Gehen geregelte Lautsprecher "tiefer"?

Rudolf
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Gehen geregelte Lautsprecher "tiefer"?

Beitrag von Rudolf »

Bei passiven Lautsprechern ist die Sache klar: wenn Tiefgang gewünscht wird, zählt allein die Membranfläche!

Wie sieht die Sache dagegen bei geregelten Aktivlautsprechern aus?

Was meint ihr?

Viele Grüße,
Rudolf
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Franz
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Beitrag von Franz »

Meine Meinung dazu ist: Ja, sie können tiefer, haben aber weniger Schalldruck in den ganz tiefen Frequenzen. Und tiefe Frequenzen sind auf sehr vielen Aufnahmen gar nicht drauf. :mrgreen:

Bei Passivlautsprechern wird oft ein "Bass" vorgegaukelt, der in Wirklichkeit gar kein echter Bass ist, d. h. es kommt dort oft zu Überhöhungen des Frequenzbereiches so um 100 - 200 Hz. Das wird oft als sehr angenehm empfunden. Man hält das für "Bass".

Mal ein konkretes Beispiel: Ich hab alte Doors-Aufnahmen hier. Hab mal vor Jahren einen Spektrum-Analysizer angeschlossen und mit Erschrecken festgestellt, daß dort überhaupt keine (!) Frequenzen < 200 Hz (!) auf der Aufnahme aufgezeichnet waren. Wo soll da dann auch ein richtiger Bass herkommen? Solche Aufnahmen klingen dann halt eben "dünn". :mrgreen: Dafür kann man aber den Lautsprecher nicht schelten.

Gruß
Franz
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Ralph
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Beitrag von Ralph »

Rudolf hat geschrieben:Bei passiven Lautsprechern ist die Sache klar: wenn Tiefgang gewünscht wird, zählt allein die Membranfläche!
Nun, das ist nicht ganz richtig:
Bei der Passivlösung zählt das Produkt aus Membranfläche und Hub.
In Verbindung mit eventuell genutzten Resonatoren um den Bassbereich mittels genutzten Rückschall des Basslautsprechers wird dieser dann dem direkt abgestrahlten Schall phasenversetzt hinzugefügt. Da die Phase über den Frequenzgang schwankt, gibt es Frequenzbereiche mit Additionen der Schallanteile und welche mit Auslöschungen. Die Impulswiedergabe dieser offenen Systeme ist gegenüber geschlossenen Boxen entsprechend fragwürdig.

Bei der geregelten Aktivlösung ist die Phase über den Frequenzgang weitgehend stabil (wenn die Konstuktion gut ist). Die untere Grenzfrequenz ist, von der Gehäusegröße unabhängig, wählbar und wird lediglich durch die elektromechanische Leistungsfähigkeit der Komponenten im Pegel begrenzt. Hier hilft viel Hub und Fläche genauso wie bei Passivlautsprechern um maximale Pegel im Tiefbass abzustrahlen.
Die Impulswiedergabe ist bei guten geregelten / geschlossenen Systemen weitaus basser...

Auch in diesem Punkt ist die geregelte Box weitaus souveräner und über die Frage der unteren Grenzfrequenz erhaben.

Gruß,

Ralph
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Aktives Hören
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Beitrag von Aktives Hören »

Nachdem Ralph (zur Theorie) und Franz (zur Praxis) eigentlich schon
alles gesagt haben, hören wir nun Friedrich Müller:

Das ist einfach und kompliziert zugleich: ein geregelter Tieftöner kann
jede beliebig tiefe Frequenz produzieren; er wird ja durch die Regelung
veranlasst, jede Bewegung auszuführen.

Das hat aber zwei Begrenzungen: Erstens braucht man dann viel Kraft
(Verstärkerleistung), um bei großem Hub die Membran z.B. gegen die
Kraft des Luftvolumens zu bewegen. Zweitens hat der Hub natürlich
mechanische Grenzen.

Diese Grenzen sind bestimmt von Frequenz und gleichzeitig vom Pegel.
Innerhalb dieser Grenzen arbeitet das Chassis perfekt, also wenn die
Lautstärke nicht zu hoch und gleichzeitig die Frequenz nicht zu tief sind.
Das ist grundsätzlich anders als ein ungeregeltes System, bei dem die
Bassabstrahlung unterhalb einer bestimmten Frequenz immer abfällt,
auch bei geringen Lautstärken.

