klingen? Und schon bald standen sie bei mir:

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Beim Verkäufer handelte es sich um einen begeisterten Backes & Müller-Liebhaber, der allerdings kein Mitglied hier bei uns im Forum ist. Zur Zeit betreibt er eine von ihm selbst überholte, ganz ausgezeichnet klingende BM 40. Die BM 10 hatte er sich eher beiläufig zugelegt, das Projekt aber mangels Zeit nicht weiterverfolgt. Technisch waren die Boxen auf dem Stand des Vorbesitzers, der sie beim B&M Servicecenter Süd hatte überholen lassen. Mein Verkäufer hatte nach eigener Aussage nur den Bass herabgeregelt, weil er bei ihm zu vorlaut gewesen war.

OK, dachte ich, Acourate wird es bestimmt schon richten. Aber denkste! Zu Hause angekommen und an meinen Abacus AroioSU angeschlossen, konnte ich die Verzweiflung der Stereoplay-Tester nachvollziehen, doch wenigstens ein paar nette Worte für diesen Lautsprecher zu finden. Johnny Cash, mein persönlicher Maßstab für Männerstimmen, tönte wie aus einer Blechdose. Ein bisschen Tiefbass zwar, aber kein Grundton, null, nix, niente. Nichts von der Magie, die mich zuvor an der BM 8 von Ralph Gottlob so fasziniert hatte.

Nach Rücksprache mit dem sehr hilfsbereiten Verkäufer bot dieser mir an, die Lautsprecher bei mir zu Hause neu einzupegeln. Gesagt getan, schlug er beim nächsten Wochenende bei mir auf.

Exkurs Pegeleinstellung bei B&M-Lautsprechern:
"Old-school" ist es anscheinend bei B&M (gewesen?), die Lautsprecher mit einem Frequenzgenerator und einem Voltmeter einzupegeln. Dazu wird für jeden Töner eine Referenzfrequenz aufgelegt und auf der Frequenzweiche ein festgelegter Spannungswert (Pegel) eingestellt.

Die Referenzwerte für die BM 10 hatte mein Verkäufer von einem Servicemitarbeiter erhalten. Diese hatten wir zunächst eingestellt und danach gegengehört. Im Tiefbass jetzt um einiges lauter (den hatte der Verkäufer ja zuvor heruntergeregelt) aber ansonsten mit den bekannten Eigenarten. Solchermaßen ziemlich frustriert schlug ich eine andere Vorgehensweise vor und zwar die Einstellungen per Frequenzschrieb durchzuführen. Leider ist uns dann gleich bei der ersten Messung die Endstufe eines Mitteltöners abgeraucht.

3 Wochen später ...

Nach dem Einbau der reparierten Endstufe ging es weiter mit den Einstellarbeiten. Dabei sind wir wie folgt vorgegangen: Wir haben zunächst mit ausgebautem Verstärkereinschub den HT, MT und TMT nach Frequenzschrieb per CARMA* eingestellt. Insbesondere der TMT war nachhaltig falsch (zu niedrig)** eingestellt. Zur Messung und Einstellung des TT haben wir den Verstärkereinschub dann mehrfach ein- und ausbauen müssen***, bis ich mit dem Frequenzgang einigermaßen zufrieden war.

*) Kostenlose Messsoftware von Audionet; ist zum Einpegeln der Frequenzweiche praktischer als Acourate
**) falsch in Bezug auf den Frequenzgang; richtig dagegen in Bezug auf die Spannungswerte, die dem Verkäufer von dem Servicemitarbeiter mitgeteilt worden waren.
***) den Frequenzgang des TT kann man bei geöffnetem Gehäuse nicht messen; den der anderen Töner dagegen schon, denn sie befinden sich in einem eigenen, geschlossenen Gehäuse. Eine Schweinearbeit übrigens, denn der Verstärkereinschub einer BM V-FET ist nicht mal so eben aus- und wieder eingebaut.

Als das erledigt war, haben wir mit Frequenzgenerator und Voltmeter die Einstellungen der jeweiligen Kanäle gemessen und anschließend auf die Frequenzweiche des zweiten Lautsprechers übertragen:

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Dann kam der Moment der Wahrheit und leider ein erneuter Schreck: Trotz nunmehr geglätteten Frequenzgangs klangen die BM 10 beim Soundcheck kaum besser als zuvor. Da meine Frau uns nun aber wegen einer Einladung zum Abbruch unserer Justagearbeiten drängte, verabschiedete ich den Verkäufer - nunmehr doch ziemlich frustriert - mit den Worten, dass ich die Lautsprecher wohl besser von einem Fachmann hätte einstellen lassen sollen.

Dabei hätte ich besser mal die alte Bundeswehr-Regel, vor einer Beschwerde erst eine Nacht vergehen zu lassen, beachten sollen: Am nächsten Morgen nämlich fiel mir ein, dass ich bei der Soundprobe in der Eile noch den Filter von den zuvor angeschlossenen Braun LV 1020 im Signalweg belassen hatte! Und da die Brauns ziemlich basslastig abgestimmt sind, verursachte deren Filter im Zusammenspiel mit den BM 10 ein nachhaltig anämisches Klangbild.