Viele Grüße!
Friedrich Müller
Rudolf
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Beitrag von Rudolf »

Nach dem nochmaligen Durchlesen eurer Antworten und der von Herrn Müller habe ich meinen Thementitel noch einmal präzisiert: Die geschilderten Besonderheiten im Tiefgang eines aktiven Lautsprechers scheinen mir nunmehr insbesondere auf dem Merkmal der Regelung zu beruhen.

Ich würde aber gerne noch etwas wissen: welche Rolle spielt bei geregelten System die Größe des - geschlossenen - Gehäuses? Nach dem, was ich bislang verstanden habe, keine allzu große, es sein denn, als innerer Luftwiderstand gegenüber der Membranauslenkung. Dem Widerstand könnte man aber doch mit Verstärkerleistung begegnen?

Noch weiter gesponnen: kann man mit Hilfe geregelter Systeme auch in sehr begrenzten Gehäusen diesselbe Bassleistung erzielen wie mit wesentlich größeren Boxen (bei Gleichheit der eingesetzen Chassis natürlich)?

Viele Grüße,
Rudolf
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Ralph
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Beitrag von Ralph »

Rudolf hat geschrieben:welche Rolle spielt bei geregelten System die Größe des - geschlossenen - Gehäuses?
Für die untere Grenzfrequenz keine. Lediglich der maximale lineare Hub des eingesetzten Tieftöners und die Verstärkerleistung begrenzen den zu erzielenden Maximalpegel.
Rudolf hat geschrieben:Noch weiter gesponnen: kann man mit Hilfe geregelter Systeme auch in sehr begrenzten Gehäusen diesselbe Bassleistung erzielen wie mit wesentlich größeren Boxen (bei Gleichheit der eingesetzen Chassis natürlich)?
Die Antwort ist ein klares Jein. 8)

Nun, die gleichen Chassis kann man so nicht einsetzten, da bei Passivlösungen ja der Sensor nicht vorhanden ist. Bei Ensatz der Regelung wird keine nachträgliche Korrektur von Auslenkungsfehlern der Lautsprechermembran vorgenommen, sondern ein neues System geschaffen welches, gegenüber ungeregelten Systemen, gänzlich neue Eigenschaften verfügt. Mit quasi frei wählbarer unterer Grenzfrequenz sind kleine geregelte Boxen größeren passiven "Möbelstücken" deutlich überlegen. Lediglich im Pegel wird die passive Box (bis zu ihrer naturgegebenen unteren Grezfrequenz) mehr bringen können. Die aktive Erweiterung im Tiefbass erkauft man sich mittels zusätzlicher Verstärkerleistung und viel Membranhub.

Gruß,

Ralph
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Rudolf
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Beitrag von Rudolf »

Danke Ralph, sehr verständlich formuliert!

Ich muss aber noch einmal nachhaken: spielt also die Gehäusegröße - da geschlossen - bei der Konzeption eines geregelten Lautsprechers keine Rolle?

Oder anders ausgedrückt, kann der durch die Membranauslenkung verursachte, in kleineren Gehäusen somit besonders hohe "innere" Luftwiderstand nahezu beliebig über Verstärkerleistung kompensiert werden?

Es gibt da doch bestimmt physikalische Grenzen, denn ich kann mir vorstellen, dass bei großen Hüben in kleinen, geschlossenen Gehäusen die Luft derart "zäh" wird, dass die Sicken und Membranen trotz Regelung nicht mehr richtig mitmachen, weil sie sich unter dem hohen Luftfdruck verformen.

Viele Grüße,
Rudolf
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Ralph
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Beitrag von Ralph »

Rudolf hat geschrieben:Es gibt da doch bestimmt physikalische Grenzen, denn ich kann mir vorstellen, dass bei großen Hüben in kleinen, geschlossenen Gehäusen die Luft derart "zäh" wird, dass die Sicken und Membranen trotz Regelung nicht mehr richtig mitmachen, weil sie sich unter dem hohen Luftfdruck verformen.
Klar gibt es da Grenzen, aber das kann Dir sicher Herr Müller ganz genau erklären. Schau mal, es gibt Subwoofer, bei denen das Gehäuse gerade mal groß genug ist um den Tieftöner und die Elektronik aufzunehmen. Dann macht solch ein Fahradschlauchsickentieftöner auch noch Hübe von +/-25mm oder mehr. (z.B. Sunfire Sub von Michael)
Da kommt es auf eine stabile Konstruktion an.

Gruß,

Ralph
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asb
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Beitrag von asb »

Bei der Entzerrung in kleinen, geschlossenen Gehäusen darf man aber auch nicht vergessen, dass man sich dabei ein nicht unwesentliches Maß an verlängerten Gruppenlaufzeiten einfängt.
Je nach Frequenz sicherlich zu "verkraften", aus dem Auge sollte man das m.E. aber auch nicht verlieren.
Bei BR ist das aber auch das "Problem".



Grüsse Andy
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Franz
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Beitrag von Franz »

Hallo Rudolf,

die Grenzen der Regelung im Bassbereich habe ich einmal selbst erfahren, als jemand bei mir anläßlich einer Hörprpobe eine Spezialaufnahme von "Also sprach Zarathustra" auflegte und diese mit einem irren Pegel abhörte. Nach 2 Minuten schalteten sich die Lautsprecher ab. Hier machte der Töner also mehr Hub, als die Regelung korrigieren konnte! Aber das waren auch dauerhaft tiefrequente Anteile. So hatte es noch nie in meinem Keller gegrollt. :mrgreen:

Gruß
Franz
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Rudolf
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Beitrag von Rudolf »

Interessant.

Könnte man also vielleicht folgendes "Theorem" aufstellen:

1. Geregelte Lautsprecher sind prinzipbedingt in der Lage, schon bei geringen Lautstärken ein hohes Maß an Tiefgang und Linearität zu erzeugen, selbst in kleinen Gehäusen.

2. Umgekehrt ist es zur Erzielung hoher Schallpegel aufgrund der starken Luftkomprimierung und der damit einhergehenden Nachteile bei geschlossenen Gehäusen notwendig, das Gehäuse (doch wiederum) zu vergrößern.

Ich schließe: geregelte Systeme sind perfekt für Leisehörer, zum Lauthören benötigen sie aber genausoviel (oder vielleicht sogar noch mehr?) Gehäusevolumen wie ungeregelte Lautsprecher.

Viele Grüße,
Rudolf
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Franz
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Beitrag von Franz »

Ich stimme deinen Schlußfolgerungen weitgehend zu. Nach meiner Erfahrung können Passivlautsprecher lauter. Dann verzerren sie aber auch hörbar. Mit meiner 501 kann ich laut genug hören, ohne daß sie komprimieren bzw. verzerren. Wenn ich allerdings ein extremer Lauthörer wäre, würde ich zu anderen Lautsprechern greifen bzw. bei Silbersand eine Nummer höher einsteigen. :mrgreen: Ich hab in Zweibrücken mal die 901 hören können. Die macht Pegel ohne jede Einschränkungen. Da fliegt einfach nur das Blech weg. :mrgreen:

Gruß
Franz
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Ralph
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Beitrag von Ralph »

Franz hat geschrieben:Nach 2 Minuten schalteten sich die Lautsprecher ab. Hier machte der Töner also mehr Hub, als die Regelung korrigieren konnte! Aber das waren auch dauerhaft tiefrequente Anteile. So hatte es noch nie in meinem Keller gegrollt.
Hallo Franz,

ich vermute, das sich in beschriebenem Fall die Endstufen aus thermischen Gründen abgeschaltet haben. Diese Betriebssicherheit zeichnet gute Aktivboxen eben aus. Man wird es wohl kaum schaffen einen einzelnen Töner zu verheizen...

Gruß,

Ralph
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Rudolf
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Beitrag von Rudolf »

Ich schließe weiter (und hoffe damit Franz ganz in mein Boot zu holen :wink: ):

1. Wer vorwiegend leise hört, der greife zu einem kleinen, geregelten System.

2. Wer sowohl leise als auch laut hört, der greife zu einem großen, geregelten System.

3. Wer hauptsächlich laut hört, der sollte zwar unbedingt aktiv hören, kann aber auch zu einem großen, ungeregelten System greifen.

Viele Grüße,
Rudolf
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Beitrag von Ralph »

Rudolf hat geschrieben:2. Wer sowohl leise als auch laut hört, der greife zu einem großen, geregelten System...
... und schaue sich die ganz großen Vertreter der Gattung die FM901, BM-Line 35 oder BM-Line 50 näher an.

Aktiv mit vollem Pegel:
Bei Herrn Krings schon mit einer brutalen Schlagzeugaufnahme gehört...
Ich hatte Angst Nasenbluten zu bekommen

Gruß,

Ralph
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