Also den Braun-Filter herausgenommen und endlich war der ersehnte Backes-Sound da! Das Sahnehäubchen setzte dann noch ein Acourate-Filter mit meiner persönlichen Zielkurve auf. Jetzt höre ich endlich so gut wie ich es mir erhofft hatte: Alle Frequenzbereiche sind gleichberechtigt da. Zur - dank des tiefreichenden Basses - hervorragenden Räumlichkeit gesellen sich nun auch die authentische Abbildung von Gesangstimmen und mittels der per Acourate hergestellten Paargleichheit eine felsenfeste Phantommitte hinzu. Mir geht es ähnlich wie Andi (Salvador) mit seinem Analog-Sound: Ich bin dem Backes-Sound vor vielen Jahren verfallen und auch nach Jahrzehnten rastet er sofort wieder ein. Ende gut, alles gut und auch an dieser Stelle nochmals ein dickes Dankeschön an den leidensfähigen Verkäufer! :D

Viele Grüße
Rudolf
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wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Hallo Rudolf,

Gratulation zur doch noch geglückten Abstimmung! Das hätte doch mit dem Teufel zugehen müssen - immerhin sind Chassis und Regelung in allen "Classics" fast gleich. Man kann trefflich streiten ob der zweite, kleinere Tieftöner, also die BM-10 überhaupt "nötig" war- ein Superhochtöner hätt's wohl eher "gebracht" :wink:

Die Voltmetermethode war, ist und bleibt mir zutiefst suspekt! Dann schon eher eine Terzanalyse mit Rosa Rauschen oder eben Frequenzgangmessung mit LogSweep!

Das "Sahnehäubchen" digitale Entzerrung bringt mbMn bei (den alten) BMs schon mehr als nur "ein bisschen" (guten DAC vorausgesetzt) :cheers:

Eigentlich sollten sich die Unterschiede zur BM-8 in (Oberbass-)Grenzen halten, sonst sind sie nicht "gleich" abgestimmt. Vielleicht berichtest Du bei Gelegenheit mal.

Also viel Spaß mit den BM-10en!

Grüße,
Winfried

3996
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Rudolf
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Beitrag von Rudolf »

Hallo Winfried,
wgh52 hat geschrieben:Eigentlich sollten sich die Unterschiede zur BM-8 in (Oberbass-)Grenzen halten, sonst sind sie nicht "gleich" abgestimmt. Vielleicht berichtest Du bei Gelegenheit mal.
hier ist eine Messung der BM 8 aus der HiFi-Vision (Ausgabe 07/1990), in die ich das Stereoplay-Diagramm der BM 10 hineinkopiert habe, so dass die beiden Graphen besser vergleichbar sind:

Bild

Die Frequenzgänge haben schon einen ähnlichen Verlauf, wobei die Berge und Täler bei der BM 8 insgesamt etwas weiter rechts liegen. Die Trennfrequenzen sind übrigens wie folgt:

BM 8: 200/1000 Hz
BM 10: 80/315/1250 Hz

Umso schöner, dass man Aktivboxen auch anders abstimmen kann. :wink: Nach meinen "Korrekturen" liege ich gehörmäßig jedenfalls sehr nahe an der BM 8, die ich mir von Ralph Gottlob hatte ausleihen dürfen.

Viele Grüße
Rudolf
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Fortepianus
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Beitrag von Fortepianus »

Hallo Rudolf,

freut mich, dass die alten Schätze wieder gut aufspielen. Dem Frequenzgang der Stereoplay
Rudolf hat geschrieben:Bild
kann man direkt entnehmen, dass man das blutleere Tal im Grundton mit einem schlichten Dreh am Pegelregler der TMT hätte beseitigen können, die von 80-315Hz spielen - gerade da ist die Senke mit ein paar dB Tiefe. Aber so waren die alten BM nun mal abgestimmt. Auch ganz typisch ist der Himmelssturm zum Hochton hin - deshalb klingen die guten alten BM, original abgestimmt, für meine Ohren recht scharf. Dafür gibt es eine ganz einfache Abhilfe: Gegenkopplung des HT ein wenig zurücknehmen, und schon ist der Frequenzgang gut da oben. Der GK-Regler des HT sitzt übrigens auf der Platine direkt am Chassis, GK weniger erreicht man durch Drehen gegen den Uhrzeigersinn.

Viele Grüße
Gert
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Rudolf
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Beitrag von Rudolf »

Hallo Gert,

den Hochtöner hatte anscheinend bereits das B&M Servicecenter Süd gebändigt, siehe mein Frequenzschrieb weiter oben. Und auch mit der aus heutiger Sicht verkorksten Abstimmung des TMT liegst du meines Erachtens goldrichtig. Der Spannungspegel lag bei 2,2 V und wir mussten ihn auf 4,6 V anheben!

Man muss sich wirklich fragen wie man mit einem solchermaßen abgestimmten Lautsprecher früher Musik gehört hat. Mich eingeschlossen, denn ich fand B&M schon damals toll! Sympathie macht sich offensichtlich nicht allein am Frequenzgang fest. :wink:

Viele Grüße
Rudolf
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